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Psychische Gesundheit

Diese Auswirkungen hat die Arbeit auf unsere psychische Gesundheit

«Unsere psychische Gesundheit wird heute im Job viel mehr beansprucht als früher», sagt der Arzt Thomas Ihde. Einer der Gründe: die vielen Ablenkungen. Ihde rät deshalb, abzuschalten und Pausen einzulegen.

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nachdenklicher Mann

Viel Ablenkung macht schneller müde und führt so zu Stress.

Getty Images/Westend61

Während es normal ist, über eine Verstauchung oder eine Grippe zu sprechen und Ruhezeit einzufordern, haben die Menschen Hemmungen, wenn es um psychische Probleme geht. Der internationale Tag der psychischen Gesundheit vom 10. Oktober soll das Tabu brechen. Im Fokus dieses Jahr: mentale Gesundheit am Arbeitsplatz. Laut Bundesamt für Statistik ist die Zahl der gestressten Arbeitnehmer in der Schweiz von 2012 bis 2022 um fünf Prozent gestiegen.

Herr Ihde, woran liegt das?

Die individuelle Einschätzung von Stress ist immer mit Vorsicht zu geniessen. Fakt ist, dass die Krankheitstage aufgrund von psychischer Belastung zugenommen haben. Das liegt unter anderem daran, dass wir in der digitalisierten Arbeitswelt vor allem mentaler Belastung ausgesetzt sind. Wir sind mit einem viel grösseren Kreis an Menschen vernetzt, müssen ständig unsere Gefühle regulieren und werden mit unzähligen Reizen konfrontiert.

Wie kann die Arbeit unsere psychische Gesundheit noch gefährden?

Häufig ist nicht nur die Arbeit die Ursache, sondern eine Mehrfachbelastung in verschiedenen Lebensbereichen. Menschen, die am Arbeitsplatz unter grossem Druck stehen und zusätzlich im privaten Bereich mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben, neigen eher dazu, psychisch zu erkranken. Ausserdem haben die Unterbrechungen im letzten Jahrhundert enorm zugenommen.

Was meinen Sie damit?

Wir können uns nicht mehr lange auf eine Aufgabe konzentrieren, sondern werden ständig abgelenkt. Sei es von 20 Tabs, die wir gleichzeitig auf dem Computer geöffnet haben, oder von Menschen, die einen unterbrechen, weil sie etwas wissen wollen. Unser Fokus verschiebt sich andauernd.

Welche Folgen hat das?

Er führt dazu, dass man schneller müde wird. Eine Studie ergab, dass der Energieverbrauch zwei- bis sechsmal höher ist, wenn man innerhalb von zehn Minuten mehrfach unterbrochen wird, als wenn man ungestört arbeiten kann. Je höher der Energieverbrauch, desto grösser die Erschöpfung.

Definieren sich manche Menschen zu stark über ihre Arbeit?

Ja, das kann passieren, weil die Arbeit in unserer Kultur eine sehr hohe Bedeutung hat. Im internationalen Vergleich sind die Arbeitszeiten in der Schweiz lang. Das heisst, den Menschen bleibt weniger Zeit für ausgleichende Tätigkeiten. Wenn 80 Prozent der Energie ins Arbeitsleben geht und nur 20 Prozent in die Freizeit, dann ist man verletzlicher und anfälliger für psychische Erkrankungen.

Wie gelingt es herunterzuschalten?

Das fällt vielen Menschen schwer, weil sie in einem Hamsterrad gefangen sind. Sie haben das Gefühl, immer schneller rennen zu müssen, um der hohen Belastung gerecht zu werden. Damit man dem Druck aber standhalten kann, braucht es hin und wieder eine Pause. Das heisst, wenn der Stress hoch wird, brauchts mehr Zeit für Erholung.

Sie raten, Prioritäten zu setzen …

Ja, eine Aufgabe abzulehnen, fällt vielen Menschen schwer. Es geht dabei aber nicht um Schlagfertigkeit, sondern um Ehrlichkeit. Man darf nach einem Ja die Meinung ändern. Es ist keine Schande, der Chefin oder dem Chef zu sagen, dass man es sich nochmals überlegt habe und das Projekt sehr spannend finde, die eigenen Kapazitäten aber nicht ausreichend seien dafür.

Dr. med. Thomas Ihde (zVg). Er ist Stiftungspräsident von Pro Mente Sana und geschäftsführender Chefarzt Psychiatrie der Spitäler fmi AG

Dr. med. Thomas Ihde. Er ist Stiftungspräsident von Pro Mente Sana und geschäftsführender Chefarzt Psychiatrie der Spitäler fmi AG.

Dr. med. Thomas Ihde
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Wie gehts dir?

Jeder zweite Mensch erkrankt in seinem Leben einmal psychisch. Das ist sowohl für die Betroffenen wie auch für ihre Angehörigen mit viel Leid verbunden, führt zu Arbeitsausfällen und Gesundheitskosten. Es lohnt sich darum, in die Prävention von psychischen Erkrankungen und die Förderung der psychischen Gesundheit zu investieren. Mit der schweizweiten Kampagne «Wie gehts dir?» geben Bund und Kantone konkrete Tipps und listen Hilfsangebote auf. Wichtigste Boschaft: darüber reden!

Von Jana Giger am 10. Oktober 2024 - 09:00 Uhr