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Ängste, Mobbing, Flüchtlingskrise

«Eltern sollten schwierige Themen nicht vermeiden»

Kinderbücher erzählen von Angst, Fremdheit, Krieg oder der Flüchtlingskrise. Sollen wir mit Kindern überhaupt über so ernste Themen reden? Psychotherapeutin Susanne Walitza gibt Antworten.

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mutter tochter lesen bücher

Bücher können helfen, Kindern auch schwierige Themen angemessen zu vermitteln.

Getty Images

Krieg, Rassismus, Ängste vor Corona oder wegen des Klimas: Frau Walitza, müssen wir Kindern schon früh davon erzählen? Oder sie nicht eher im Gegenteil davor schützen?
Eltern sollten auch schwierige Themen nicht vermeiden, das würde Kinder, die Fragen dazu haben, nur noch mehr verunsichern. Ein Thema totzuschweigen, hiesse, das Kind mit seinen Ängsten allein zu lassen. Es würde dann versuchen, sich die fehlenden Antworten selbst zu geben. Und der Fantasie sind in der Regel keine Grenzen gesetzt.

Was raten Sie Eltern, die sich fragen: Worüber soll ich mein Kind alles aufklären? Was hat Priorität?
Die Vermittlung von Werten ist immer wichtig. Kinder brauchen Werte, Regeln und Grenzen. Das alles schafft eine Struktur und verleiht ihnen Sicherheit. Natürlich beeinflussen gesellschaftliche Veränderungen auch die Kindheit stark. Die Erziehenden sollen sich fragen: Welche Grundwerte prägen unser eigenes Weltbild? Und welche wollen wir unseren Kindern weitergeben? Generell kann gesagt werden: Toleranz und Frieden im Miteinander gehören zu den wichtigsten Werten. Sie müssen in jedem Einzelnen entwickelt werden, um sie ausweiten zu können auf unsere Gesellschaft.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Die Flüchtlingskrise etwa würde ich erst dann aufgreifen, wenn wirklich aktiv danach gefragt wird, um das Kind nicht mit Themen zu überfordern, die noch gar keinen Platz in seinem Leben haben. Kinder sollen Kinder bleiben dürfen und sich nicht mit gesellschaftlichen Problemen auseinandersetzen müssen, die selbst für Erwachsene nicht so einfach zu lösen sind. Haben sie aber Fragen dazu, sollte man stets versuchen, sie altersgemäss zu beantworten.

Wie führt man Kinder an diese Themen heran?
Um als Vorbild hilfreiches Verhalten zeigen zu können, müssen Eltern oder Bezugspersonen zunächst selbst mit ihrer Angst umgehen können. Das heisst, wer mit Kindern beispielsweise über Vorurteile oder Rassismus sprechen will, muss sich auch selbst hinterfragen.

Und wie beantwortet man nun solche Fragen altersgemäss?
Für ein gutes Gespräch über Ängste und Unsicherheiten braucht es viel Verständnis. Ehrliche Antworten sind wichtig. Solche, die auf Fakten basieren, denn die schaffen Vertrauen. Dem Kind sollten aber nicht mehr Informationen gegeben werden, als es verarbeiten kann. Und wenn es nicht weiterfragt, sollte man das Gespräch vorläufig beenden.

Es gibt eine grosse Auswahl an Bilderbüchern, die altersgerecht über Themen wie Angst oder Mobbing erzählen. Was sollen wir bei der Auswahl beachten?
Ich glaube, man muss sich als Elternteil jedes Buch erst selbst anschauen, durchblättern und überlegen, wie man zu dem Thema steht. Generell ist wichtig, dass solche Bücher weder verharmlosend noch angstauslösend wirken. Sie sollten das Kind mit einer positiven Botschaft zurücklassen. Zum Beispiel, dass jeder für sich auch im Kleinen etwas tun kann – auch wenn es natürlich Dinge gibt, die man nicht ändern kann. Und ist das nur schon das, dass man in der Klasse oder im Kindergarten immer freundlich zu allen ist. Global denken, lokal handeln. Jeder kann seinen Beitrag leisten, und die Erwachsenen sollten dies vorleben.

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Susanne Walitza ist Direktorin der Klinik für Kinder und Jugendpsychiatrie Zürich.

Tolle Kinderbücher über ernste Themen
Von Rahel Zingg am 26. Oktober 2020 - 08:09 Uhr