Bereits ab dem 35. Lebensjahr nimmt die Fruchtbarkeit bei Frauen erwiesenermassen rapide ab. Auch wenn danach eine natürliche Schwangerschaft für viele noch ohne Probleme möglich ist, möchten auch in der Schweiz immer mehr Frauen vorsorgen: Im noch fruchtbaren Alter frieren sie ihre Eizellen ein und erhöhen damit die Chance, später ein Baby zu bekommen.
Die Gründe für das sogenannte Social Egg Freezing – also, wenn das Einfrieren nicht wegen eines medizinischen Problems, wie etwa einer fruchtbarkeitsgefährdenden Krebshehandlung passiert – sind vielfältig: Der richtige Partner ist noch nicht gefunden oder vielleicht läuft die berufliche Karriere gerade zu gut, um sie für die Mutterschaft zu unterbrechen.
Bis zu zehn Jahre dürfen die Eizellen tiefgefroren gelagert werden. So können Frauen trotz möglicherweise stark eigeschränkter Fruchtbarkeit noch Kinder kriegen, indem sie die Eizellen von früher auftauen, künstlich befruchten lassen und so schwanger werden. Brigitte Leeners ist Direktorin der Klinik für Reproduktion-Endokrinologie am Universitätsspital Zürich und klärt im Interview mit der Schweizer Illustrierten die wichtigsten Fragen zum Thema Social Egg Freezing.
Warum greifen Frauen auf Egg Freezing zurück?
Prof. Dr. med. Brigitte Leeners: Meistens ist der Grund der fehlende Partner. Bei etwa der Hälfte meiner Klientinnen ist gerade eine langjährige Beziehung zerbrochen, bei der anderen Hälfte hat sich bis jetzt keine längerfristige Partnerschaft ergeben, die geeignet wäre, um eine Familie zu gründen. Und vor diesem Hintergrund lassen Sie dann Eizellen einfrieren, um ihr fruchtbares Fenster zu verlängern. Es sind nicht die Karrierefrauen, für die alles andere wichtiger ist. Die meisten Frauen, die unsere Unterstützung suchen, würden liebend gern sofort eine Familie gründen, aber die Rahmenbedingungen stimmen nicht.
Für welche Frauen kommt Egg Freezing in Frage?
Das ideale Alter, um Eizellen einfrieren zu lassen, liegt bei etwa 33-34 Jahren, wenn die Fruchtbarkeit der Frau noch gut ist. In der Schweiz haben wir gesetzliche Rahmenbedingungen, dass man Eizellen während zehn Jahren eingefroren lassen darf. Wenn man zu jung einfriert, liegt das Ende des Zeitfensters in einem Bereich, wo die Fruchtbarkeit oft noch gut wäre. Wenn man es zu spät macht, ist sowohl die Anzahl, wie auch die Qualität der Eizellen nicht mehr so gut. Ausserdem nehmen die Risiken für Komplikationen in der Schwangerschaft nach dem 45. Lebensjahr extrem zu. Darum muss Frau sehr sorgfältig abwägen, bis zu welchem Alter eine Schwangerschaft sinnvoll ist.
Wie gross ist die Nachfrage?
Die Nachfrage steigt massiv. Als wir vor rund zehn Jahren mit Social Egg Freezing angefangen haben, hatten wir nur ein paar Einzelfälle. Dann war es eine Patientin pro Monat und bald eine pro Woche. Mittlerweile fèhren wir bei uns bereits mehrere Behandlungen pro Woche durch.
Wie funktioniert Egg Freezing überhaupt?
Im Grunde funktioniert die Behandlung genau so, wie eine künstliche Befruchtung bei Paaren, die Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden. Der Unterschied ist, dass wir die Gewinnung der Eizelle und die spätere Befruchtung zeitlich voneinander trennen. Nach Fruchtbarkeitstest, Behandlung mit Tabletten und Spritzen folgt die Entnahme der Eizellen durch einen ambulanten Eingriff. Dann werden die reifen Eizellen durch Schockgefrieren innert Sekunden auf -196 Grad herunter gekühlt.
Wie aufwändig ist der Prozess?
In den Vorabklärungen gibt es einen Ultraschall und eine Blutentnahme, um die Fruchtbarkeit zu prüfen. Dann folgt die Vorbereitungsphase mit Tabletten, die zwischen 10 und 30 Tage dauert. Danach folgt die Phase, in der sich Frauen während weiteren 9 bis 13 Tagen selber Medikamente spritzen, um die Produktion von Eibläschen im Eierstock anzuregen, damit wir danach möglichst viele Eizellen entnehmen können. Es folgt eine letzte Reifungsspritze, dann können wir etwa 36 Stunden später die Eizellen mit einem ambulanten Eingriff holen. Die Frau entscheidet, ob sie dafür eine kurze Vollnarkose oder eine Schmerzbetäubung möchte. Im Labor prüfen wir die Eizellen und frieren die reifen ein.
