Es gibt im Familienalltag viel Freude – und grosses Frustpotential. Ganz zuoberst auf der Liste der anstrengenden Dinge steht Folgendes: Man sagt etwas zum Kind und dieses ignoriert einen einfach. «Komm, wir essen» – und das Kind spielt einfach weiter. «Räum dein Zimmer auf» – keine Reaktion. «Wie wars in der Schule» – Schweigen.
Kinder, die nicht zuhören oder sich mehrmals bitten lassen, wenn man etwas von ihnen möchte, können Eltern ganz schön an die Belastungsgrenze bringen. Man interpretiert solches Verhalten vorschnell gerne als respektlos, widerspenstig oder sogar passiv agressiv. Dabei richtet es sich selten gegen die Eltern.
«Niemals kündigen Kinder von sich aus die Zusammenarbeit mit uns Erwachsenen auf. Und nie geschieht eine solche Verweigerung grundlos.»
Katia Saalfrank, Deutsche Diplom-Pädagogin, Familienberaterin und Autorin
Von Natur aus haben Kinder ein Bedürfnis, mit engen Bezugspersonen zu kooperieren. Was steckt also dahinter, wenn sie dies nicht tun? Laut der prominenten Erziehungsexpertin, Familienberaterin und Erfolgsautorin Katia Saalfrank geschieht dies nie ohne Grund. Wie sie auf «Focus online» sagt, kündigen Kinder niemals von sich aus die Zusammenarbeit mit erwachsenen Bezugspersonen auf. «Wenn Kinder sich dem Zusammenwirken entziehen, ist das immer auch ein Ausdruck dafür, dass im Beziehungsgeflecht zwischen Erwachsenen und Kindern etwas in Schieflage geraten ist. Diese entsteht, wenn wir unseren Kindern ständig unseren Willen, unsere Regeln aufdrängen, sie kontrollieren, belehren und bevormunden und/oder ihnen mit Strafe drohen, falls sie unseren Anweisungen nicht Folge leisten. So verletzen wir überdauernd das Recht der Kinder auf die Befriedigung ihrer natürlichen Bedürfnisse.»
Laut Saalfrank gibt es zwei Gründe, die ein solches Verhalten beim Kind auslösen: Überforderung, weil sich das Kind (über einen längeren Zeitraum) einem zu hohen Erwartungsdruck ausgesetzt fühlt oder eine Überkooperation eingegangen ist. Oder aber eine geschädigte Eltern-Kind-Beziehung: Wird die Persönlichkeit eines Kindes nicht geachtet und seine Bedürfnisse missachtet, schädigt dies das Vertrauen in die Erziehungsberechtigten.
Da Kinder natürlicherweise zur Kooperation neigen, diese sogar suchen, ist es zum Glück keine ausweglose Situation. Laut Saalfrank müssen Eltern nur die Zeichen richtig lesen, die das Kind sendet. Ist es überfordert? Braucht es Hilfe? Fühlt es sich übergangen? Die Sichtweise, dass Kinder, die nicht auf ihre Eltern hören gerade damit beschäftigt sind, auf sich selbst zu hören, kann Eltern helfen, die Sichtweise des Kindes zu verstehen. Eltern dürfen ihre Beobachtungen ansprechen und dem Kind gegenüber Kompromissbereitschaft zeigen. Wahrnehmen und zuhören sind der Schlüssel. «Kinder sind hier sehr kreativ und geben wertvolle Anregungen. Eltern werden überrascht sein, wie leicht es sein kann, das eigene Kind wieder in die Kooperation zu holen, wenn wir Überforderung wahrnehmen, Kränkungen berücksichtigen und im Alltag gemeinsam Kompromisse finden», sagt Saalfrank.
Dafür sei allerdings auf Elternseite ein Perspektivenwechseln nötig. Wie Eltern dieser Perspektivenwechsel gelingt, dazu gibt Saalfrank Tipps in ihrem neuesten Buch «Die Reise zur glücklichen Eltern-Kind-Beziehung».