Tiktok verscheucht Instagram und Facebook vom Social-Media-Thron, Onlineshops boomen und Delivery-Services sind längst nicht mehr aussergewöhnlich. Selbst die alten, einst als unnötig abgestempelten Konzert-Videos, die seit gefühlt Jahrzehnten in unserer Foto-App feststecken, gucken wir uns hin und wieder mal an. Es ist längst kein Geheimnis mehr: Corona hat unsere Bildschirmzeit in fast endlose Längen getrieben. Manch einer hält dies für wahnsinnig ungesund, versucht sich an Digital Detox. Andere hingegen schätzen die Kontrolle, die einem durch den digital verlängerten Arm gegeben wird.
Lara, Freundin des Handys in Krisenzeiten
Ich will hier nichts schön reden: Ich greife ziemlich oft nach meinem iPhone. Ja, vielleicht bin ich sogar süchtig. Aber – und das ist der springende Punkt – ich bin süchtig nach den Inhalten der Apps und somit nach einer Welt, die ich mir selbst zusammengestellt habe. Öffne ich Instagram, Tiktok oder Pinterest, werden mir genau die Inhalte angezeigt, die ich als Followerin auswähle. Oder sie werden mir vom Algorithmus vorgeschlagen, der ebenfalls auf meine Vorlieben abgestimmt ist. Öffne ich Whatsapp, sehe ich meine gepinnten Chats zuoberst. Öffne ich die Telefon-App, springen mir meine favorisierten Kontakte ins Auge. Und öffne ich den Cameraroll, finde ich meine alten Fotos in Sekundenschnelle im jeweils zugeordneten Album – und kann nostalgisch in Erinnerungen der Prä-Coronazeit schwelgen.
Ich bin also diejenige, die über Organisation, Inhalt und Struktur meines iPhones herrscht. Und weil ich auch die einzige bin, die mein Handy bedient, ist die altbekannte Entscheidung «klicken oder nicht klicken?» stets bei mir. Heisst: Ich sehe und mache in meinem Smartphone das, was ich gerade sehen und machen will. Ergo: Ich kann diese kleine digitale Welt, die ich da tagtäglich in meiner Hosentasche mit mir rumtrage, nach meinem Geschmack verändern, beeinflussen, kontrollieren. Klar, manchmal verschlägt mich der Algorithmus in eine unvorhersehbare Richtung. Dennoch ist es meine Entscheidung, ob ich mich auf den vorgeschlagenen Content einlasse, oder ob ich mein kleines Digital-Universum beiseite lege. Und sowieso juckt es momentan doch überhaupt keinen, wenn ich mir mal einen ganzen Samstagabend lang irgendwelche Tiktok-Dances reinziehe. Ist doch schön, dass gerade jetzt, wo in der Realität vieles nicht mehr möglich ist, die virtuelle Welt etwas Abwechslung bietet.
Die Unterhaltung, Kontrolle und Organisation, die ich dank und mit meines iPhones erhalte, gibt mir Halt. Und das fühlt sich in Zeiten einer Pandemie, in der ich rund um mich herum abhängig von den Entscheidungen und Anweisungen anderer bin, ziemlich gut an.
Vanessa, Feindin des Handys in Krisenzeiten
Wer das Handy richtig nutzt, kann über Langeweile nicht klagen. Ein Handy (mit Akku und Internetzugang) bietet unerschöpfliche Beschäftigungsmöglichkeiten. 24 Stunden lang, sieben Tage die Woche. Ich kann mich fragen, ob es für den Sommerduft, der entsteht, wenn Regentropfen an warmen Tagen auf den Boden fallen, einen Namen gibt und kriege von Google die bejahende Antwort «Petrichor». Bin ich in Shopping-Laune stöbere ich online bei Edition Populaire und möchte ich meinen Freunden mitteilen, dass wir unsere Jogging-Session der Faulheit wegen zum vierten Mal verschieben müssen, schicke ich ihnen ein Meme.
Worin mein Problem mit dem Handy liegt? Dieses Gerät und somit alles, was sich damit machen lässt, unterhält mich derart, dass ich in jeder Situation, in der ich mich nicht unterhalten fühle, auf den Display tippe. Und anschliessend viel zu lange drauf starre, weil mich das Handy unbewusst von einem Ort an den nächsten führt. Von Palina Rojinskis Instagram-Profil zur Website des Kartenspiels Uno. Oder von der Zeit-Podcast-Folge «Alles gesagt» mit Sophie Passmann zu all ihren Texten, die es im Internet gibt. Es ist, als stünde ich jeden Tag in einer Kosmetikabteilung mit diesem überfreundlichen Personal: Ich frage nach einem bestimmten Haaröl und kriege Sekunden später nicht nur das Haaröl in die Hand gedrückt, sondern gleich drei weitere Produkte – die ich nun alle haben will, obwohl ich sie nicht bräuchte.
Seit dem Einzug ins C-Zeitalter drifte ich noch öfter von App zu App, vergesse eher die Zeit. Wahrscheinlich solange, bis die Lieblingsbar wieder geöffnet hat und ich im Yogastudio meine Matte ausrollen kann.
Wie erlebt ihr den Umgang mit dem Smartphone während der Pandemie? Erzählt es uns in den Kommentaren.