Er ist dreimal Vater geworden. Und er hat dreimal Ferien genommen, um in den ersten Wochen nach der Geburt für seine Familie da zu sein. Rückblickend weiss Werner De Schepper, Co-Chefredaktor der Schweizer Illustrierten: Er war dreimal viel zu kurz zu Hause - und hat dafür auch noch Lob kassiert. Eine Ungerechtigkeit, der ein gesetzlicher Vaterschaftsurlaub engegenwirken könnte.
In seinem Erfahrungsbericht zum Mutterschaftsurlaub (seiner Frau) zieht De Schepper ein zermürbendes Fazit: Echte partnerschaftliche Erziehung sei in der Schweiz nicht möglich. Auch nicht, wenn der Wille vorhanden sei.
1996 wurde ich zum ersten Mal Vater. Ein guter Kollege hatte mir zuvor gesagt, er habe bei der Geburt vier Wochen Ferien genommen. Das sei für die Beziehung zu Mutter und Kind enorm wichtig. Er rate mir, es ebenso zu halten, falls das möglich sei.
Tatsächlich habe ich auf meinen Freund gehört und vier Wochen Ferien eingereicht. Damals war so etwas höchst aussergewöhnlich. Vor allem im Journalismus. Ich arbeitete beim Sonntagsblick und dort – wie in den meisten Redaktionen die Regel: Ein Journalist ist eigentlich dauernd im Einsatz. Abend- und Wochenendeinsätze macht er sowieso, die Stunden zählt er nicht und die kumulierten Ferien bezieht er nur auf Befehl vom Chef.
Die vier Wochen waren natürlich im Nu vorbei. Und da die Geburt länger dauerte und mit einem Kaiserschnitt endete, war die erste Woche im Spital und die vier Wochen um, ehe ich wirklich im Alltag mit Baby angekommen wär. Trotzdem wurde ich überhäuft mit Lob. «Was, Du hast wirklich vier Wochen frei genommen?»
«Ich war stolz, vier Wochen zu Hause zu sein. Heute weiss ich, das war viel zu kurz.»
Werner De Schepper
So hielt ich es dann auch 1999 bei der Geburt des zweiten Kindes. Wieder nahm ich vier Wochen frei. Wieder war es eine Kaiserschnittgeburt. Und da ich mich während dem Spitalaufenthalt allein um die Erstgeborene kümmerte, war ich extrem stolz, dass ich wieder mal vier Wochen am Stück zu Hause war.
Natürlich weiss ich heute, dass das alles viel zu kurz und viel zu wenig war. Ich erinnere mich auch kaum mehr ans Säuglingsalter meiner Kinder. Einzig an eine Regel, die ich wirklich immer eingehalten habe, egal wann ich abends von der Arbeit heimkam: Immer wenn die Kinder nachts weinten, bin ich aufgestanden. Das hatte ich meiner damaligen Frau vor der Geburt versprochen – und das war auch richtig so. Schliesslich war sie den ganzen Tag allein mit den beiden Kindern und oft betreute sie auch noch das Kind ihrer Schwester.
Dass die Frau nach der Schwangerschaft zuhause bleibt, war damals noch die Regel. Bei keinem meiner Kollegen, die in den neunziger Jahren Vater wurden, war es anders. Kitas waren für Eltern da, die beide arbeiten mussten und sowieso war Journalismus ein freier Beruf. Unvorstellbar, dass ein Journalist regelmässig um fünf Uhr sein Kind bei der Kita abholen gehen muss. Trotzdem hatte ich das Gefühl, ein guter Vater zu sein. Und es war mir ein Anliegen, abgesehen von den Arbeitstagen, möglichst viel Familienzeit zu haben. Ich bezog jedes Jahr alle Ferientage und kompensierte alle Wochenenddienste. Ich verpasste keinen Elternabend und dachte, das sei gut so.
Das Liebesglück wollte es, dass ich letztes Jahr noch einmal Vater wurde. Und ja, natürlich habe ich wieder bei der Geburt 4 Wochen Ferien genommen. Aber jetzt wurde es mir endgültig bewusst. Das ist gar nichts. Es bräuchte mindestens 8 Wochen, damit Mann einigermassen ohne schlechtes Gewissen sagen könnte, die turbulente Zeit der Geburt und der Umstellung daheim gleitet langsam in einen neuen Alltag über und das neue Leben spielt sich wieder ein.
«Von Bedingungen, die eine partnerschaftliche Erziehung des Kindes ermöglichen, sind wir in der Schweiz noch weit entfernt.»
Werner De Schepper
Wenn mein Arbeitgeber diese Zeilen liest, wird er sicher darauf verweisen, dass er seit zwei Jahren eine ganze Woche bezahlten Vaterschaftsurlaub gewährt statt die zwei Tage, die ich früher bei einer Geburt bekam. Und es stimmt, das Bewusstsein, dass es eine Vaterzeit braucht, Kitas braucht und vieles mehr, ist heute viel breiter akzeptiert als vor 20 Jahren.
Aber von Bedingungen, die wirklich eine partnerschaftliche Erziehung des Kindes ermöglichen, sind wir in der Schweiz noch weit entfernt. Wenn ich jetzt einen Tag weniger arbeite und der Freitag mein Papitag ist, bekomme ich dafür überall viel Lob. Wenn meine Partnerin hingegen vier Mal im Jahr in die Feuerwehr geht, heisst es im Dorf immer noch: Müsste sie nicht gescheiter am Abend beim Baby sein?
In unserer Serie erzählen Eltern, wie sie die Zeit nach der Geburt erlebt haben. Familienbloggerin Sandra Casalini empfand die Neugeborenenzeit als Mischung zwischen «ultimativem Stress und ultimativer Langeweile». Family-Redaktorin Edita Dizdar war im Mutterschaftsurlaub darauf angewiesen, dass ihr Mann Ferien bezog. Und die stellvertretende Chefredaktorin der Schweizer Illustrierten, Nina Siegrist, ebenfalls. Sie und ihr Mann griffen nach der Geburt ihrer Zwillingsmädchen auf Erspartes zurück, um ihren neuen Familienalltag ohne Stress in den Griff zu kriegen. Und Neu-Mama Aurelia Forrer findet als Hauptverdienerin der Familie, dass ihr Modell ohne Vaterschaftsurlaub eigentlich nicht umsetzbar sei.
Die Berichte sind sehr individuell. Jedoch sind sich alle einig: der Mutterschaftsurlaub ist in der Schweiz zu knapp bemessen und um die Väter einzubinden braucht es gesetzliche Regelungen.