Das Hotel Ascott in der Aarauer Vororts gemeinde Küttigen würde man auf den ersten Blick kaum für das Zentrum der Digitalisierung halten. Drei Sterne, Gepäckaufbewah rung, Restaurant mit Terrasse, freundlicher Empfang an der Rezeption und ein Frühstücksbüffet mit Gipfeli, Käse und Schinken. Der Bezug zur royalen Pferderennbahn im englischen Ascot liegt im nahe gelegenen Turfgeläuf Schachen.
Alexandra Signer und Ilona Rohner haben mit Rennreitsport ebenso wenig zu tun wie mit der britischen Monarchie. Und trotzdem beförderten sie das Hotel Ascott zum Pilotprojekt ihres hyb riden Geschäftsmodells – weil das Haus viele ungenützte Ressourcen besass und mit seiner zentralen Lage in einer grösseren Agglomeration die perfekten Voraussetzungen mitbringt, als Plattform für Menschen mit unterschiedlichen Interessen und als Schnittstelle zwischen ana loger und digitaler Welt zu dienen.
Was etwas kompliziert tönt, ist faktisch ganz einfach. Im Hotel Ascott richteten Signer, Rohner und Reto Schaffer, der Geschäftsführer der Non ProfitAG Trinamo, mit ihrem Startup one11 so zusagen ein analogdigitales Dorf ein, in dem diverse Dienste und Leistungen angeboten werden: vom Mahlzeitendienst über Reinigungsservice bis zu Vermittlung von Jobs und alltäglichen Hilfsleis tungen wie Rasenmähen oder Unterstützung beim Einkaufen. Die Kommunikation geschieht via App – oder ganz altbacken via Anschlagbrett im Hotel: «Wir wollen auch Menschen einbinden, die sich nicht in der digitalen Welt bewegen. Unser Netz werk soll allen offen stehen», erklärt Signer. Im Ascott bieten sich an der Wand im Lobbybereich eine Babysitterin, eine psychologische Ernährungsberaterin, eine Hormontherapeutin oder auch Menschen an, die als «Wegbegleitende» von älteren oder gehbehinderten Personen helfen wollen. Als «Währung» dienen «Zeitgutschriften». Ilona Rohner erklärt das Prinzip: «Erledigt bei spielsweise jemand die Steuererklärung, erhält er zwei Stunden gutgeschrieben. Diese Zeit kann wiederum dafür eingesetzt werden, dass man je manden mit Rasenmähen oder Hundespazieren beauftragt.» Und wie finanziert sich one11? Roh ner: «Wir verdienen nur dann Geld, wenn jemand durch uns Geld verdient.
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Personal vom zweiten Arbeitsmarkt
Im Hotel Ascott ist dies beispielsweise der Mahlzeitenservice, mit dem unter anderem lokale Kitas beliefert werden. Beschränkte sich die Produktivität in der Küche an einem normalen Wochentag früher auf 30 Mahlzeiten, werden nun täglich 380 Portionen gekocht. «Solche fixen Auf träge machen den Aufwand planbar», sagt Ilona Rohner. Das zusätzliche Personal wird aus schliesslich auf dem «zweiten Arbeitsmarkt», – also durch Stellensuchende, die beim regionalen Arbeitsvermittlungszentrum gemeldet sind, durch IV-Bezüger, durch beeinträchtige oder ältere Menschen. Das Modewort Inklusion will sie dabei explizit nicht verwenden. «Der Einbezug, Einsatz und das Zufriedenstellen von Menschen aller Art sind für uns selbstverständlich und normal», sagt Alexandra Signer dazu.
Das Modell von one11 funktioniert mit einem Hotel als zentralem Ort, aber beispielsweise auch mit Heimen, Wohnsiedlungen oder Spitälern. «Dort, wo die Menschen zusammenkommen, entfaltet unser Konzept die grösste Wirkung», so Signer. Im «Ascott» ist CommunityManagerin Marlies Widmer für die Umsetzung zuständig. Dazu gehört auch das Veranstalten von Events wie etwa einen «LandfrauenAbend», einen «SuppenMittag» oder das GrittibänzBacken mit Kindern. So sei das Ho tel im wahrsten Sinn des Wortes wiederbelebt worden. Widmer sagt: «Unter dem alten Namen Basilea hatte die Herberge keinen sonderlich guten Ruf. Seit der Wiedereröffnung vor fünf Jahren und der Zusam menarbeit mit one11 hat sich dies merklich geändert. Die Menschen kommen wieder. Die Einwohner von Küttigen und Rombach haben uns wiederentdeckt.»
Neue Projekte im Aufbau
Bis jetzt wurden über 320'000 Mittagessen ausgeliefert und sieben Menschen konnten aufgrund des Angebots zu Hause wohnen bleiben. Dem Beispiel des Aargauer Hotels sollen bald weitere Projekte folgen. In der Stadt Basel sind zwei Communities in Aufbau – mit dem Messehotel Du Commerce und dem Hotel Balegra als Zentren. 15 weitere befinden sich im Aufbau. Es sind Fakten, die als Indiz dienen, auf dem richtigen Weg zu sein. Oder wie es Signer sagt: «Wir wollen beweisen, dass sozialer Mehrwert auch ökonomisch funktioniert.»
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«Technologie zum Wohl der Kranken»
Roland Siegwart ist Professor für Autonome Systeme an der ETH Zürich. Innovation und Unternehmertum stehen ihm nahe.
Roland Siegwart, was macht das Projekt des BBZ mit Qumea so speziell?
Das Projekt verbindet neue Technologien mit den Bedürfnissen aus dem Pflegebereich und ermöglicht somit eine optimale und effiziente Betreuung. Es ist ein wunderbares Beispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit, das zeigt, wie digitale Technologien zum Wohl der Pflegebedürftigen und Pflegenden beitragen können. Für alle wird das Leben einfacher.
Wo können digitale Anwendungen Pflegende am besten unterstützen?
Digitale Systeme wie die Radartechnologie von Qumea ermöglichen, effizient und kontinuierlich relevante Daten zu erfassen, auszuwerten und dem Pflegepersonal zur Verfügung zu stellen. So wird eine optimale Betreuung der Pflegebedürftigen möglich, mit Fokus auf die persönliche Interaktion.
Wird damit auch der Fachkräftemangel entschärft?
Neue digitale Technologien können das Pflegepersonal bei Nebenaufgaben entlasten und so die direkte Arbeit mit den Pflegebedürftigen ins Zentrum stellen. Damit wird die Arbeit für Pflegende attraktiver und effektiver und entschärft hoffentlich auch den Fachkräftemangel.
Welches könnten die nächsten Entwicklungsschritte im Bereich der digitalen Anwendungen in Spitälern und Pflege- oder Altersheimen sein?
In der Schweiz ist der wichtigste nächste Schritt, dass wir flächendeckend ein elektronisches Patientendossier einführen. Nur das ermöglicht, die Gesundheitsversorgung zum Wohl der Kranken und der Pflegebedürftigen zu optimieren. Es schafft die Grundlage für präzise Diagnosen, massgeschneiderte Therapien, schnellere Genesung und eine höhere Lebensqualität während und nach Krankheiten und im hohen Alter. Digitale Systeme können Krankheitsverläufe analysieren und das Gesundheitspersonal unterstützen.