Andreas Filippi, oft bemerkt das Umfeld Mundgeruch eher als die Betroffenen. Warum ist das so?
Unser Geruchssinn gewöhnt sich an ständig vorhandene Geruchsmoleküle. Den Beweis dafür liefern Schönwettertage im Sommer. Ozon ist ein eigentlich stechend riechendes Gas, aber unsere Nase bemerkt hohe Ozonbelastung nicht, weil sie sich an den Geruch gewöhnt.
Gibt es Möglichkeiten, um eigenen Mundgeruch festzustellen?
Die sicherste Variante wäre, jemanden zu fragen.
Und wenn man sich dazu nicht überwinden kann?
Dann kann man die Airbag-Methode probieren. Man nimmt einen geruchlosen Plastiksack, der mindestens sieben Liter fasst, hält ihn sich vor den Mund, atmet normal durch die Nase ein und durch den Mund aus. Der Sack wird also nicht wie ein Luftballon mit Nachdruck aufgeblasen, wir wollen normale Atemluft sammeln. Wenn der Sack voll ist, verschliesst man ihn fest, schnuppert kurz an Kaffeepulver, um die Geruchsrezeptoren freizubekommen. Wenn man dann die Atemluft vor der Nase auslässt, hat man eine Chance, festzustellen, ob man gerade Mundgeruch hat. Die Methode bedingt freie Nasenrezeptoren, bei Erkältung funktioniert sie nicht.
Sollte das Umfeld Mundgeruch ansprechen?
Unter vier Augen, ja. Es gibt einen Satz, mit dem man das Thema auf respektvolle und nicht verletzende Weise ansprechen kann: «Es ist mir etwas unangenehm, aber ich möchte dir das trotzdem sagen, weil ich froh wäre, wenn mir das jemand sagen würde.»
Was steckt hinter Mundgeruch?
Es gibt mehr als 200 verschiedene Ursachen für Mundgeruch, die manchmal in Kombination verantwortlich sind.
Wo erhalten Betroffene Hilfe?
Dass Mundgeruch im Magen entsteht, glauben immer noch viele Menschen. Deswegen gehen sie eher zur Magenspiegelung als zum Zahnarzt. Fakt ist: 90 Prozent der Ursachen für Mundgeruch entstehen im Mundraum und gehören somit in den zahnärztlichen Bereich.
Wie wird Mundgeruch in einer Praxis getestet?
Die Abklärung beginnt bereits vor dem Termin. In der Regel erhält man einen Fragebogen, den man schriftlich beantworten kann, per Post oder E-Mail.
Gibt es Mythen rund um Mundgeruch, die Sie entkräften möchten?
Dass ein Zungenschaber gegen Mundgeruch nützt. Stellen Sie sich vor, Sie schütten Asche auf einen Teppich und dann versuchen Sie, den Teppich mit einem Schneeschieber zu reinigen. So etwa können Sie sich die Wirkung eines Zungenschabers vorstellen.
Andreas Filippi ist Professor in der Klinik für Oralchirurgie am Universitären Zentrum für Zahnmedizin Basel.
UZB BaselWas hilft dann?
Mundgeruch verursachende Bakterien sitzen gut versteckt in der rauen Oberfläche der Zunge. Da kommt nur eine spezielle Zungenbürste ran, die man mit einer Zungenpaste ergänzen kann.
Geht auch die normale Zahnbürste?
Das würde ich nicht empfehlen. Denn um die Bakterien zu erreichen, die Mundgeruch verursachen, muss man hinten auf der Zunge putzen und nicht an der Zungenspitze. Dort kann eine Zahnbürste aufgrund ihrer Form Brechreiz verursachen.
Gibt es auch ein Zuviel an Mundhygiene, die dem Bakterienhaushalt im Mund schadet?
Die langfristige oder gar dauerhafte Verwendung von Mundspülungen kann das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht bringen.
Mundspüllösungen können also Mundgeruch verschlimmern?
Die ursprüngliche Idee einer Mundspüllösung ist die medizinische Anwendung über einen limitierten Zeitraum hinweg. Sie eignet sich jedoch nicht zur Bekämpfung von Mundgeruch im Alltag. Ich erreiche mit einer Mundspülung die falschen Bakterien, und wenn ich diese eliminiere, haben Bakterien, die Mundgeruch verursachen, mehr Platz, um sich auszubreiten. So kann es zu einer Verschiebung des Mikrobioms im Mund kommen, was Mundgeruch sogar noch fördern kann.