Mittwochabend, 20.15 Uhr: Dick-Pics, beleidigende Chat-Verläufe und verstörende Geschichten über gnadenlose Vergewaltigungen. «Was ist denn bei ProSieben los?», mochte sich wohl der ein oder andere empörte Joko- und Klaas-Fan fragen. Nö, in der Sendung geirrt hatten sich hier niemand. Die Sendezeit, die das Erfolgsduo am Vortag im Duell gegen den deutschen TV-Sender gewann, sollten sie diesmal anders nutzen als sonst: Ohne Mutproben, ohne Witze, ohne Lacher – und ohne Joko und Klaas.
Stattdessen widmeten sie ihre hart erkämpften 15 Minuten einem Thema, das uns Gänsehaut, gar Tränen bereitet: «Männerwelten». Hinter dem skurrilen Titel steckt eine düstere Ausstellung über sexuelle Belästigung gegenüber Frauen. Ein Thema, das uns auch hierzulande angeht. Denn ähnlich wie in Deutschland, mussten auch in der Schweiz über die Hälfte aller Frauen schon einmal eine solche Erfahrung machen.
Nun geht das Video viral. Das Netz ist begeistert, der Sender vermutlich auch. Eine Frage stellen wir uns dennoch: Warum kann das Ganze erst im Rahmen eines von Männern gewonnenen Specials stattfinden? Immerhin haben die agierenden Autorinnen und Moderatorinnen wie Sophie Passman, Palina Rojinski und Collien Ulmen-Fernandes doch selbst genügend Bekanntheitsgrad, um eine solche Sondersendung auf die Beine zu stellen – oder etwa nicht?
Schauen wir uns dazu doch mal die Daten der Suchmaschine Google an. Geben wir Joko und Klaas ein, erhalten wir rund 2.620.000 Ergebnisse. Mit nur 20.000 Einträgen weniger kann Palina Rojinski da zwar ganz gut mithalten, den bedeutenden Unterschied machen allerdings die Fakten, die da genau gesucht werden. Über das männliche TV-Duo möchten die User am liebsten etwas zu «Gegen ProSieben», «Live» oder «Gegen ProSieben Tickets» erfahren. Und über die deutsch-russische Moderatorin? Joa, da ploppen am ehesten Begriffe wie «ungeschminkt», «Haare», «Mann» auf. Auch über ihre Kollegin Collien Ulmen-Fernandes scheint die Menschheit am ehesten etwas zu ihrem «Mann», ihren «Kindern» oder eine vermeintliche «Trennung» erfahren zu wollen. Die Sendungen und Filme, in denen die Frauen mitspielten, interessieren scheinbar nur die wenigsten.
Werfen wir nun mal einen Blick auf die Sendezeit. Wenn Joko und Klaas mal wieder mit einer genialen TV-Idee um die Ecke schnellen, schaufelt ProSieben dafür jedes Mal gern einen Top-Platz um 20.15 Uhr frei. Und das nicht nur für ihre gewonnene Sondersendung, nein, auch für den vorherigen Kampf darum, für «Joko und Klaas gegen ProSieben». Dienstags und mittwochs gehört den beiden nun also die Prime Time. Wie es bei ihrer weiblichen Wegbegleiterin aussieht? «Inside – Unterwegs mit Palina», eine der einzigen Shows, in der die 35-Jährige selbst das Zepter übernehmen durfte, strahlte der Sender erst um 22.15 aus. Steht sie in einer Joko und Klaas Produktion lächelnd neben den Herren, können wir uns das Ganze natürlich schon früher, noch hellwach angucken – zur Prime Time eben. Den Vergleich der jeweiligen Einschaltquoten sparen wir uns an dieser Stelle – ihr könnt euch das Ergebnis denken.
Und jetzt? Da «Männerwelten» durchs Netz fegt? Tja, liebe Leute, ratet mal, was da in den Schlagzeilen steht: «Joko und Klaas thematisieren … », «Joko und Klaas schockieren … », «Joko und Klaas kämpfen … ». Ja, das Duo hat ihre Sendezeit für ein wichtiges Thema hergegeben, das ist nett. Trotzdem waren es nicht sie, sondern Frauen, die durch die 15-minütige Sendung führten. Frauen, die gegen sexuelle Belästigung kämpfen; Frauen, die ihre Stimmen nutzen und von ihren eigenen scheusslichen Erfahrungen berichten – damit sich endlich etwas ändert und die schockierenden Zahlen zurückgehen.
Um auf die Anfangsfrage «Muss das Ganze im Rahmen eines von Männern gewonnenen Specials stattfinden?» zurückzukommen – die Antwort lautet ja. Mit «Männerwelten» konnte ProSieben eine Rekordquote von mehr als zwei Millionen Zuschauern knacken. Von den zahlreichen YouTube-Klicks und Reposts mal ganz abgesehen. Ob die Sendung wohl so viel Anklang gefunden hätte, wenn sie von Anfang an mit Sophie, Palina und Collien angeteast worden wäre? Wohl kaum. Ob so viele Männer wie gestern dabei zugeschaut hätten? Wieder nein. Ob sie überhaupt jemals die Chance auf ein Duell mit dem Sender, geschweige denn den Gewinn eines Prime-Time-Specials dafür erhalten hätten? Come on, ihr kennt die Antwort.