Vermehrter Haarwuchs, Zyklusstörungen und Gewichtszunahme
Das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) zählt zu den häufigsten Hormonstörungen weltweit. «Die Krankheit wird oft unterschätzt», sagt Dr. med. Mareike Roth-Hochreutener, Oberärztin an der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie am Universitätsspital Zürich (USZ). «Frauen suchen die Klinik vor allem wegen Zyklusstörungen, Übergewicht, Hirsutismus und Akne auf.» PCOS tritt laut der European Society of Human Reproduction and Embryology bei etwa 10 bis 13 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter auf. Die Ärztin betont, dass die Ursachen multifaktoriell seien, wobei Blutzuckerstoffwechselstörungen eine wichtige Rolle zu spielen scheinen.
Diagnose nach Rotterdam-Kriterien
Die Diagnose von PCOS erfolgt anhand der Rotterdam-Kriterien, die drei Hauptmerkmale umfassen. Es müssen mindestens zwei der folgenden erfüllt sein: Zyklusstörungen, polyzystische Ovarien – die Patientin hat zu viele Eibläschen an den Eierstöcken –, erhöhte männliche Hormone im Blut oder eine vermehrte Körperbehaarung. «Die Zyklusstörungen werden häufig durch die Einnahme von Verhütungsmitteln maskiert, was zu einer hohen Dunkelziffer und einer Unterdiagnose führt», erläutert Roth-Hochreutener. Sie betont, dass betroffene Frauen häufig nicht angemessen diagnostiziert würden. «Oft werden die Symptome erst bei einem unerfüllten Kinderwunsch entdeckt.» Auch die niedrige Sensibilisierung unter Gynäkologinnen und Gynäkologen führe dazu, dass PCOS unentdeckt bleibe. Das 2021 gegründete PCOS-Zentrum am Unispital Zürich strebt an, die Sensibilität zu erhöhen.
Gesund essen und viel Bewegung
Die Oberärztin unterstreicht die Bedeutung einer gesunden Lebensführung mit ausgewogener Ernährung und ausreichend Bewegung. Insbesondere bei übergewichtigen Frauen könne ein Gewichtsverlust die Symptome lindern. Die Behandlung richte sich nach den individuellen Beschwerden von der Zyklusregulierung bis hin zur spezifischen Therapie bei Kinderwunsch. Medikamentöse Therapien wie die mit dem Arzneistoff Metformin kämen vor allem bei Insulinresistenz zum Einsatz, «trotz möglicher Nebenwirkungen wie Übelkeit, Durchfall oder Erbrechen», so die Expertin. «Für Frauen mit PCOS gibt es keine spezifische Diätempfehlung; vielmehr ist eine ausgewogene und gesunde Ernährung wichtig. Regelmässige Bewegung kombiniert mit Herz-Kreislauf-Training und Kraftübungen wirkt sich ebenfalls positiv aus.»
Psychische Auswirkungen und Langzeitrisiken
Das PCO-Syndrom kann erhebliche psychische Auswirkungen haben, «besonders dann, wenn Frauen mit Übergewicht oder vermehrter Körperbehaarung zu kämpfen haben», sagt Roth-Hochreutener. «Das führt in gewissen Fällen dazu, dass sie eine Depression oder Angststörungen entwickeln.» Die Langzeitrisiken bei unbehandeltem PCOS umfassen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselstörungen wie Diabetes und ein erhöhtes Risiko, an Gebärmutterschleimhautkrebs oder Krebs der Eierstöcke zu erkranken.
Forschung macht Hoffnung
Forschungen zum Nahrungsergänzungsmittel Inositol und zu Medikamenten zur Gewichtsreduktion bieten neue Ansätze. «Inositol scheint ähnlich gut zu wirken wie Metformin, einfach ohne Nebenwirkungen wie Durchfall und Erbrechen», sagt die Ärztin. Interdisziplinäre Ansätze, wie sie im PCOS-Zentrum praktiziert werden, ermöglichen eine umfassende Betreuung durch Fachpersonal in der Gynäkologie, der Reproduktionsmedizin, der Endokrinologie, der Dermatologie, der Sporttherapie und der Ernährungsberatung. Die Zusammenarbeit verschiedener Fachgebiete verbessere die Betreuung von Frauen mit PCOS, sagt die Ärztin. Das PCOS-Zentrum am USZ zeigt, wie eine interdisziplinäre Herangehenweise zu einem besseren Verständnis und einer umfassenderen Betreuung führen kann. Denn, so Roth-Hochreutener: «Frauen fühlen sich ernst genommen und unterstützt, was entscheidend ist für den Umgang mit PCOS.»