Sie werden auf einsame Inseln gesperrt (eigentlich in den meisten Shows, aber aktuell in «Love Island»). Oder einzeln in kleine Zellen, in denen sie sich während des Dates nur hören können – keinesfalls sehen («Love is Blind»). Es werden Geldstrafen verhängt, wenn sie völlig wahl- und «bedeutungslos» miteinander rummachen, Sex haben («Too Hot to Handle»).
Was sich Produzierende von Dating-Shows schon alles überlegt haben. Alles, um die Teilnehmenden zu tieferen – für einmal eben nicht oberflächlichen – Bindungen zu zwingen und uns – die Zuschauenden – zu unterhalten…
Blind-Dating next Level (eins zu hoch?)
Als momentaner Höhepunkt zeigt Netflix uns bald die Produktion «Sexy Beasts». Suchende Singles in Ganzkörperkostümen. Insekten daten Delphine. Delphine daten Pandas – Hauptsache niemand läuft Gefahr vom Aussehen des Gegenübers abgelenkt zu werden. Somit können sich dann auch alle und ganz auf die inneren Werte konzentrieren. Klingt flach. Klingt skurril. Warum nur?
Mal ganz abgesehen davon, warum wir Reality-Shows lieben. Wir lieben die Liebe. Die Gründe von «Sich-überlegen-fühlen», über «Alltagsflucht» bis zum «Voyeurismus» lassen wir beiseite. Wir beschäftigen uns im Folgenden damit, warum uns Streaming-Portale mit immer wilderen Konzepten füttern. Warum erhalten wir «Sexy Beasts»?
Wir konsumieren Menschen. Wir lassen uns zu wenig Zeit.
Viele kommen bei den ersten Unterhaltungen gar nicht über diese erste «Ach-du-auch-Phase» raus. Über dieses Stadium, in dem die Übereinstimmungen von Tinder an die Realität angeglichen und ergänzt werden, um die Illusion von Vertrautheit zu erzeugen. Ach, du findest Asien auch spannender als Südamerika? Ach, du magst den Bachelor auch? Und du findest auch, dass Proteinbrot völlig überbewertet ist? Ach! Trotzdem: Next…
Chancen werden täglich vergeben. Aber sie sind genauso schnell wieder vorbei. Weil schon das nächste Match wartet. Das könnte ja noch viel besser sein. Viel passender! Das Next-Level des Blind-Datings (Monsterkostüme) ist daher eine erleichternde Abwechslung zu dieser schnellen Swipe-Kultur. Und ein ganz und gar blindes Auswahlverfahren im Vergleich zu dieser Bilderflut aus dem Netz. Immer dieses Internet.
Monster statt rastloser Bildersuche
Und zu all dem haben unsere Generationen auch noch Angst vor Bindung, die Krankheit unserer Zeit. Alle wünschen sich die grosse Liebe, keiner glaubt mehr daran. Lieber holen wir das Maximale aus dem Moment heraus, auch wenn uns das vielleicht überfordert.
Auch wenn es uns die Möglichkeit nimmt, das Gegenüber mit Ruhe zu ertasten. «Sexy Beasts» bietet den Teilnehmenden ein solches Ertasten. Zwingt sie dazu. Fernab von allen anderen, einen überfordernden Reizen. Sogar des Aussehens. Könnte also klappen. Das mit der wahren Liebe.
Aber was tun, mit allen, die nicht auf einsamen Inseln weilen können? Was ist mit denen, die sich – ohne Skript, ohne TV-Format – selbst um ihre tieferen Bindungen kümmern sollen? «Sexy Beasts» folgt auf jeden Fall ab dem 21. Juli. Und die Reallife-Lösung hoffentlich auch bald…