1. Home
  2. Family
  3. Alltag
  4. Grosselternkurse: Was lernt man da?
Voll im Trend

Darum sind Kurse für Grosseltern so wichtig

Sie hatten selber Kinder und wissen wie's geht. Oder doch nicht? Grosselternkurse boomen. Und das nicht ohne Grund, weiss unsere Expertin.

Artikel teilen

Grosseltern

Das Grossmutter-Dasein besteht nicht nur aus Kuscheln.

PlainPicture

Wenn ein Baby zur Welt kommt, ist das nicht nur für die Eltern emotional. Auch die Grosseltern schlüpfen bei der Geburt in eine neue Rolle, in der sie sich zurechtfinden müssen. Grosselternkurse erfreuen sich deshalb grösster Beliebtheit. Beim Hirslanden Salem-Spital in Bern, wo Omas und Opas sich in ihrer neuen Funktion weiterbilden können, sind die Kurse regelmässig ausgebucht.

Aber die haben doch alle auch schon Kinder grossgezogen. Wickelt man denn heutzutage so anders als früher? Ja, sagt Sandra Reber, 53, Gruppenleiterin Säuglingspflege und Grosselternkurse im Hirslanden Salem-Spital. Praktische Tätigkeiten seien jedoch nicht der Hauptaspekt der Kurse.

Frau Reber, was lernt man denn in so einem Grosselternkurs?
Wir schauen die gesellschaftlichen Bedingungen an. Die Familie hat sich stark verändert in den letzten Generationen. Auch die Stellung von Mann und Frau. Wir beleuchten die gesellschaftlichen Auswirkungen.

Wie betreffen diese Auswirkungen konkret die werdenden Grosseltern?
Heute stehen Grosseltern im Gegensatz zu früher oft noch voll im Leben, sind beruflich aktiv und pflegen ihre eigenen Interessen. Diese gilt es zu kommunizieren.  Wir motivieren die werdenden Omas und Opas, sich ihre Grosselternrolle vorzustellen und sich der eigenen Wünsche klar zu werden. Was erhoffe ich mir vom Enkelkind, was bin ich bereit zu geben? Welcher Grosselterntyp möchte ich sein? Das ist eine wichtige Frage!

Welche Grosselterntypen gibt es?
Der Erziehungspsychologe Prof. Ulrich Schmidt-Denter unterscheidet vier Grosseltern-Typen: Formelle, distanzierte oder spassmotivierte Grosseltern, sowie Ersatzeltern.

Welcher Grosselterntyp wollt ihr sein?

Formelle Grosseltern: Sie erscheinen zu Pflichtterminen, spielen im Alltag jedoch keine tragende Rolle. Manchmal pflegen sie zu den Enkelkindern einen besseren Kontakt, wenn diese grösser werden.

Distanzierte Grosseltern: Sie stellen ihre eigenen Interessen klar vor diejenigen ihrer Kinder oder Enkelkinder. Wer ein halbes Jahr in Spanien verbringt und gar nicht verfügbar ist, gehört zu dieser Kategorie. Manchmal fühlen sie sich durch die Präsenz eines Grosskindes auch in ihrer Freiheit gestört.

Spassorientierte Grosseltern: Die Bilderbuch-Grosseltern, die oft und gerne in die Kinderbetreuung involviert werden. Sie haben Zeit oder nehmen sie sich sogar aktiv. Und sie nutzen diese Zeit nicht, um nebenbei den Haushalt zu erledigen, sondern gestalten sie kreativ. Sie basteln mit ihren Enkeln und unternehmen die lustigsten Sachen mit ihnen.

Ersatzeltern: Wenn das Kind quasi bei den Grosseltern aufwächst, etwa weil ein alleinerziehender Elternteil durch die Berufstätigkeit auf diese Unterstützung angewiesen ist. Sie übernehmen eine aktive, tragende Rolle in der Kindererziehung und im Alltag des Kindes.

 

Wann ist der beste Zeitpunkt, diese Wünsche und Erwartungen gegenüber den Eltern des Kindes anzusprechen?
Wenn möglich schon vor der Geburt, so entstehen erst gar keine falschen Erwartungen. Auch nicht bei den Eltern, die vielleicht mit Kinderbetreuungs-Einsätzen rechnen, welche man nicht zu leisten bereit ist. Kommunikation ist ein sehr wichtiger Bestandteil des Grosseltern-Werdens.

Welche praktischen Fähigkeiten werden vermittelt?
Wir üben mit Puppen das Wickeln und Aufnehmen. Denn heutzutage zieht man die Babys nicht mehr einfach so an den Beinen hoch. Man weiss, dass dies den kleinen Hüften schadet. Die Grosseltern lernen, nach kinästhetischen Grundsätzen mit dem Kind zu interagieren. Auch bei der Unfallprävention und im Umgang mit Notfallsituationen vermitteln wir Wissen. Schliesslich thematisieren wir auch Hausmittel, Tipps und Tricks bei kleineren Leiden der Kinder. Hier wissen die Grosseltern oft schon Bescheid, denn da hat sich weniger verändert.

Wer sollte nachgeben, wenn sich Grosseltern und Eltern nicht einig sind? Zum Beispiel bezüglich Ernährung oder Erziehungsregeln?
Das lässt sich generell nicht sagen. Auch hier ist wieder die Kommunikation das A und O. Wir empfehlen Grosseltern, die Wünsche der Eltern ernst zu nehmen. Aber man weiss auch, dass Kinder sehr wohl damit umgehen können, wenn an verschiedenen Orten verschiedene Regeln herrschen. Und auch seitens der Eltern ist Verständnis wichtig. Wenn zum Beispiel Eltern ihr Kind windelfrei aufziehen wollen, können sie nicht von den Grosseltern erwarten, diesen Entscheid mitzutragen. Wenn die Grossmutter findet, bei ihr trage das Kind Windeln, sollten die Eltern das respektieren. Besonders, wenn sie damit rechnen, dass die Grosseltern ihnen in der Kinderbetreuung unter die Arme greifen. Kommunizieren beide Parteien ihre Erwartungen frühzeitig, kommt es auch weniger zu Konflikten.

Was antworten Sie Grosseltern, die finden: Ich habe ja auch Kinder gross gezogen!
Es ist lustig, viele der Grosseltern reagieren sehr positiv auf die Kursinhalte und sind bemüht, diese im Alltag mit ihren Enkeln umzusetzen. Denn sie wollen es ja auch so gut wie möglich machen!

Sylvie Kempa
Sylvie KempaMehr erfahren
Von Sylvie Kempa am 21. August 2019 - 17:09 Uhr