Junge Millennials (1981 bis 1996) und die Generation Z (1997 bis 2012) gelten als «Digital Natives». Sie sind mit digitalen Medien aufgewachsen und können sich ein Leben ohne Smartphone nicht vorstellen. Das Gerät ist für sie Unterhaltungs-, Kommunikations- und Informations-Tool in einem. Völlig selbstverständlich laden sie Videos und Bilder auf Apps wie TikTok und Instagram, sie spielen Games und sind ständig im Austausch mit Freundinnen und Freunden.
Nur für etwas nutzt die junge Generation das Smartphone kaum: Um zu telefonieren. Jugendliche und junge Erwachsene bevorzugen es, per Text- oder Sprachnachricht zu kommunizieren. Eins zu eins Gespräche finden selten statt. Das zeigt sich auch im Berufsleben.
Lieber E-Mails und Chat-Nachrichten
Gemäss einer Studie des Rekrutierungsunternehmens Robert Walters Switzerland AG setzt die jüngere Generation in der beruflichen Kommunikation am liebsten auf E-Mails und Chat-Nachrichten. 59 Prozent der Befragten gaben an, den schriftlichen Weg dem Telefongespräch vorzuziehen. 50 Prozent gaben zudem an, sich unwohl zu fühlen, wenn sie telefonieren müssen. Unter anderem haben sie Angst, sich zu blamieren oder dem Gesprächspartner Unannehmlichkeiten zu bereiten. Nur 14 Prozent der jungen Generation nutzt Anrufe als primäre Kommunikationsmethode.
Christian Atkinson, Country Director von Robert Walters Switzerland AG sagt gemäss einer Medienmitteilung: «Jüngere Berufstätige, die oft als ‹Digital Natives› bezeichnet werden, sind versiert im Umgang mit der Technologie für die Kommunikation, was die Produktivität und den Komfort steigert.» Der Nachteil sei jedoch der potenzielle Verlust der persönlichen Beziehung, die persönliche oder telefonische Interaktionen bieten können.
Problematisch bei Lehrstellensuche
Christian Lüber, Jobcoach bei der Berufsbildneria in Zürich, hat in seinen Beratungsgesprächen schon oft festgestellt, dass Jugendliche Hemmungen haben, zu telefonieren. Dies kann nicht nur im Berufsleben selbst, sondern bereits bei der Lehrstellensuche zum Problem werden. Etwa dann, wenn sich die Lehrstellensuchenden nicht getrauen, nachzufragen, ob sie ihre Bewerbung einreichen dürfen, obwohl sie nicht alle Anforderungen, die in der Ausschreibung aufgeführt sind, erfüllen. Oder um sich zu erkundigen, wie weit der Bewerbungsprozess bereits fortgeschritten ist.
«In der Arbeitswelt kommt es gut an, wenn man sich telefonisch meldet», sagt Christian Lüber. Er trainiere das Telefonieren deshalb mit seinen jungen Klientinnen und Klienten und bringe ihnen etwa bei, sich den Namen des Gesprächspartners oder der Gesprächspartnerin zu notieren und diese immer mit Namen zu verabschieden.
Unternehmen könnten Hilfe bieten
Christian Atkinson schlägt dann auch vor, dass Unternehmen ihren jungen Arbeitnehmenden ein kontrolliertes Umfeld bieten sollen, in dem sie die Kommunikation am Telefon üben können. Das könne helfen, Ängste ab- und Vertrauen aufzubauen. Weiter schlägt er generationenübergreifende Mentorenprogramme vor, in welchen Mitarbeitende aus verschiedenen Generationen sich gegenseitig ihre Kommunikationsstile näherbringen.
Nadine Wolf, Oberärztin an der Klinik für Allgemeinpsychiatrie am Universitätsklinikum Heidelberg, rät zudem, die Angst vor dem Telefonieren in kleinen Schritten anzugehen. In einem Interview mit dem «National Geographic» sagt sie unter anderem: «Wenn ich vorher im Restaurant immer per E-Mail einen Tisch reserviert habe, nehme ich mir vor, stattdessen dort anzurufen.» In einer solchen Situation könne nicht viel schiefgehen, weil man sie planen kann. Als Nächstes sollen Betroffene von Telefonangst den Arzttermin nicht online, sondern telefonisch buchen und mit Bekannten telefonieren, anstatt zu chatten. Dazu könne man schriftlich einen Termin vereinbaren, damit man sich aufs Gespräch vorbereiten kann. Dadurch nähere man sich langsam dem spontanen Telefonieren. Grundsätzlich sei es das Beste, «die Situation vorzubereiten, sie durchzuführen und hinterher zu merken: So schlimm war es gar nicht.»