Liebe geht durch den Magen und wer verliebt ist, hat Schmetterlinge im Bauch. Viele Redewendungen sagen dem Magen eine Verbindung mit der Psyche nach. Berechtigt, sagt Prof. Dr. med. Michael Schäffer. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news klärt der Chirurg und Autor von "Jeder Magen hat seinen Reiz" (Heyne) über die Wechselwirkung auf.
Wie Gefühle den Magen beeinflussen
Das sogenannte Bauchgefühl sollte nicht unterschätzt werden, denn tatsächlich gibt es Aufschluss über unsere Gefühle. Schäffer erklärt: "Der Magen steht mehr als jedes andere Organ über Nerven und Hormone mit unserem Gehirn und Unterbewusstsein im Austausch. Emotionen wie Freude, Angst und Liebesgefühle projizieren wir daher auf den Magen, der diese zurück ans Gehirn spiegelt." Deshalb spreche man neben dem Bauchgefühl auch davon, dass Gefühle "auf den Magen schlagen", uns bei unangenehmen Erlebnissen "flau" im Magen wird oder "Schmetterlinge im Bauch flattern".
Und was ist dran am Spruch "Liebe geht durch den Magen"? Die Redewendung beschreibe laut Schäffer "auf der einen Seite das wohlschmeckende gemeinsame Essen, bei dem Vertrautheit und Bindungen gefestigt werden". Auf der anderen Seite unterstreiche sie die Lebensweisheit, dass "die Kochkunst der Dame oder des Herrn die Zuneigung des oder der Bekochten steigert". Doch dabei gibt es einen Unterschied, erklärt der Chirurg: "Männliche Empfänger von Kochkunst und Küchengunst sind eindeutig im Vorteil. Denn funktionelle Kernspintomographie-Untersuchungen haben gezeigt, dass gerade bei Männern Hunger besonders intensiv mit Emotionen verknüpft ist." Nach dem Essen wiederum - mit Eintreten des Sättigungsgefühls - würden sie ein höheres Mass an Belohnung als Frauen empfinden.
Der Magen als "Liebeshirn"
"Das alles hat, wie überhaupt oft unsere geheimnisvolle Welt der Gefühle, mit unseren Hormonen zu tun", so Schäffer. Bei Frischverliebten seien es auch die Hormone, die "verrücktspielen". Forscher haben dem Experten zufolge herausgefunden, dass der Adrenalinspiegel bei Frischverliebten erhöht ist. "Wir befinden uns in einem Ausnahmezustand, in einer Stressreaktion. Meist verspüren wir keinen Hunger und Durst, haben das Gefühl von Luft und Liebe leben zu können, manchmal bekommen wir weiche Knie."
Das "Liebeshirn namens Magen" gebe seine besonderen, für uns nicht erklärbaren, aber spürbaren Signale. Ob dabei leichte Kontraktionen der Magenmuskulatur mit entsprechenden leichten Magenkrämpfen zu einem richtigen Kribbelgefühl im Magen führen, sei aber umstritten: "Manchmal folgen dem fehlenden Hungergefühl ja auch starke Heisshungerattacken. Dann geht Liebe wieder durch den Magen."
Untersuchungen italienischer Mediziner hätten gezeigt, dass dabei ein bestimmter Botenstoff, das Serotonin, im Blut stark vermindert ist - "fast so gering, wie es manchmal bei Patienten mit Zwangsstörungen nachgewiesen wird, etwa bei einem Waschzwang". "Verrückt" nach jemandem zu sein, bekomme somit durchaus eine reale Bedeutung, so Schäffer.
Genauso verhält es sich auch mit Liebeskummer. Dieser setze "ebenso starke Hormonreaktionen mit entsprechenden Auswirkungen auf den Magen und das Hungerzentrum frei". Reaktionen darauf sind allerdings verschieden. "Während der eine mit Magenkrämpfen und Appetitlosigkeit reagiert, führt Liebeskummer beim anderen zu richtigen Fressattacken. Verspeist wird vorzugsweise Schokolade. Die setzt ja bekanntlich in unserem Körper das Glückshormon Serotonin frei", erklärt der Autor.
Negative Emotionen können dem Magen Schmerzen verursachen
"Negative Emotionen wie Angst, Frustration, Ärger und Streit – beruflich wie privat – können uns durch die enge Verknüpfung über Nerven und Hormone mit unserem Gehirn ebenso auf den Magen schlagen und ähnliche Symptome auslösen wie beispielsweise Schmerzmittel oder ein schlechtes Essen", sagt Schäffer. Bei durch Emotionen ausgelösten Magenproblemen finde man "zum Glück aber praktisch nie eine tatsächliche Schädigung des Magens bei einer Untersuchung mit einer Magenspiegelung".
Ähnlich wie die Liebe beeinflussen auch andere Emotionen das Organ. Dass einem "etwas auf den Magen schlägt", kommt also nicht von ungefähr. Schäffer erklärt: "Der Magen reagiert sehr intensiv sowohl auf direkte Einflüsse, die wir durch Medikamente oder Lebensmittel auf ihn ausüben, als auch auf indirekte Effekte und emotionale Einflüsse über Verbindungen zu unserem Gehirn und Unterbewusstsein. Sind diese Einflüsse für den Magen belastend, sprechen wir davon, dass uns etwas auf den Magen schlägt."