Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten Beschwerden überhaupt. Es gibt über 200 verschiedene Arten. Der medizinische Begriff dafür ist Cephalgie. Doch Kopfschmerz ist nicht gleich Kopfschmerz.
Ursache oder Symptom?
«Generell unterscheidet man zwischen primären und sekundären Kopfschmerzen», so Christoph Schankin, Professor und Leitender Arzt der Kopfschmerz-Ambulanz am Inselspital Bern. Primäre Kopfschmerzen sind Erkrankungen, bei denen der Kopfschmerz das Hauptsymptom ist. Dazu zählen Spannungskopfschmerzen, Migräne und Cluster-Kopfschmerzen. Bei sekundären Kopfschmerzen liegt die Ursache anderswo, das kann beispielsweise ein Tumor sein oder eine Hirnhautentzündung. «Neunzig Prozent unserer Patienten haben primäre Kopfschmerzen, zehn Prozent sekundäre», weiss der Arzt.
Spannungskopfschmerzen
Spannungskopfschmerzen sind am weitesten verbreitet. Tendenziell sind Frauen mehr betroffen. Meist ist die Stärke des Schmerzes leicht und betrifft den ganzen Kopf. Die Schmerzen seien aber nicht so einschränkend, dass man eine Tätigkeit unterbrechen müsse, sagt der Neurologe. «Die Ursache variiert von Mensch zu Mensch.» Bei der Behandlung gebe es zwei Säulen: die Akuttherapie, also Medikamente zur raschen Beendigung der Attacke. Wenn die Schmerzen aber häufiger vorkommen, gelte es vorzubeugen. «Ich bin ein grosser Fan von nicht medikamentösen Therapien. Sprich: regelmässig essen, ins Bett gehen, aufstehen – auch am Wochenende, beim Alkoholkonsum nicht übertreiben.» Ganz wichtig: «Regelmässiger Ausdauersport, pro Woche eine halbe Stunde», rät der Arzt und empfiehlt Entspannungsübungen wie autogenes Training oder Yoga. Man könne sehr viel tun, um Kopfschmerzen zu verhindern, ohne jeden Tag Medikamente nehmen zu müssen.
Migräne
In der Schweiz leidet jede achte Person an Migräne, rund achtzehn Prozent der weiblichen und sieben Prozent der männlichen Bevölkerung. Frauen sind häufiger betroffen, weil der monatliche Zyklus Attacken auslösen kann. Migräne entsteht im Gehirn. «Wir glauben, dass es Zentren im Gehirn gibt, die das Auftreten von Migräne verhindern. Sie sorgen dafür, dass wir das Licht nicht als zu hell empfinden und Gespräche nicht als zu laut wahrnehmen.» Diese Filtermechanismen brechen bei Migränepatienten periodisch zusammen, und es kommt zu spontanen Attacken. «Sie kommen entweder von alleine oder werden durch bestimmte Trigger ausgelöst», so Schankin. Im Gegensatz zu Spannungskopfschmerzen ist Migräne viel stärker. Häufig sind die Schmerzen einseitig, pochend und mit einem Ruhebedürfnis verbunden. «Der Tag ist dann oft gelaufen.» Die Migräneattacke dauert ohne Behandlung vier bis sechs Stunden und länger.
Cluster-Kopfschmerzen
Cluster-Kopfschmerzen sind besonders starke, stechende Kopfschmerzen und kommen bei Männern etwas häufiger vor. Schankin: «Man weiss zwar, das Cluster-Kopfschmerzen mit Rauchen assoziiert sind, warum es aber Unterschiede beim Geschlecht gibt, ist unklar.» Sie treten immer einseitig an der Schläfe oder um die Augen auf und kommen regelmässig: «Das sind zum Teil bis acht massive Attacken von 30 Minuten bis zu drei Stunden täglich. Oft zur gleichen Zeit, häufig nachts. Sie reissen die Betroffenen aus dem Schlaf.» Symptome sind tränende Augen, Nasenlaufen, ein gerötetes Auge und Unruhe. «Anders als bei der Migräne möchten die Patienten am liebsten gegen eine Wand laufen, weil es so wehtut.» Bei der Therapie von Cluster-Kopfschmerzen wäre eine rasche Diagnose sehr wichtig. Aber: Die Ursachen werden meist erst nach mehreren Jahren erkannt. «Grund dafür ist, dass viele denken, es sei eine Migräne oder psychisch bedingt», erläutert der Spezialist. Sobald die Diagnose gestellt ist, könne man die Kopfschmerzen sehr gut mit Sauerstoff oder Imigran-Spritzen behandeln. Zudem gebe es sehr wirksame vorbeugende Therapien. Bei dieser Erkrankung nützen Sport und Entspannung nichts.
Warnsignale
Bei sekundären Kopfschmerzen gibt es sogenannte «red flags», die einen Arztbesuch unumgänglich machen: wenn man zum Beispiel wegen massiven Kopfschmerzen plötzlich in der Nacht aufwacht oder wenn der Schmerz ganz plötzlich kommt. Vorsicht ist auch angezeigt, wenn gleichzeitig ein Arm nicht mehr bewegt werden kann oder Sehstörungen auftreten. «Ich würde in dem Moment zum Arzt gehen, wenn ich wegen Kopfschmerzen ausfalle. Wenn das ein- bis zweimal im Monat passiert, dann ist das zu häufig», mahnt der Arzt. Kopfschmerzen können die Hölle sein, aber Schankin fragt sich, ob die Natur etwas damit bezweckt. «Untersuchungen zeigen, dass Migränepatienten sensitiver sind, also Dinge früher wahrnehmen. Seien das Wetterveränderungen oder Gefahrensituationen. Sie haben deswegen vielleicht sogar einen Überlebensvorteil gegenüber anderen.»