Wenn Kinder partout nicht einschlafen wollen, kann dies auch Eltern an die Grenze bringen. Umso dankbarer ist man für hilfreiche Tipps. Aber Achtung: Nicht alle Tipps, die man im Internet findet, sind ungefährlich. Dazu gehört auch Melatonin als Einschlafhilfe bei Kindern.
Melatonin ist ein Hormon, das der menschliche Körper produziert, vor allem, wenn es dunkel ist. Es steuert damit quasi den Tag-Nacht-Rhythmus und signalisiert dem Körper, wann es Zeit ist, zu schlafen. Entsprechend wird es auch als Schlafhormon bezeichnet. Im Ausland wird Melatonin teilweise als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. In unterschiedlichster Form, unter anderem auch als bunte Gummibärchen. In der Schweiz hingegen darf Melatonin ausschliesslich als Arzneimittel in Verkehr gebracht werden. Sämtliche hierzulande zugelassenen Präparate sind rezeptpflichtig.
In einer Mitteilung Ende November warnte Swissmedic dann auch vor dem Import von Melatonin durch Privatpersonen aus dem Ausland. Gegenüber «20 Minuten» führt Swissmedic-Sprecher Lukas Jaggi aus, dass in den letzten zwei Monaten die Zahl beschlagnahmter Einfuhren stark angestiegen sei. Als Grund für die erhöhte Nachfrage dürften gemäss ihm auch Social-Media-Beiträge stehen. «Insbesondere wenn Promis ihren Kindern Melatonin-Gummibärchen geben, damit sie schneller einschlafen, kann das zu einem Hype führen.»
Melatonin gehört in die Hände von Fachpersonen
Wir verzichten an dieser Stelle darauf, Erfahrungsberichte von Eltern aus den sozialen Medien zu zitieren. Denn Erfolg hin oder her: Klar ist – wer seinen Kindern einfach so von sich aus Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel gibt, setzt deren Gesundheit auf Spiel.
Jens Acker, Chefarzt an der Klinik für Schlafmedizin in Bad Zurzach und Zürich, warnt im SRF-Podcast «News Plus» ganz allgemein davor, Melatonin ohne ärztliche Verschreibung zu nehmen. «Wenn Sie es zur falschen Zeit nehmen, dann haben Sie im Endeffekt die innere Uhr verstellt.» Auch zu hohe Dosierungen oder problematische Interaktionen mit anderen Medikamenten sind möglich. Der Schlafmediziner findet es deshalb nicht sinnvoll, wenn die normale Bevölkerung Melatonin selber einnimmt.
Noch klarer sei die Sache bei Kindern, so Jens Acker. «Ich wundere mich sehr, dass Menschen gerade ihren Kindern irgendetwas selber geben, von dem sie nicht verstehen, was sie eigentlich genau machen.» Gerade bei Kindern müsse man genau wissen, ob das jetzt eine andere Störung sei, ob man da etwas mit einem falschen Ansatz behandle. «Und dann die Frage der Reinheit einer Substanz, also gebe ich einem Kind irgendein nicht kontrolliertes Produkt.» Davon werde von Kinderärzten und auch von Schlafmedizinischen Experten eindeutig abgeraten. Melatonin gehöre definitiv in die Hände von Fachpersonen.
Ruth Mosimann von Swissmedic weist im SRF-Podcast zudem darauf hin, dass zum Beispiel aus den USA Melatonin-Gummibärchen mit einer recht hohen Dosierung von zehn Milligramm importiert würden. «Nach meiner Meinung wird das komplett verharmlost. Das ist ein Produkt, das einfach vielleicht auch von Kindern dann gelutscht oder vielleicht dann noch heimlich genommen wird.» Diese Verharmlosung nicht nur als Nahrungsergänzungsmittel, sondern sogar als Süssigkeit, sei gravierend. «Und gerade bei Kindern kann das dann auch zu gravierenden Nebenwirkungen führen.»
Frische Luft, Bewegung, Routine
Melatonin-Gummibärchen oder andere Melatonin-Produkte sollten geplagte Eltern von schlecht einschlafenden Kindern also schnell wieder vergessen! Was aber hilft stattdessen, wenn Kinder schlecht einschlafen? DAS Wundermittel gibt es leider nicht. Aber mehrere Tipps, die man einmal ausprobieren könnte. Zum Beispiel hilft frische Luft und viel Bewegung, damit Kinder abends wirklich müde sind. Konraproduktiv sind ausserdem Fernseher und Tablet vor dem Schlafengehen, gleich wie Zucker. Routinen wiederum helfen Kindern, zur Ruhe zu kommen, angefangen bei der (nicht zu späten!) Einschlafzeit über die gleichen Abläufe vor dem Schlafenlegen bis hin gemeinsamen Ritualen wie Singen, Vorlesen oder sogar einer kleinen Massage.
Diese und weitere Tipps haben wir euch im Laufe der Zeit in mehreren Artikeln zusammengefasst. Hier eine Übersicht:
Unterstützung findet man zudem zum Beispiel bei der Elternberatung von Pro Juventute – und das rund um die Uhr – sowie natürlich auch bei Kinderärztinnen oder Schlafmedizinern. Auf keinen Fall hören sollte man jedoch auf Eltern, die über Social Media Melatonin-Gümmibärchen anpreisen!