Es gibt viele Dinge, die wir an der Arbeit im Büro vermissen: kostenlosen Kaffee, eine Ausrede, um etwas anderes als Trainerhosen zu tragen. Aber was wir vielleicht am meisten vermissen, sind andere Menschen – und die Gespräche, die wir mit ihnen führen. Insbesondere: Klatsch und Tratsch.
Während für manche*r Tratsch belanglos und unprofessionell ist, sind Expert*innen der Meinung, dass das Reden über andere hinter deren Rücken manchmal ein nützliches Instrument sein kann. Und zwar, um sich am Arbeitsplatz zurechtzufinden und wichtige Informationen zu erhalten.
Der überraschende Nutzen von Klatsch und Tratsch
«Ich denke, dass Klatsch im Allgemeinen eine gute Sache ist», sagt Elena Martinescu, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Freien Universität Amsterdam, die sich intensiv mit der Psychologie des Gossips beschäftigt hat. Nach der Evolutionstheorie hat der Mensch den Klatsch und Tratsch entwickelt, um die Zusammenarbeit in einer Gruppe zu erleichtern. Indem wir über andere Menschen sprechen, können wir lernen, mit wem wir zusammenarbeiten und von wem wir uns fernhalten sollten, was einer Gruppe hilft, besser zusammenzuarbeiten. Dieses tief verwurzelte Verhalten lasse sich auch auf den modernen Arbeitsplatz übertragen.
Matthew Feinberg, Professor für Management an der Universität von Toronto, weist darauf hin, dass es verschiedene Arten von Klatsch gibt. «Wenn es sich bei Klatsch und Tratsch nur um Schund handelt – zum Beispiel Kommentare über das Aussehen einer Person –, dient das keinem positiven Zweck und ist daher negativ, schädlich und problematisch. Die Forschung zeigt jedoch, dass der meiste Klatsch ziemlich harmlos ist.»
Gossip ist nicht immer negativ
Eine Studie aus dem Jahr 2019 zeigt beispielsweise, dass bei der Aufzeichnung von Gesprächen von rund 500 Teilnehmern die überwiegende Mehrheit – mehr als drei Viertel – der Gespräche weder positiv noch negativ, sondern ausgesprochen neutral ist. Banale Informationen gehen durch die Gerüchteküche. Obwohl die gleiche Studie gezeigt hat, dass wir viel tratschen – im Schnitt 52 Minuten pro Tag – ist der Inhalt meist nicht so gemein, wie wir annehmen.
Shannon Taylor, Professorin für Management an der University of Central Florida, USA sagt, Klatsch und Tratsch könne «unsere Gefühle bestätigen» und uns helfen, herauszufinden, wie andere Menschen zu den Dingen stehen. Es hilft uns zu vergewissern, ob wir «die Welt auf dieselbe Weise wahrnehmen, wie andere Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen. Es geht um das Sammeln von Informationen.» Was ist angemessen, was nicht, und so weiter.
Wir passen unser Verhalten dadurch an
Negativer Klatsch gibt den Beteiligten das Gefühl, der Person, über die getratscht wird, überlegen zu sein. Das Selbstwertgefühl steigt – ergab eine Studie aus dem Jahr 2014. Schmeichelhafter Klatsch hingegen gibt den Zuhörer*innen Ideen, wie man sich selbst verbessern könnte.
Ein wesentlicher Bestandteil unseres Arbeitsprozesses
Besonders in Zeiten der Pandemie sei Gossip wichtig – es handle sich dabei um eine Art Abwehrmechanismus, mit dem wir Angst bewältigen (Quelle). Lästern werde zu einem hohen Masse von Unsicherheit bestimmt. Wir versuchen besonders in unsicheren Zeiten herauszufinden, was andere Leute denken oder tun. Es hilft, Bindungen aufzubauen. Auch wenn wir uns gerade nicht um die physische Kaffeemaschine sammeln, um uns gegenseitig Gerüchte zuzuflüstern, haben wir Slack und DMs als alternative Kanäle. Fernarbeit quasi.
Praktisch also, dieses Getratsche. Das schlechte Gewissen können wir getrost aussen vor lassen, wenn wir das nächste Mal über das Leben anderer sprechen. Solange wir nicht bösartig sind.