Welche Risiken gibt es?
Die Behandlung ist grundsätzlich sehr sicher. Wenn überhaupt, treten die meisten Nebenwirkungen in der Vorbereitungsphase auf. Mit den Tabletten fährt man das Hormonsystem herunter. Da reagieren gewisse Frauen mit Stimmungsschwankungen. Das Spritzen danach ist zwar lästig, weil aber Botenstoffe der Hirnanhangsdrüse injiziert und die Hormone von den reifenden Eibläschen, also vom Körper selbst gebildet werden, gibt es so gut wie
keine Nebenwirkungen. Die Handhabung des Spritzens ist mit benutzerfreundlichen fertigen Lösungen und Pens heute deutlich einfacher.
Braucht es mehrere Behandlungen?
Wir können nur mit dem arbeiten, was die Frau mitbringt. Es ist sehr altersabhängig, wie viele Eizellen wir pro Behandlung gewinnen können. Manchmal braucht es mehrere Behandlungen. Auch damit gelingt es nicht bei allen Frauen, die empfhohlene Zahl von 20 bis 30 Eizellen einzufrieren. Wir gehen davon aus, dass etwa jede sechste Eizelle zu einer Schwangerschaft führt. führt. Das Ergebnis einer ersten Behandlung ist eine gute Basis für Entscheidungen über eine eventuelle weitere Behandlung, wobei natürlich auch die Zahl der gewünschten Kinder eine Rolle spielt.
Wie werden die Eizellen gelagert?
Die eingefrorenen Eizellen dürfen in der Schweiz gesetzlich maximal während zehn Jahren gelagert werden. Sie liegen in Tanks bei uns in der Klinik sind und hochgradig gesichert. Es gibt ein Alarmsystem und ein Notstromaggregat. Ein technischer Dienst überwacht die Tanks 24 Stunden am Tag, damit ja nichts passiert und die Eizellen dann auch wirklich zur Verfügung stehen.
Darf man Eizellen später auch durch Samenspende und ohne einen Partner einsetzen?
Nein. In der Schweiz ist das rechtlich nur mit Partner erlaubt. Zudem muss eine Unfruchtbarkeit vorliegen. Das heisst, wenn Frau einen Partner gefunden hat, versucht das Paar – bei entsprechenden Voraussetzungen – erst, auf natürlichem Weg schwanger zu werden. Wenn das nach etwa einem Jahr nicht klappt, darf eine Frau auf ihre eingefrorene Eizelle zurückgreifen. Liegt direkt zu Anfang eine Unfruchtbarkeit vor, so kann sofort auf die eingefrorenen Eizellen zurückgegriffen werden.
Wie sicher ist es, dass die Eizellen später einsatzfähig sind?
Bei uns ist das sehr sicher. Fast alle Eizellen, die wir bei uns bisher aufgetaut haben, waren intakt für die Behandlung. Aus dem Ausland habe ich aber auch schon Fälle gehabt, wo das nicht der Fall war.
Wie viele Frauen nutzen später tatsächlich ihre eingefrorenen Eizellen?
Das ist im Moment noch schwierig zu sagen. Vor zehn Jahren hatten wir erst ganz wenige Frauen, die von Social Egg Freezing Gebrauch machten. Darum haben wir noch keine Zahlen. Statistiken aus den USA zeigen, dass die Rate der Frauen, die ihre eingefrorenen Eizellen später tatsächlich nutzen, recht gering ist. Bei uns kann ich das bis jetzt nicht bestätigen. Wir haben mittlerweile fast jede Woche Frauen, die ihre Eizellen auch nutzen.
Was kostet der Eingriff?
Bei uns entstehen Kosten von etwa 4000 bis 5000 Franken für die Behandlung. Dazu kommen etwa 1000 Franken für die Medikamente. Das umfasst eine erste Gewinnung bis zum ersten Einfrieren der Eizellen. Die Lagergebühren betragen etwa 400 Franken pro Jahr. Wenn Frau später auf die Eizellen zurückgreift, kostet die Behandlung der Befruchtung der Eizelle und der Embryotransfer weitere 2000-3000 Franken. Die Krankenkasse beteiligt sich nicht an diesen Kosten.
Wo kann ich den Eingriff machen?
Kinderwunschkliniken, die künstliche Befruchtung für Paare anbieten, können auch Eizellen einfrieren und bieten in der Regel die Behandlung für Social Egg Freezing an. Wichtig ist, dass die langfristige Lagerung gewährleistet ist – da sollte man vorsichtig wählen.