Über jede einzelne dieser drei Frauen (Britney Spears, Paris Hilton, Lindsay Lohan) könnte man jeweils ein Buch schreiben. Aber nun müssen sie sich diesen Text teilen – einen, in dem es darum geht, was seit diesem Bild, das 2006 entstand, alles passiert ist. Es geht darum, was sie trennt und was sie verbindet.
Dazu gehört, neben dem gemeinsamen im Auto zur Party zu fahren, dass sie in den späten Neunziger- und den frühen Nullerjahren bekannt wurden. Dazu gehört, dass ihnen allen, in ihrer jeweiligen Funktion (Sängerin, It-Girl, Schauspielerin) bestimmte Stempel verliehen wurden (Rich Girl, Schlampe, Partyluder).
Beginnen wir mit Britney
Die amerikanische Sexualmoral beeinflusste die Karriere der Sängerin. 1998 wurde Spears (damals 17, heute 39) mit Baby One More Time berühmt. Davor wächst sie in einer Kleinstadt (Kentwood) auf, in einer protestantischen Mittelschicht-Familie. Währendem geht sie mit ihrer ehrgeizigen Mutter viel zu Talentwettbewerben. Mit dem Erfolg als Sängerin, 1998, kommt die Kritik. An ihrem weiblichem Sexualverhalten. Sie balanciert zwischen «Kein Sex vor der Ehe» und schwitzend, stöhnenden Performances vor der Kamera. Und sie trägt dazu auch noch bauchfrei! Die Sexyness ihrer Auftritte und Videos wird von Medien gegen ihre vermeintliche Keuschheit ausgespielt.
Dann hat sie angeblich ihren damaligen Boyfriend (Justin Timberlake) betrogen. Die Öffentlichkeit ist schockiert. Dann heiratet sie irgendwen (Kevin Federline). Das soll mal eine*r verstehen. Dann erleidet sie wegen der gescheiterten Ehe einen Nervenzusammenbruch (Regenschirm). Dann feiert sie zu wild. Nimmt Drogen. Suchttherapie. Innerhalb weniger Monate wird sie zu einem sogenannten Skandalpopstar. Ungeachtet der Tatsache, dass es nie einen echten Skandal gibt. Der Respekt ist weg. Sie wird für unmündig erklärt. Auch vom Gesetz. Ihr Vater übernimmt die Vormundschaft. 12 Jahre lang bekommt jetzt der US-Bundesstaat Kalifornien Bescheid, wenn die Frau ein Happy Meal bestellt.
Heute ist sie nach langen Verhandlungen und der #freebritney-Bewegung frei. Steht nicht mehr unter der Vormundschaft ihres Vaters. Sie darf nun selber über ihre Auftritte entschieden, über ihr Vermögen, darüber, ob sie Heiraten, noch einmal Kinder bekommen will.
Weiter mit Paris
Die Hotelerbin ist so etwas wie die Vordenkerin von Instagram. Sie ist famous for being famous. Sie wird 1981 in ein reiches Elternhaus geboren, wo es ganz normal war, mit Michael Jackson zu telefonieren. Ausbildungen bricht sie ab, um Model zu werden. Sie spielt dann bei der Reality-Show «The Simple Life» mit, wo sie, scheinbar naiv und vor sich hin quengelnd, das Landleben auf einer Farm entdeckt (und dadurch natürlich noch viel, viel reicher und blöder wirkt). Nachdem ein Sex-Tape, gefilmt von ihrem Ex-Freund, von ihr auftaucht, läuft die Show besser. Die ultimative Degradierung zum naiven Mädchen ist vollzogen (2003).
Sie sei nicht dumm, doch sehr wohl in der Lage, so zu tun, sagt sie einmal, aber das scheint egal, Paris muss in der öffentlichen Wahrnehmung Paris bleiben (reich, blond, schön, sexy etc.). Heute spricht sie offen darüber, dass die Veröffentlichung des Tapes für immer wehtun werde. Heute nimmt man solche Worte ernst. Vor kurzem hat sie geheiratet. Den 40-jährigen Unternehmer Carter Reum. Kim Kardashian war auch da.
«Wir haben mit einer In-vitro-Fertilisation (künstlichen Befruchtung) begonnen», erzählt Hilton. Das und die Hochzeit seien wichtige Schritte in ihrem Leben, um «endlich ein richtiges Leben zu haben».
Und was ist mit Lindsay?
Britney und Paris haben den Club schon verlassen. Lindsay feiert noch lange nach ihnen. Die «Skandalnudel», 1986 in New York geboren. Vor diesem Titel ist der Kinderstar für Komödien wie «Freaky Friday» oder «Girls Club – Vorsicht bissig» bekannt. Doch dann gerät Lohan mit Drogenexzessen, Verhaftungen wegen Alkohol am Steuer und Skandalen in die Schlagzeilen, die Filmkarriere liegt brach. Nun steht sie nach langer Funkstille (Mykonos Cluberöffnung, 2018, mal ausgenommen) wieder vor der Kamera. Für eine Weihnachts-Rom-Com von Netflix.
Sie ist nicht wiederzuerkennen. Ganz anders als auf den Paparazzi-Fotos aus ihrer Partyzeit. Nicht nur Lindsay Lohan, auch Britney Spears und Paris Hilton werden rund um das Jahr 2006 durch die Mangel der Medien gedreht. Mit voyeuristischer Sensationslust und etwas zu wenig an Empathie begleiteten Magazine und Websites die Partynächte, die Süchte, die psychischen Zusammenbrüche ihrer Subjekte, als handele es sich nicht um echte Menschen, sondern Darstellerinnen in einer grellen Seifenoper.
Die dunklen und weniger dunklen, aber dennoch zu dunklen Ecken aus dem Leben von weiblichen Popstars zu sehen, entsprach nicht unserer Vorstellung. Alles an den Frauen sollte aufgeräumt sein, nichts durfte nach abgestandenem Alkohol oder Erbrochenem riechen. Mittlerweile erscheint die Boshaftigkeit der damaligen medialen Berichterstattung nicht mehr möglich. Sei es wegen einer Sensibilisierung oder weil es einfach nicht gut fürs Geschäft wäre. Für die drei Damen und ihre Vergangenheit ist das vermutlich bedeutungslos. Aber für zukünftige und auch heutige könnten ihre Geschichten Pionierarbeit bedeuten.