Quo vadis, trauriges Menschlein? Ins Blau der Dämmerung, hineingezogen in den Strudel der unendlichen Sehnsucht.
«Classic Blue steht für die endlosen Weiten des Abendhimmels, ruft uns auf, unseren Horizont zu erweitern, klarere Gedanken zu fassen, neue Perspektiven einzunehmen, frei und unvoreingenommen zu kommunizieren»,
so Leatrice Eiseman, amerikanische Farbspezialistin und CEO bei Pantone, the one and only Farbhersteller, der seit 20 Jahren die Farbe des Jahres kürt.
Das Ergebnis beeinflusst unsere Umwelt jedes Mal aufs Neue, schmückt Innenräume ebenso wie Körper, und reagiert in erster Linie auf die Bedürfnisse der Gesellschaft. Glasklare Gedanken müssen wir fassen, frei kommunizieren, unser bestes Selbst sein also. Was darauf folgt, ist die Angst, nicht zu genügen. Was daraus resultiert, sind jede Menge Probleme. Der Kopf raucht, das Herz schwelt. Kann uns das Blau da retten oder macht es alles nur noch schlimmer?
Wir werden ganz bewusst blau
Wie ein Damoklesschwert schweben Soziale Medien und Leistungsdruck über unseren so rastlosen Köpfen. Einerseits huldigen wir all denen, die offen über ihre Probleme sprechen, um sicher zu stellen: «Du bist nicht allein». Andererseits droht uns die Machete bei all dem Überfluss an Vergleichsmöglichkeiten und den sich daraus ableitenden Geständnissen das Gehirn zu spalten: Natürlich darf das Thema Mental Health kein Tabu sein und niemand soll sich allein fühlen müssen mit seinen Dämonen. Jeder soll gehört werden, sich zu öffnen ist gut. Die kleinste Angst als «Anxiety» zu deuten, aber nicht. Panikattacken sind kein Trend.
Das Wort «Angstzustand» wird im Amerikanischen schnell missbraucht, so wie es im Deutschen oft mit «behindert» und «schwul» der Fall ist. Meint keiner so, ist aber ernst. Mit «This is giving me Anxiety» werden oft unangenehme Sachen abgetan. Wenn junge, schöne und steinreiche Frauen wie Bella Hadid und Hailey Bieber sagen, dass sie unter Depressionen leiden, mag das erst mal komisch klingen. Die haben schliesslich alles (eine davon sogar Justin Bieber zum Mann). Wer nicht weiterdenkt, nimmt Schwierigkeiten mit der mentalen Gesundheit (neudeutsch für Psyche, Letzteres klänge dann doch zu psycho) als Luxusproblem wahr – und als chices Statement-Accessoire, das man nicht kaufen muss.
Die Lösung bei Zukunftsängsten – einfach mal blau machen
Die Anxiety-Generation ist sowas wie die der Emos Anfang der 2000er. Nur in schöner vielleicht – wegen der andauernden Selbstoptimierung. Die Therapie in der übervollen Agenda ist dabei aber zum Glück nicht nur Statussymbol, sondern auch Linderung. Ein Anker.
«Die heutige Zeit verlangt Vertrauen und Hoffnung. Der klassische Blauton ‹Pantone 19-4052 Classic Blue›, ganz geprägt von Konstanz und Verlässlichkeit, strahlt genau diese Zuversicht aus. Das intensive ‹Classic Blue› verankert uns sicher im Hier und Jetzt»,
so Leatrice Eiseman. Da wären wir also wieder beim Thema.
Aufrichtigkeit und Ruhe ist es, was wir jetzt brauchen. Und kein Problem, das uns eventuell ein bisschen interessanter macht. Stattdessen sollten wir uns rüsten. 2020 finden in den USA erneut Präsidentsschaftswahlen statt, der Terror wird vermutlich nicht abbrechen, das Klima kriegt sich auch nicht wieder ein. Wir müssen uns beruhigen, an unseren Problemen arbeiten, statt uns darin zu suhlen. Wir sollten öfter in den Himmel schauen. Wenn wir Glück haben, ist der nämlich Classic Blue.