Fusilli, Penne, Farfalle, Gnocchetti, Tagliatelle. Schwarze, rote und grüne Linsen. Sieben Arten Kaffeebohnen und elf Sorten Reis! «Hier kann ich alles kaufen, was es auch in einem Supermarkt gibt», sagt Natalie Bino, 50. Sie steht im kleinen Lädeli Maison du Vrac in der Altstadt von Morges VD. Der einzige Unterschied zu den Supermärkten: Verpackungen und Plastiksäckli gibt es hier keine.Natalie Bino lebt nach dem Zero-Waste-Prinzip: Sie produziert so wenig Abfall wie möglich. Eine Schweizer Familie häuft im Schnitt über 700 Kilogramm Abfall pro Jahr an. Bino und ihre vierköpfige Familie nur 16 Kilo.Hier im Laden kauft die gebürtige Bernerin zweimal im Monat ein. Guetsli und Macarons legt sie in leere Weckgläser, Pasta füllt sie in einen Stoffbeutel, für Tee hat sie ein Aludöschen dabei. Die Behälter nimmt Bino von daheim mit. «Frische Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Milch kaufe ich mittwochs auf dem Wochenmarkt.»
In Cottens oberhalb von Morges lebt Natalie Bino mit ihrem Mann Luca, 48, und den Kindern Roxanne, 16, und Lenny, 15, in ihrem Eigenheim. «Vor sechs Jahren sah ich eine TV-Dokumentation über die US-Amerikanerin Bea Johnson, die Vorreiterin dieser Bewegung. Ich fand es interessant, dass eine Amerikanerin weniger Abfall produziert als ich.» Am nächsten Tag beschlossen sie und ihr Mann, es Johnson gleichzutun. «Wir fragten etwa beim Käser, ob wir die Butter in einer Tupperware haben können. Kein Problem!» Und die Kinder? «Die waren damals so klein, dass es für sie gar keinen Unterschied machte. Hauptsache, es stand jeden Tag etwas zu essen auf dem Tisch.»
Im Alltag orientiert sie sich an den fünf R: refuse, reduce, reuse, recycle, rot. Auf Deutsch: verweigern, reduzieren, wiederverwenden, recyceln, kompostieren. «Es ist ein Prozess, der damit anfängt, dass man Nein sagt zu Gratismüsterli und -proben. Meistens braucht man das Zeugs ja gar nicht», sagt Natalie Bino. «Und warum haben wir zehn Wintermützen im Schrank? Eine reicht ja auch! Die restlichen können wir weiterverschenken.» Dass jemand von heute auf morgen keinen Abfall mehr produziert, hält sogar Bino für schwierig. Um die Menschen zu sensibilisieren, gründete die ehemalige Marketingexpertin den Verein Zero Waste Switzerland. Dieser zählt inzwischen über tausend Mitglieder. «Vor fünf Jahren gab es noch keine Unverpacktläden in der Schweiz, inzwischen sind es über 100.»
Bei Natalie Bino daheim steht nichts herum, kein Papierli, kein Abwaschmittel auf dem Spültisch, keine Verpackungen. «Es ist ein befreiendes Gefühl!» Bei den Ausgaben sparen die Binos rund 40 Prozent im Vergleich zu früher, weil sie weniger kaufen. «Das Essen ist etwas teurer, dafür sind die Produkte regional und lokal.» Kleider kauft Natalie Bino secondhand. Viele Kosmetikartikel wie Zahnpaste und Deo macht sie selber – Reinigungsmittel ebenfalls. «Mit wenigen Zutaten wie Essig, Natronpulver, Kernseife kann man das ganze Haus reinigen.» Und wie ist es mit dem Verzicht? «Ich habe alles, was ich brauche.» Und will sie doch mal ein Schoggistängeli, dann kauft sie sich auch eines. «Doch das kommt selten vor.»
Das ist eine Initiative für nachhaltiges Leben der Schweizer Illustrierten und der Mobiliar.