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So hats doch noch geklappt

«Mama, hör endlich mit dem Rauchen auf!»

Rauchende Mütter sind ein Tabu. Und doch gibt es viele. Rauchen hat mit Sex zu tun und mit Abschalten vom Mami-Dasein, schreibt Family-Redaktorin Maria Ryser. Sie hat vor Kurzem ihre letzte Zigarette geraucht – sich selbst zuliebe.

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1950s retro family share the joy of smoking with their daughter

Paffende Eltern mit Kind im Wohnzimmer: Heute unvorstellbar, in den 1960er Jahren völlig normal.

Getty Images
Maria Ryser
Maria Ryser

«Du schaffst es eh nicht», sagte mein bald fünfzehnjähriger Sohn, als ich nach Silvester feierlich verkündete, dass ich mit dem Rauchen aufgehört habe. Seine Zweifel sind berechtigt. Schon öfter habe ich zwei, drei Tage nicht geraucht und dabei grosse Reden geschwungen, dass sei nun wirklich das letzte Mal. Um kurz darauf dann doch wieder mit Freude eine Zigi anzuzünden – und in den gewohnten Trott zu fallen. Nicht einmal die rührende Bitte des Jüngsten «Mama, hör endlich mit dem Rauchen auf!» konnte mich zum Aufhören bewegen. So einfach ist es leider nicht.

Auch das schlechte Image, ja Tabu, rauchender Mütter in Zeiten hypergesunder Selbstoptimierung liess mich kalt oder weckte höchstens Trotz im mir. Dieser Imagewandel ist schon krass: Was vor zwanzig Jahren kein Thema war und in den 1960er Jahren gar salonfähig, gilt heute als grosses Pfui. Eine schwangere Frau mit einer Kippe in der Hand oder eine Mutter, die rauchend den Kinderwagen schiebt, finden wir abstossend. (Dass rauchende Väter im Vergleich zu den Müttern glimpflich davonkommen, ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und wäre ein eigenes Thema.)

Verschwunden sind sie dennoch nicht. Ich kenne viele rauchende Mütter. Und gehörte bis vor zwölf Tagen selbst dazu. Ha! Die schreibt übers Aufhören und ist selbst noch gar nicht über dem Berg, höre ich schon munkeln. Doch diesmal ist etwas Entscheidendes passiert. Das will ich gern mit euch teilen.

Eine verführerische Geste der Nacht

Eines aber vorweg: Ich habe wahnsinnig gern geraucht. Vor allem im Winter und mit einem Glas Rotwein in der Hand. Die weisse Rauchsäule, die majestätisch in der Kälte aufsteigt und mich daran erinnert, dass alles im Leben flüchtig ist. Ein Fliessen und sich stetes Verändern. Die nächtlichen Gespräche mit Freunden, in denen der Glimmstengel die Hirnzellen auf Hochtrab hält, anregend, stimulierend (Rauchgott Helmut Schmidt selig hätte Freude an mir ...).

Und die verspielte Rauchgestik an sich, dieses Flirtritual. Denkt an eine Marlene Dietrich im schwarzen Abendkleid, die Zigarette locker in der Hand, sich Feuer geben lassend und das Gegenüber für einen Wimpernschlag flüchtig streifend... Die elegante Bewegung zum roten Mund, das Saugen, einmal tief einatmen und tief ausatmen. Rauchen hat auch mit Sex zu tun (oder der Sehnsucht danach, haha, das wäre erneut ein eigenes Thema). Und hat etwas Meditatives. Oh je, ich komme ins Schwärmen. Wie Lust hätte ich jetzt auf eine Zigi ...

German-born actress Marlene Dietrich (1904 - 1992), the epitome of screen sensuality.   (Photo by Don English/Getty Images)

Marlene Dietrich, Inbegriff der verführerischen Diva, ohne Zigarette? Gab es nicht.

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Mama braucht mal eine Pause

Nun gut, die verführerische Geste einer Nacht ist einer Mutter mit Kleinkindern wohl so nah, wie Magdalena Martullo-Blocher einer Goa Party. Und trotzdem macht Rauchen gerade für Mütter extrem Sinn (natürlich nur vermeintlich, am Ende schaden wir uns ja selbst).

Es sind oft die einzigen fünf Minuten am Tag, die wir für uns ganz allein haben. Zigi, das heisst sich hinsetzen, keine Kinder, abschalten, endlich Ruhe. Und sei dies nur für eine Zigarettenlänge. Das reicht uns, um danach mit frischem Elan im Hamsterrad des Mami-Daseins weiter zu drehen. Es ist nur ein Aspekt des Rauchens, doch ein sehr zentraler.

Ich habe 18 Jahre lang geraucht. Drei bis fünf Zigis pro Tag. Also nicht wirklich viel. Dreimal habe ich in dieser Zeit das Rauchen für je eineinhalb Jahre unterbrochen. Ihr ahnt es: für Kind eins, zwei und drei. Während Schwangerschaft und Stillmonaten war für mich klar, das geht gar nicht. Bei diesen wenigen Zigis pro Tag fehlte mir ehrlich gesagt lange Zeit schlicht die Motivation. Ist ja nicht wirklich ungesund. Dachte ich ...

Rauchende Frau

Endlich Ruhe: Eine Zigi rauchen, das heisst sich hinsetzen, keine Kinder, abschalten.

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Älter werden als Chance

Ist es eben doch. Vor allem mit zunehmendem Alter. Es heisst, ab 40 spüre man so allerlei und ich merkte immer mehr, dass mich das Rauchen stresst. Meine Lungen reklamierten nach einer feuchtfröhlichen Nacht am nächsten Tag, die Laune war unterirdisch, die Haut fahl, der Atem hässlich, die Mundhöhle wie ein Aschenbecher.

Ich ekelte mich mehr und mehr vor mir selbst. Und aus lauter Ekel habe ich mich am Silvestermorgen des letzten Jahrzehnts (so tönts als hätte ich schon ewig aufgehört ...) dazu entschieden: Jetzt ist fertig! Und siehe da, es geschah nicht aus einem Zwang heraus, sondern fiel einfach von mir ab wie eine reife Frucht. Denn etwas war neu: Ich tat es mir selbst zuliebe.

Was das Aufhören alles mit mir macht und ob ich weiterhin rauchfrei durchs Leben gehe, erzähle ich euch ein ander Mal. Ihr dürft mir gern die Daumen drücken. Dankeschön!

Von Maria Ryser am 12. Januar 2020 - 15:54 Uhr