Style: Eli Simic, «Kontrolliere deine Angst» – so heisst dein Coaching, das letzte Woche online ging. Wie hast du selbst gelernt, deine Angst zu kontrollieren?
Eli Simic: Das war ein langer Weg. Eines Tages hat es bei mir Klick gemacht. Ich dachte mir, so kann es nicht für den Rest meines Lebens weitergehen. Dann habe ich angefangen, so ziemlich alles auszuprobieren von Psychotherapie über Kinesiologie, Atemtherapie bis hin zu Schamanen. Irgendwann habe ich einen Weg gefunden, mit der Angst umzugehen.
Und wie sah der aus?
Zuerst musste ich lernen, mich selbst zu beruhigen. Ich war wie ein Glas Wasser, das bis unter den Rand gefüllt ist. Jeder Tropfen brachte es zum Überlaufen und löste eine neue Panikattacke aus. Dieses Glas musste ich zuerst leeren. Das gelang mir mit Hilfe von Hypnose, Achtsamkeitsübungen und Atemtherapie. Erst dann konnte ich mich gezielt meiner Angst, respektive den Situationen, die mir Panik machten, stellen.
Hast du ein Beispiel für eine solche Situation?
Meine erste Panikattacke hatte ich auf der Autobahn. Danach habe ich zwei Jahre lang jede Autobahn umfahren – aus Angst. Irgendwann konfrontierte ich mich mit der Situation, zuerst mental, später physisch. Ich konnte tatsächlich von einer Ausfahrt zur nächsten fahren. Das war ein grosses Erfolgserlebnis, auf dem ich aufbauen konnte.
Heute hilfst du anderen Betroffenen. Weshalb hast du dich dazu entschieden?
Ich habe in der Zeit oft nach Gleichgesinnten gesucht. Menschen, die das überstanden haben, woran ich Tag für Tag leide, und mir helfen konnten, da rauszukommen. Eine solche Person möchte ich heute für andere sein.
Wie funktioniert das Coaching?
Es findet nicht eins zu eins statt. Mein Ziel war, dass man sich begleitet fühlt, auch wenn ich nicht anwesend bin. Jeder soll den Kurs in seinem Tempo durcharbeiten können. Ich habe dafür Videos aufgenommen, wo ich den Betroffenen Mut mache, ihnen aus meinen Erfahrungen erzähle und meinen Weg aufzeige, wie ich die Angst bewältigen konnte.
Du nennst es die «VUP-Strategie». Worum geht es dabei?
Es ist eine Strategie in drei Schritten: «V» steht für Verstehen, «U» für Üben und «P» für positive Verknüpfungen. Als erstes muss man überhaupt verstehen, was eine Panikattacke ist. Beim zweiten Schritt, dem Üben, geht es darum, sich jede einzelne Situationen wieder anzueignen, also wie bei mir die Autobahn. Dazu kommen Übungen, um sich zu sammeln und Kraft zu schöpfen. Die positive Verknüpfung, der dritte Punkt, folgt dann automatisch, wenn man erste Erfolge erzielt. So gewinnt man Schritt für Schritt die Kontrolle zurück.
Du hast weder eine medizinische noch eine psychologische Ausbildung. Warum glaubst du trotzdem, dass du Menschen helfen kannst?
Ich gebe natürlich kein Heilversprechen ab und sage auch offen, dass es keine medizinische Behandlung ist. Mein Coaching beruht alleine auf Verständnis und meiner Erfahrung. Ich weiss, wie sich Panikattacken anfühlen und wie sich Betroffene dabei fühlen. Und ich bin der lebendige Beweis dafür, dass man sie überwinden kann.
Warum ist Verständnis so wichtig?
Menschen, die noch nie eine Panikattacke hatten, können dieses Gefühl nicht nachvollziehen. Umso wichtiger ist es, dass man Personen um sich hat, die es können.
Was glaubst du, woran das liegt?
Zum einen sieht man einem die Krankheit eben nicht an. Zum anderen ist es auch sehr schwer, sie zu beschreiben. Ich meine, wie soll ich jemandem erklären, dass ich aus Angst nicht ins Kino kann, wenn ich selbst nicht einmal weiss, wovor ich Angst habe? Da schämt man sich sehr schnell und sucht lieber eine Ausrede, warum man nicht mitkommt.
Im Coaching sprichst du viel von Fehlern, die du selbst in der Zeit gemacht hast. Was meinst du damit?
Das schlimmste ist, die Angst zu füttern. Wenn mich zum Beispiel eine Freundin fragte, ob ich ins Kino komme, dann dachte ich sofort daran, eingeschlossen zu sein, in einem dunklen Raum, den ich nicht jederzeit verlassen kann. Diese Gedanken lösen dann auch tatsächlich eine Panikattacke aus – aber das konnte ich in dem Moment natürlich nicht wissen.
Schon während deiner Zeit als Bachelorette hast du sehr offen über deine Panikattacken gesprochen, dann kam die Facebook-Gruppe und jetzt das Coaching. Warum glaubst du, ist es so wichtig, über das Thema zu sprechen?
Wir leben im Jahr 2021. In einer Zeit, in der wir offen darüber reden, welche Sexspielzeuge wir benutzen, aber wir schämen uns noch immer, über psychische Krankheiten zu reden. Das muss sich ändern. Vor allem, weil so viele Menschen davon betroffen sind.
Du nennst dich selbst «Panikattacken-Bewältigerin». Hast du die Angst heute komplett überwunden?
Ja und darauf bin ich auch sehr stolz. Ich kann morgens aufstehen und einfach das machen, worauf ich Lust habe, ganz ohne Angst. Das ist extrem viel Lebensqualität gegenüber 2012, wo ich teilweise nicht einmal mehr das Haus verlassen konnte.