Sharenting ist ein neuer Trendbegriff im Elternuniversum. Er fasst die englischen Wörter to share (teilen) und das Nomen parenting (Erziehen) zusammen und beschreibt Eltern, die ihr Kind auf Schritt und Tritt mit der Kamera verfolgen, um jede Sekunde seines Alltags in den sozialen Medien zu teilen.
Die Gründe für Sharenting sind allesamt positiver Natur: Man ist stolz auf das Kind und will seine Freude darüber teilen. Man möchte inspirieren oder aufklären – einfach mit anderen Eltern in Kontakt treten.
Dennoch ist Sharenting zu einer Art Schimpfwort geworden. Denn obwohl Eltern, die stolz Kinderfotos posten, selten eine böse Absicht verfolgen, setzen sie ihr Kind potenziellen Risiken aus.
Ob es überhaupt Sinn macht, je ein Kinderfoto auf Social Media zu teilen, darüber lässt sich streiten. Aber sicher ist: Es gibt drei Arten von Fotos, die dort nichts verloren haben.
Das Foto vom ersten Schultag ist der Klassiker. Man denkt sich nichts Böses dabei, teilt ein herziges Bild mit personalisiertem Schulranzen vor der Schule von hinten und schreibt dazu «Töchterchens erster Schritt in die grosse Welt» – oder Ähnliches.
Tönt absolut harmlos. Doch wer nicht aufpasst, gibt mit so einem Post allerhand Informationen weiter, die eigentlich geschützt sein sollten. Das Alter des Kindes serviert man quasi auf dem Silbertablett. Den Namen mit einem personalisiert beschrifteten Gegenstand ebenfalls.
Aber auch der tägliche Aufenthaltsort des Kindes lässt sich durch so ein Foto leicht ermitteln. Nicht nur anhand der Gebäude im Hintergrund, sondern auch wegen der Metadaten, die im Bild gespeichert sind.
Viele Eltern vergessen (oder wissen gar nicht), dass Fotos auch Metadaten enthalten, die Auskunft geben über den GPS-Standort und Zeitpunkt der Aufnahme. Mit entsprechender Software lassen sich diese Metadaten lesen. Es handelt sich um sensible Informationen, von denen viele Eltern wohl der Meinung sind, dass sie nicht an die Öffentlichkeit gehören. Es ist also sinnvoll, alle Metadaten. zu löschen, bevor man irgend ein Foto ins Internet lädt.
Nackt-Aufnahmen: Ja, ein Säugling mit Speckfältchen am Bauch ist sehr herzig und ja, so ein Baby ist unglaublich süss, wenn es in der Badewanne mit seinen Spielsachen planscht – aber Nacktbilder sind im Internet ein absolutes Tabu. Cyberkriminologen warnen ausdrücklich davor, solche Fotos auf Facebook, Instagram, Snapchat oder anderen Online-Plattformen zu teilen.
Es sei verständlich, dass Eltern ihre Freude über ihre Kinder teilen wollten, allerdings sei das Internet dafür der denkbar schlechteste Ort, sagt Joachim Türk, Vorstandsmitglied des Deutschen Kinderschutzbundes auf gmx.de. Pädokriminelle stellen harmlose Alltagsbilder aus dem Netz in einen sexuellen Zusammenhang und verbreiten sie. Wer ein Foto teilt, gibt auch bei strikten Privatsphäreeinstellungen die Kontrolle darüber ab. Denn Screenshots erlauben es, jedes einmal gesehene Bild weiterzuverbreiten. Türk sagt weiter: «Stellen Sie sich vor, die Bilder geraten auf Websites pädophiler Angebote, und fremde Menschen kommentieren dazu in allen Details, wie genau sie ihren Kindern am liebsten sexualisierte Gewalt antun würden. Da hoffen Sie, dass nicht auch noch Hinweise auf Ihre Wohnung geklaut worden sind.»
Peinliche Situationen: Auch Fotos oder Videos, auf denen ein Kind in einer peinlichen Situation zu sehen ist, also wenn ihm ein Missgeschick passiert oder es einen Wutanfall hat, sollten Eltern nicht öffentlich zugänglich machen. Denn diese bieten später eine Steilvorlage für Mobbing. Ist man sich nicht sicher, ob ein Foto dem Kind später einmal unangenehm werden könnte, kann man sich eine einfache Frage stellen: Würde ich dasselbe Foto von mir meinen Vorgesetzten zeigen? Dies ist eine von fünf Fragen, die Eltern sich vor dem Hochladen eines Fotos ins Internet selbst beantworten sollten.
Fotos des Gesichts: Schliesslich gehören zu ausstellenden Fotos auch jene Bilder, auf denen das Gesicht eines Kindes frontal zu sehen ist. Künstliche Intelligenz ist heute bereits in der Lage, Gesichter zu erkennen und richtig zuzuordnen. Welche Folgen dies haben kann und ob die dadurch zugänglichen Daten dereinst zu Ungunsten des Kindes ausgenutzt werden, liegt wohl im Moment noch ausserhalb unserer Vorstellungskraft.
Auch ein Face-Filter, der das Gesicht des Kindes versteckt, nützt hier nicht viel. Tamara Parham, Bereichsleiterin Kommunikation von Kinderschutz Schweiz, sagt, «Eltern wiegen sich dadurch in einer falschen Sicherheit», erklärt sie. Es sei nämlich nur eine Frage der Zeit, bis eine nächste App entwickelt ist, die diesen Filter wieder auflösen und das Originalbild zum Vorschein bringen kann.
Kinder haben laut UNO-Kinderrechtskonvention ein Recht auf Privatsphäre. Ausserdem haben sie bereits als Fötus im Bauch der Mutter das Recht am eigenen Bild, welches die Eltern wahrnehmen, solange das Kind noch nicht selber urteilsmündig ist. Ohne Absprache mit den Eltern anderer Kinder ist hier also strikte Zurückhaltung angebracht.