Geht es um das Tragen von aufreizender Kleidung, scheinen Frauen in der Gesellschaft noch immer um Erlaubnis fragen zu müssen. Vor allem dann, wenn sie ein bestimmtes Alter überschritten haben. So gerade gesehen bei Nicole Kidman. Die Schauspielerin ist längst kein Schulmädchen mehr. Um genau zu sein, ist sie 54 Jahre alt, gehört der Generation X an. Trotzdem posiert sie für das Cover der 28. «Hollywood Issue» der Vanity Fair in einem Low-Waist Minirock mit passendem XXS-Oberteil von Miu Miu. Eine High-Fashion-Version des «Baby One More Time»-Looks von aus den 1990ern. Was man bei der 17-jährigen Britney Spears als Revolution feierte, wird bei Nicole Kidman scharf kritisiert.
«Wir sind 50+ und unsere Schulmädchen-Tage lange vorbei! Das ist nicht cool.», ist nur einer der vielen Kommentare unter Kidmans Instagram-Post zu dem Cover. Eine Kritik, auf die man bei einem Mann gleichen Alters samt knapper Kleidung und Sixpack wohl kaum stossen würde. Den Drang, die Wahl eines Outfits bewerten und kommentieren zu müssen, verspürt man auch 2022 hauptsächlich bei Frauen.
Ü50 and fabulous(?)
Man möchte sich aufregen, vor Wut schreien, das Cover inbrünstig verteidigen. Doch steht das freizügige Foto von Nicole Kidman auch als Sinnbild für eine weitere Problematik. Auf der einen Seite möchte die Vanity Fair der Gesellschaft beibringen, dass auch reife Frauen freizügig sein dürfen. Auf der anderen Seite mogelt die Zeitschrift sie dann aber jünger. Eine Kontroverse: Eigentlich möchte man Nicole Kidman für die Aufnahme feiern, doch stellt sich gleichzeitig die Frage, warum darauf weder Altersflecken, noch Besenreiser, Cellulite oder Falten zu sehen sind. Man hat das mutige Foto weichgezeichnet, es entschärft. Als wäre eine leichtbekleidete, reife Frau UND als wären vermeintliche Makel dann eben doch zu viel für die empfindlichen Augen der Gesellschaft. Über 50 und fabelhaft. Dieser Satz sollte mit drei dicken Exclamation Points enden. Doch schleicht sich da mal wieder ein Fragezeichen dahinter.
Ein Fragezeichen, das wir nur streichen können, wenn wir wirklich anfangen Body Positivity zu leben, statt sie uns vorzugaukeln und den weiblichen Körper so akzeptieren, wie er nunmal aussieht. Und dazu gehören ab einem gewissen Alter eben auch sogenannte Problemzonen, die man an einer 25-Jährigen vielleicht noch nicht findet. Wer trotzdem – oder besser: gerade deswegen in den Minirock schlüpfen möchte, darf dies selbstverständlich noch so gerne tun. Ausrufezeichen.