«Was du mir sagst, vergesse ich. Was du mir zeigst, daran erinnere ich mich. Was du mich tun lässt, das verstehe ich.» Dieser viel zitierte Aphorismus des chinesischen Philosophen Konfuzius trägt viel Wahrheit in sich. Kinder lernen von Vorbildern besser als von Büchern. Und so kann man als Elternteil, der sein Bestes gibt und dennoch immer wieder am Alltag scheitert, schon mal den Mut verlieren. Zwischen Haushalt, Job, Erziehung und Familienleben gelingt es Mamas und Papas nämlich nicht immer, ihre beste Seite zu zeigen: Sie verlieren manchmal einfach die Geduld, schreien rum, reagieren gestresst.
Nicht gerade, was man dem Kind vorleben (ergo beibringen) will ... oder?
Nun, einmal verbal die Nerven zu verlieren, ist weniger dramatisch, als man denken könnte. Denn für Kinder ist ein imperfekter Elternteil auch jemand, von dem sie lernen, empathisch mit eigenen Fehlern umzugehen, dafür gerade zu stehen und daraus zu lernen.
Situationen, in denen Eltern ihre Nerven verlieren, können täglich vorkommen. Der frühmorgendliche Klassiker: Alles ist bereit, das Kind nach einem Trotzanfall endlich angezogen, die Tasche gepackt, der Autoschlüssel gefunden... und dann schüttet das Kind im letzten Augenblick aus Unachtsamkeit die Ovo über seine Kleider. Alles geht von vorne los. Zack, schon ist ein unvorsichtiger Satz rausgerutscht. «Kannst du nicht aufpassen?» schreit die Mutter. «Gopf, musste das jetzt sein», motzt der Vater.
Das ist unschön, klar. Und nicht rückgängig zu machen, leider. Aber es ist auch menschlich. Und – wenn wir jetzt einfach mal positiv bleiben wollen – ist hier gerade eine Gelegenheit entstanden, aus der das Kind sehr viel fürs Leben lernen kann. Nämlich, wenn wir uns nach einem Fehler richtig entschuldigen statt ihn einfach zu überspielen oder gar zu verleugnen.
Ein simples «Sorry» reicht allerdings nicht. Eine gute Entschuldigung ist wohlüberlegt und enthält folgende vier Punkte:
- Wir benennen unseren Fehler und zeigen dem Kind, dass wir ihn einsehen und dazu stehen. Zum Beispiel: «Als du vorhin die Ovo verschüttet hast, habe ich dich angeschrien.»
- Wir erklären, warum unser Verhalten nicht angebracht war. Zum Beispiel: «Ich habe mich respektlos und unfair verhalten.»
- Befreit euer Kind von Schuldgefühlen. Erklärt ihm, dass euer Verhalten nicht seine Schuld war. «Du hast nichts falsch gemacht. Dass man etwas verschüttet, passiert ab und zu. Ich wurde nicht wegen dir wütend, sondern weil ich mich gestresst fühlte und das nicht unter Kontrolle hatte.»
- Entschuldigt euch. «Es tut mir leid. Ich möchte liebevoll mit dir umgehen, das ist mir wichtig.»
Übrigens: Wir dürfen nicht erwarten, dass das Kind die Entschuldigung annimmt. Das würde nämlich bedeuten, dass wir die Verantwortung für die Beendigung des Konflikts auf das Kind abwälzen. Aber auch wenn das Kind noch distanziert reagiert, so dürfen wir doch sicher sein, dass unsere Entschuldigung die Situation entspannt hat.
Eltern, die merken, dass sie ihr Kind immer wieder anschreien im Alltag, sollten versuchen, den Schrei-Zyklus zu durchbrechen. Denn Anschreien ist zum Glück kein unkontrollierbarer Reflex, sondern ein Verhaltensmuster, das man sich abtrainieren kann. Kurzfristig helfen diese Tipps:
Wenn Wut aufkommt, hat man einen kurzen Moment Zeit, sich bewusst gegen das Schreien zu entscheiden. Man kann alternativ kaltes Wasser zur Beruhigung über die Handgelenke laufen lassen oder bewusst fünfmal tief in den Bauch atmen. Oder - um wieder den Moment mit der verschütteten Ovi zu nehmen – man versucht, sich im Moment sofort klar zu machen, dass ja nicht die Welt untergeht. Es ist nur verschüttete Flüssigkeit. Vielleicht kommt man deswegen ein wenig zu spät. Tant pis. Das lässt sich nun nicht mehr ändern – auch nicht durch Schreien.
Allerdings ist das Schreien immer auch ein klares Warnsignal dafür, dass die eigene Belastungsgrenze erreicht ist. Deswegen ist es auch wichtig, langfristig die Weichen neu zu stellen, damit man dem Teufelskreis entkommt und zurück zu einem liebevollen Umgang mit dem Kind findet.
Dabei kann ein Tagebuch ungeahnt hilfreich sein. Wenn man sich jeden Abend aufschreibt, was einem gut gelungen ist und wo man sich überfordert gefühlt hat, hilft das, Trigger-Situationen zu erkennen. Hat zu wenig Schlaf zur Wut geführt? War der Zeitplan zu knapp angesetzt? So könnt ihr, wenn sich eine Situation anbahnt, frühzeitig eure Grenzen abstecken oder sogar versuchen, solche Situationen zu umgehen.
Natürlich lässt sich die Wut nie vollständig aus dem Alltag entfernen, dieses Gefühl gehört halt einfach auch zur Palette an menschlichen Emotionen. Aber wenn wir unsere Wut und die Auslöser dafür gut kennen, können wir lernen, damit umzugehen und uns ein neues Ventil dafür suchen. Es tut auch gut, Situationen, die aus dem Ruder gelaufen sind, erneut durchzudenken und sich aufzuschreiben, wie man besser hätte reagieren können. So ersetzt man negative durch positive Kommunikationsmuster und das wirkt ähnlich, wie ein Bauchmuskeltraining: Mit der Zeit wird eine Veränderung sichtbar.
Unter diesem Link findet ihr Expertentipps, die helfen, das Schreien aus dem Familienalltag zu verbannen.