Kindersitze sind obligatorisch – und retten Leben! Letzteres funktioniert aber nur, wenn der Kindersitz auch richtig eingesetzt wird. Eine Erhebung der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU), die in Zusammenarbeit mit dem Touring Club Schweiz (TCS) gemacht wurde, zeigt nun aber Erschreckendes: Jedes zweite Kind ist falsch gesichert. «Leider hat uns das Ergebnis nicht überrascht. Wir hatten 2012 bereits eine ähnliche Untersuchung gemacht, damals waren sogar noch mehr Kinder falsch gesichert», sagt Steffen Niemann (60). Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der BFU und verantwortet die Untersuchung als Leiter Erhebung Strassenverkehr.
Was aber sind die häufigsten Fehler und worauf sollten Eltern beim Kauf und der Anwendung von Kindersitzen und Sitzerhöhungen achten? Ein Überblick:
Bis wann sind Kindersitze und Sitzerhöhungen Pflicht?
In der Schweiz sind Kindersitze bis zum 12. Lebensjahr oder bis zu einer Körpergrösse von 150 Zentimeter Pflicht.
Wieso braucht es überhaupt einen Kindersitz?
Ohne Kindersitz im Auto haben Kinder ein dreimal höheres Risiko, bei einem Unfall schwer oder tödlich verletzt zu werden. «Dabei spielt es keine Rolle, wie weit man fährt», betont Steffen Niemann. Im Gegenteil: «60 Prozent der schweren Unfälle geschehen innerorts.»
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Überblick
- In drei Prozent der Fälle wurden Kinder unerlaubterweise ohne Kindersitz transportiert.
- Jedes zweite Kind war falsch gesichert (falscher Kindersitz, Kindersitz falsch montiert oder Kind falsch angegurtet).
- Bei jedem dritten Kind kam es zu schweren Fehlern beim Sichern, zum Beispiel Halskontakt beim Gurt.
- Jeder vierte Kindersitz für Kinder bis sechs Jahren war falsch eingebaut.
- Jedes dritte Kind war falsch im Kindersitz gesichert.
- Bei Kindersitzen für ältere Kinder passierten insgesamt mehr Fehler.
- Bei Sitzerhöhungen war am häufigsten der Gurtverlauf falsch.
- 93 Prozent der Kleinkinder bis sechs Jahren wurden in einem passenden Kindersitz transportiert.
Die Erhebung wurde zwischen April und Juli 2023 durchgeführt. Dabei wurden Eltern mit Kindern im Auto an verschiedenen Standorten wie beispielsweise auf dem Parkplatz des Zoo Zürich gefragt, ob sie mitmachen würden. Insgesamt machten 672 Lenkende mit 982 Kindern mit.
Wie lange soll man auf eine Babyschale setzen?
«Der Wechsel von der Babyschale in einen Kindersitz sollte so lange wie möglich herausgezögert werden», so der Experte. Dies vor allem, weil eine Babyschale rückwärtsgerichtet im Auto fixiert werde, wodurch sich bei einem Aufprall die Kräfte auf den Körper verteilten. «Sobald der Kopf aber auch nur ansatzweise aus der Babyschale herausragt oder das Kind anderweitig von der Grösse oder dem Gewicht nicht mehr in der Babyschale Platz hat, muss unbedingt auf einen Kindersitz gewechselt werden.»
Wann soll man vom Kindersitz auf eine Sitzerhöhung wechseln?
Sobald der Kopf auch nur ein wenig über den Kindersitz herausragt, sollte entweder in eine nächstgrössere Kategorie oder dann auf eine Sitzerhöhung gewechselt werden. «Wobei ein Kindersitz mit Rückenlehne immer den besseren Schutz bietet als eine reine Sitzerhöhung, auch wenn diese erlaubt sind. Ein Kindersitz schützt aber auch gegen einen Seitenaufprall», so Steffen Niemann. «Auf jedem Kindersitz ist ausserdem ein Maximalgewicht angegeben, auf das man ebenfalls achten muss. Sobald dieses überschritten wird, muss der Kindersitz gewechselt werden.»
Wie findet man den richtigen Kindersitz oder die richtige Sitzerhöhung?
Als Grundsatz gilt: Der Kindersitz muss zum Kind passen und gleichzeitig zum Auto. «Deshalb ist es entscheidend, dass man sich im Fachhandel gut beraten lässt. Auch lohnt es sich, Tests, wie sie der TCS zum Beispiel macht, zu konsultieren.» Abraten würde Steffen Niemann von Occasion-Kindersitzen: «Hier weiss man nie, ob es nicht bereits einmal einen Schaden gab. Ausserdem wird das Material mit der Zeit spröde.» Ein genaues Verfalldatum sei aber schwierig festzulegen, meint der Experte. «Ein zehnjähriges Modell würde ich jedoch sicher nicht mehr verwenden. Auch weil Hersteller Kindersitze in den letzten Jahren immer weiterentwickelt haben, was Sicherheit und Komfort anbelangt.»
Was sind die häufigsten Fehler beim Befestigen eines Kindersitzes im Auto?
«Bei Kindersitzen, die mit dem Fahrzeuggurt am Autositz festgemacht sind, war bei unserer Untersuchung der häufigste Fehler, dass der Gurt zu wenig fest angezogen oder der Gurtverlauf falsch war», erklärt Steffen Niemann von der BFU. Einfacher gehe es, wenn man auf das genormte Isofix-System zur Befestigung setze – «hier muss jedoch unbedingt der Kindersitz zum Fahrzeug passen, weshalb man im Fachhandel gut nachfragen oder in den Unterlagen zum Kindersitz nachlesen muss». Auch hier sei jedoch entscheidend, dass das System richtig einraste. «So oder so sollte also immer nochmals gut kontrolliert werden, ob der Kindersitz auch hält. Und wenn man selber einmal kurz am Sitz rüttelt und er sich bewegen lässt oder sich sogar gleich löst, ist er sicher nicht richtig festgemacht.»
Worauf gilt es beim Anschnallen im Kindersitz zu achten?
«Solange es von der Grösse des Kindes her geht, sollte man auf den so genannten Fangkörper setzen. Das ist quasi ein Block, der vor dem Kind angebracht wird, über den dann auch der Gurt verläuft», sagt der Experte. So liessen sich Verletzungen durch den Gurt verhindern und das Kind sei am besten gesichert. «Ohne diesen Fangkörper muss man darauf achten, dass der Gurt wirklich gut im Sitz eingeschlauft ist und beim Kind auf Schulterhöhe verläuft. Verläuft der Gurt beim Hals, kann es schnell zu gefährlichen Verletzungen kommen.» Ein sehr häufig beobachteter Fehler in der Erhebung sei zudem gewesen, dass Kinder noch eine dicke Jacke angehabt hätten – «wenn zwischen Gurt und Körper eine dicke Jackenschicht ist, lässt die Schutzwirkung enorm nach».
Worauf gilt es beim Anschnallen in der Sitzerhöhung zu achten?
Auch bei der Sitzerhöhung sei der Gurtverlauf der häufigste beobachtete Fehler gewesen. «Hier muss man darauf achten, dass der Gurt über die Schulter verläuft und der Beckengurt nicht über den Bauch, sondern eben über das Becken.» Wenn es eine Sitzerhöhung ohne Rücken- und Kopfstütze sei, dürfe man ausserdem die normale Kopfstütze beim Autositz nicht vergessen. «Diese muss auf die Körpergrösse angepasst werden, damit der Nacken geschützt ist. Wie bei einem Erwachsenen auch.»