Inzwischen gibt es die verschiedensten Formen der Therapie, um psychische Krankheiten anzugehen und zu bekämpfen. In aller Munde ist nach wie vor die Hypnose, bei welcher der Patient oder die Patientin «hochkonzentriert auf bestimmte Gedanken, Ängste oder Zwangsvorstellungen fixiert ist», verrät Dr. Gabriela Hagner, Chefärztin der psychosomatischen Haku-Privatklinik Eschweiler. Im Interview klärt die Expertin über die Wirkung und Heilkraft der Hypnotherapie auf.
Was genau ist Hypnotherapie und was passiert dabei mit den Patient*innen?
Dr. Gabriela Hagner: Von der Therapeutin oder dem Therapeuten in tiefe Trance versetzt, richtet sich der Fokus der Patient*innen bei der Hypnotherapie auf innere Bilder und konkrete Vorstellungen. Tief entspannt, aber dabei dennoch hochkonzentriert, sind sie fixiert auf bestimmte Gedanken – etwa Ängste oder Zwangsvorstellungen. Wahrnehmungen von aussen sind buchstäblich ausgeblendet. Der veränderte, tiefenentspannte Bewusstseinszustand bietet ideale Voraussetzungen, um belastende Ereignisse der Vergangenheit zu bearbeiten, positive Kräfte freizusetzen und/oder neue wohltuende Denkmuster zu entwickeln.
Suggestionen der Therapeut*innen, also konkrete, mit den Patient*innen zuvor abgesprochene Vorschläge, helfen dabei, unbewusst neue Lösungsmöglichkeiten zu finden. Ziel der Behandlung ist es nicht, beispielsweise Ängste auszumerzen, sondern diese zu verstehen und zu lernen, mit diesen anders als bisher umzugehen.
Welche Arten von Hypnotherapie gibt es?
Die Hypnotherapie ist alles andere als eine moderne Errungenschaft: Bereits im 19. Jahrhundert wurde diese Methode zur Betäubung eingesetzt, einige Zeit noch vor dem Lachgas. Und auch Sigmund Freud integrierte die Hypnose Ende des vorletzten Jahrhunderts in seinem topografischen Modell der Bewusstseinsebenen. Heute bieten alleine hierzulande über 10'000 speziell ausgebildete Ärzt*innen, Zahnärzt*innen und Psycholog*innen diese Methode an – oft kombiniert mit systemischer oder Verhaltenstherapie.
Dabei gibt es verschiedene Arten von Hypnose, die je nach Ziel und Methode unterschieden werden können:
Die klinische Hypnose wird häufig im medizinisch-therapeutischen Bereich eingesetzt, um psychische oder körperliche Beschwerden zu behandeln. Dazu gehört die Regressionshypnose mit dem Ziel, zurückliegende Ereignisse oder Erfahrungen aus der Vergangenheit zu reaktualisieren und zu lösen (beispielsweise zur Aufarbeitung traumatischer Ereignisse oder zur Angstbewältigung). Die analytische oder lösungsorientierte Hypnose dient der Identifizierung und Lösung unbewusster Ursachen psychischer Probleme oder Verhaltensweisen.
Wie der Name schon sagt, zielt die Entspannungshypnose darauf ab, eine tiefe Entspannung zu erreichen und den Geist zu beruhigen. Eingesetzt wird sie auch zur Stressbewältigung und zur Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens.
Die Showhypnose schliesslich ist eine Unterhaltungsform. Hierbei führt ein*e Hypnotiseur*in verschiedene Techniken vor, um Freiwillige in einen tranceähnlichen Zustand zu versetzen.
Wann und inwiefern hilft Hypnotherapie?
Bestimmte Ängste lassen sich besser mit der Hypnotherapie behandeln als andere. Besonders gut wirkt die Hypnose bei spezifischen Phobien wie Flugangst, Angst vor Spinnen oder Höhenangst. Aber auch bei anderen Angststörungen wie Panikattacken oder sozialer Angst kann die Hypnose als wirksame komplementäre Behandlungsmethode eingesetzt werden.
Darüber hinaus empfehlen immer mehr Psychotherapeut*innen die Hypnotherapie auch bei Anpassungsstörungen, Burnout–Erkrankungen, leichten bis mittelschweren Depressionen oder Zwängen.
Neben der rein therapeutischen Anwendung erobert die Hypnotherapie auch zunehmend medizinische Bereiche wie etwa Geburtshilfe und Schmerzbehandlung. So wird sie immer häufiger eingesetzt, um Patient*innen beispielsweise operative Eingriffe zu erleichtern: Im Zustand tiefster Entspannung wird die Aufmerksamkeit der Patient*innen sozusagen nach innen fokussiert – auf positive Stärken und hilfreiche, verborgene Ressourcen. Diese positiven Momente lenken ab von körperlichen Schmerzen. Nach der OP erinnern sich die Patient*innen oft nur oder grösstenteils an angenehme entspannte Momente.
Welche ist die beliebteste Form der Hypnotherapie?
Die klassische Form der Hypnose ist die Fremdhypnose. Diese gilt als die effektivste und intensivste Form der Hypnose, da die Hypnotisand*innen, also die Patient*innen, keine Steuerung und Kontrolle übernehmen und sich somit der Trance völlig hingeben können. Diese Form der Hypnose wird von den Patient*innen am häufigsten gewählt.
Auf was sollte man bei der Suche nach eine*r Hypnotherapeut*in achten?
Wichtig ist natürlich, dass der/die Therapeut*in über die erforderliche fachliche Kompetenz verfügt. Neben einem entsprechenden Fachstudium und Zusatzqualifikation (etwa als Psychotherapeut*in) sollte er/sie auch entsprechende Zusatzqualifikationen im Bereich der Hypnotherapie besitzen. Hilfreich sein können bei der Wahl u.a. die Landesärztekammern, die Krankenkassen oder die Fachgesellschaften für Hypnotherapie, wie zum Beispiel E M G.
Hilft hypnotische Trance akut oder braucht es länger Zeit, um einen Effekt zu spüren?
Nicht alle Menschen lassen sich gleich gut in einen Trancezustand versetzen. Bei manchen gelingt das gar nicht. Von grundlegender Bedeutung ist es, sich auf diese Therapieform einzulassen und regelmässig an den Sitzungen teilzunehmen. Für einen Behandlungserfolg sind in der Regel sechs bis acht Therapiestunden erforderlich – eine entsprechende Qualifikation bzw. Weiterbildung des Therapeuten vorausgesetzt. Rund 200 internationale Studien belegen übrigens die Wirksamkeit dieses wissenschaftlich fundierten und offiziell anerkannten Verfahrens.
Welche Risiken gibt es bei Hypnotherapie?
Nebenwirkungen sind, wie auch bei anderen Entspannungsmethoden, sehr selten. Es besteht das geringe Risiko leichter Kopfschmerzen, Schwindels oder einer Retraumatisierung, also des erneuten Erlebens alter Konflikte. Für Menschen mit Persönlichkeitsstörungen oder Psychosen ist diese Methode nicht geeignet.