Tippen, posten, kommentieren, senden, liken, sharen – in den sozialen Medien sind dem User keine Grenzen gesetzt. Doch während der Finger eifrig überm Smartphone schwebt, liegt man eigentlich nur gemütlich auf der Couch. «Slacktivism» lautet das Stichwort, zusammengesetzt aus den Begriffen «slacking» – herumhängen, faulenzen – und «activism» – Aktivismus. Die damit verbundene, traurige Wahrheit: Wer sich online als moralischer Superheld ausgibt, kann in Wahrheit auch ein unwissender Mitläufer sein.
Wie funktioniert der Aktivismus online?
Wie genau Slacktivism abläuft hat die Internet-Gesellschaft in den letzten Jahren an Beispielen wie der #metoo-Bewegung oder der #BlackLivesMatter-Debatte gezeigt. Die User der sozialen Medien setzten sich gemeinsam für oder gegen etwas oder jemanden ein. So entstanden Online-Proteste, die mit Hashtags oder bestimmten Posts (man erinnere sich, wie Instagram mit schwarzen Quadraten überflutet wurde) viral gingen. Allerdings beteiligten sich daran nicht nur Betroffene und Demonstranten, die mit Kartonschildern auf der Strasse waren, sondern auch User, die eingewickelt in die Kuscheldecke zu Hause vor dem Fernseher chillten, spontan auf die Solidaritätswelle aufsprangen und mal eben schnell ein schwarzes Quadrat posteten. Pseudoaktivisten? Slacktivisten.
Nun drängt sich die Frage auf …
… was es eigentlich bringt, eine durchaus wichtige Diskussion mit einem Hashtag zu versehen und durch von Facebook hergestellte Algorithmen zu jagen? Oder besser gefragt: Wem nützt es? Die unverschämte und dennoch ehrliche Antwort: Meist dem Slacktivisten selbst. Er zeigt sich mit den schwarzen Quadraten solidarisch, wirkt modern und informiert. Das ist grundsätzlich nichts Schlechtes, denn jede*r will sich in der Öffentlichkeit von der besten Seite zeigen. Und dennoch finden manche: Wer sich mit Slacktivism statt «richtigem» Aktivismus an Debatten beteiligt, macht zu wenig.
Verständlich. Schliesslich ist mit einem Post oder einem Hashtag nicht gleich das gesamte Gedankengut einer Gesellschaft verändert. Und ganz bestimmt sollten diejenigen, die ein schwarzes Quadrat posten, wissen, worum es dabei geht und nicht einfach auf der Trendwelle mitschwimmen.
Aber muss Aktivismus immer mit der physischen Teilnahme an Demonstrationen auf offener Strasse verbunden sein? Reicht es nicht, dass man in einer Welt, in der sogar Shitstorms einen Einfluss auf das Real Life haben, seine Meinung mit einem Instagram-Post preisgibt und sich so für Betroffene einsetzt? Wer definiert denn, was als «richtiger» Aktivismus gilt und was nicht? Ein Demonstrationszug kann nun einmal nicht nur aus Anführern bestehen. Es braucht auch diejenigen, die selbst in der hintersten Reihe lautstark ihre Stimme erheben und die Message verbreiten. Das Ziel ist nämlich für alle das gleiche: ein Bewusstsein schaffen.
Lieber posten, statt nichts tun
Grundsätzlich sollte daher jede*r so viel tun, wie ihm/ihr möglich ist. Wenn sich jemand engagieren will und dennoch keine Zeit für eine Demonstration hat, dann ist es schliesslich nicht verkehrt, wenigstens online an der Debatte teilzunehmen. Hauptsache, man ist informiert und weiss, wofür oder wogegen man sich überhaupt einsetzt. Und das funktioniert am besten, wenn man da ist, wo die Betroffenen sind. Möge das auf der Strasse oder auf Instagram sein.