Manchmal artet das «eine tolle Mutter sein wollen» in Stress aus. Ihr wisst schon: Beim Einkauf an alles denken, um frisch gekneteten Teig mit hausgemachter Pizzasauce und am liebsten noch eigenhändig produziertem Mozzarella in den Ofen schieben zu können, während man Wäsche zusammenlegt und Origamikraniche faltet — und aus Überlastung alle anschreit.
Dann ist man doch besser eine mittelmässige Mutter (oder Vater, natürlich, aber wir bleiben aus aktuellem Anlass bei den Frauen) die entspannt eine Fertigpizza auftischt. Heimlich auf der Toilette durchs Internet scrollt. Und die Bettwäsche der Kinder noch eine Woche dran lässt.
Und jetzt kommts: Das ist plötzlich salonfähig! Die mittelmässigen Mütter stehlen den überperfekten Supermoms in ihren sauber aufgeräumten Kinderzimmern mit den rausgeputzten Kids die Show. Eine von ihnen ist unsere neueste Twitter-Entdeckung @FoffyMcFoff:
«Die Kinder sind mit einem Wimmelbuch beschäftigt und eventuell habe ich ihnen gerade einen Gegenstand zum Suchen genannt, den es im Buch gar nicht gibt. Jetzt sagen sie seit fünf Minuten
‹Häää?› und ich trinke Kaffee. ES IST FÜR MICH AUCH DIE SECHSTE WOCHE OK?», tweetet sie Ende April aus dem Corona-Lockdown und erntet tausendfach Gefällt-mir-Klicks.
Könnte von uns sein! Lest hier, wie wir Eltern auf der SI-Redaktion uns schon durch den Erziehungsalltag getrickst haben. Und trotzdem sind wir keine Rabeneltern, versprochen!
Zurück zu Foffy. Diese Frau, die sich selbst auf ihrem Profil als «Lektorin. Mittelgute Mutter» beschreibt, trifft mit ihren ehrlichen Ansagen und einer gut portionierten Prise Humor genau den Nerv von Eltern, die sich zwischen Job, Kids, Haushalt und Beziehung zerreissen (aka Vereinbarkeit).
Das ist nicht nur lustig, sondern auch extrem nötig. Denn mittelgut tut gut. Und zwar allen Beteiligten. Aus folgenden fünf Gründen:
Den wichtigsten Grund, wieso mittelgut sein für Mütter genügt, liefert Foffy gleich selbst im Interview mit dem Elternblog Tollabea: «Ich finde die Überhöhung der Mutterrolle und die überzogenen gesellschaftlichen Ansprüche total daneben. Frauen werden damit massiv unter Druck gesetzt und geraten viel zu oft in eine Rechtfertigungshaltung. Deshalb möchte ich mit meinen Tweets auch ganz bewusst zeigen, dass es bei uns alles andere als perfekt läuft. Und ich finde das genau richtig so, ich möchte mich da gar nicht optimieren. Ich bin stolz darauf, eine mittelgute Mutter zu sein!»
Lasst uns mittelgut sein, dazu stehen und damit alle Mütter von überhöhten Erwartungen (auch sich selbst gegenüber) entlasten.
Nur Mut! Gönnt euch diesen Kaffee allein auf dem Balkon. Oder den Urlaub ohne Kids. Wenn eine Mutter sich nicht restlos für ihre Kinder aufgibt, sondern sich selbst Raum zugesteht und für ihre Bedürfnisse einsteht, ist sie dem Nachwuchs ein wunderbares Vorbild. Die Kinder können sich bei ihr abgucken, wie sie ihre eigenen Bedürfnisse erkennen, artikulieren und sich dafür einsetzen.
Erziehungs-Koryphäe Jesper Juul meinte zu Lebzeiten, dass immer mehr Eltern ihren Kindern die eigenen Emotionen vorenthalten, gerade wenn diese negativ konnotiert seien, wie etwa Wut oder Trauer. «Doch Kinder, die nicht wissen, was es heisst, traurig oder frustriert zu sein, kennen auch kein Mitgefühl.» Wer also seine wahren Gefühle unterdrückt und den Kindern heile Welt vorspielt, enthält ihnen eine wichtige Lektion vor: die Möglichkeit, Empathie zu erlernen.
Und das ist übrigens auch einer der Kernpunkte, an dem Psychologen gute Eltern erkennen. Mehr dazu gibts hier.
Um nochmal auf die Bettwäsche zurückzukommen: Stellt euch eine Welt vor, in der Kinder jeden Abend in frisch gewaschene Hotelbettwäsche steigen. Dieses wunderbare Erlebnis verkäme zur Normalität! Höhepunkte zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich vom Durchschnitt abheben. Und wir wollen unseren Kindern doch dieses Erlebnis nicht vorenthalten! Also geben wir uns doch damit zufrieden, im Alltag einen guten Schnitt hinzukriegen, damit noch Raum nach oben bleibt, um Highlights zu streuen.
Wer allzu sehr nach Perfektion strebt, dem kann in der Erziehung schon mal der Humor abhanden kommen. Lasst uns unsere kleinen Unzulänglichkeiten, Marotten und Schwachstellen als Eltern nicht ausmerzen – sondern darüber lachen. Humor kann in der Erziehung (und übrigens auch in der Paarliebe) ungefähr gleich viel wie Salz in der Suppe.
Oder um es mit einem Foffy-Tweet zu sagen: «Für die Kinder ist es eigentlich nicht ersichtlich, warum wir manchmal so doof auf ihrem Trampolin im Wohnzimmer rumsitzen.»
Ok, bei dem haben wir auch zwei Sekunden gebraucht! Das wird irgendwo im Durchschnitt liegen. High Five!