«Wann beginnt Sexualität?», fragt Christian Reiner, 42, jeweils zu Beginn. «Mit zwölf, mit neun, mit vier», antworten die Schüler und stecken schon mitten in einer spannenden Diskussion. Der Sexualpädagoge unterrichtet verschiedene Schulklassen. Meist Sechst- oder Achtklässler. Ziel seines Unterrichts ist es, dass die Jugendlichen im geschützten Rahmen und ohne Stress alles zu Liebe, Beziehungen, Sexualität und Körper, aber auch zur sexuellen Gesundheit fragen und besprechen können.
Thema Nummer eins bei den Buben: Ihr Penis. Ist er okay, wenn er krumm ist und wie gross sollte er sein?, lauten typische Fragen. «Die Vorstellung, je grösser der Penis, und damit meinen sie die Länge, desto besser sei der Sex, hält sich hartnäckig in den Köpfen fest», sagt Reiner. Ihm ist es wichtig, den Penis als ganz normalen Teil des Körpers zu sehen.
Dazu gehört das Wissen, dass Männer vom Mutterleib bis zum Tod Erektionen haben. «Dabei geht es nicht immer um Lust. Unbewusste Erektionen während der Nacht dienen meist einfach der Reinigung des Gefässsystems.» Und was die Länge anbelangt, so reicht die Spannbreite von 9 bis 19 Zentimeter. «Der durchschnittliche Penis hat die Länge einer Postkarte, also 14,7 Zentimeter», erklärt er.
Ein weiterer Irrtum, den die Teenager aus dem Porno-Konsum ableiten, ist, dass schwarze Männer einen längeren Penis haben. «Das stimmt einfach nicht», hält der zweifache Vater fest. Spätestens in der 8. Klasse haben die meisten schon einmal pornografische Inhalte gesehen oder konsumieren diese regelmässig.
«Auch hier geht es darum, das Thema zu entkrampfen. Es ist okay, Pornos zu schauen, solange gewisse Dinge im Vorfeld geklärt sind.» Auf rechtlicher Ebene gehört dazu, dass der Konsum von illegaler Pornographie verboten ist. Dazu zählt Sex mit Kindern, Tieren und Gewaltdarstellungen. Zudem macht sich strafbar, wer pornographische Inhalte mit Kollegen unter 16 Jahren teilt.
Wichtig ist auch, die Jugendlichen dafür zu sensibilisieren, dass es sich bei Pornographie, wie bei jeder Form von Film, um eine Inszenierung handelt. Die Filmsequenzen sind geschnitten, Lust wird vorgetäuscht, Kommunikation mit dem Gegenüber ausgeblendet. Es werden Medikamente zur Entspannungs- und Potenzförderung verwendet und so weiter.
Die Gefahr von Pornos schauen liegt denn auch in diesen völlig falschen Vorstellungen von Sexualität. Und im Automatismus. «Wer nur durch Pornokonsum Lust empfindet und zum Orgasmus kommt, kreiert im Hirn ein einseitiges Erregungsmuster», erklärt der Experte.
Die gute Nachricht: Man kann durch Übung jederzeit einen anderen Zugang zum eigenen Körper und zu seinem Gegenüber herstellen. Und so schliesst sich der Kreis wieder: Wann beginnt Sexualität? «Sie begleitet uns ein Leben lang und ist zum Glück keine Sackgasse.»