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  4. Postpartale Depression beim Mann bzw. Vater: Anzeichen, Gründe und Hilfe
«Wie geht es dir als Vater?»

Postpartale Depression bei Vätern ist zu oft Tabuthema

Postpartale Depressionen betreffend nicht nur Mütter. Auch rund zehn Prozent der Väter leiden nach der Geburt eines Babys an Depressionen. Die Dunkelziffer dürfte sogar noch höher sein. Umso wichtiger ist es, darüber zu sprechen. Gehen wir mit gutem Beispiel voran.

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Postportale Depression Vater Baby

Die Gründe für eine postpartale Depression bei Männern können vielfältig sein. Die Auswirkungen ebenfalls.

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Beim Thema postpartale Depressionen (PPD) von Müttern hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten einiges getan – zum Glück! Sowohl bei der Behandlung als auch der Erkennung und Sensibilisierung. Wobei wir natürlich noch längst nicht am Ziel sind. Kaum bekannt ist jedoch, dass auch Männer an einer PPD erkranken können. Und das nicht selten!

Tatsächlich geht man in Studien davon aus, dass rund zehn Prozent der Väter davon betroffen sind. Wobei eine hohe Dunkelziffer vermutet wird. Denn postpartale Depressionen sind noch immer ein Tabuthema. Auch wenn sich bezüglich Rollenbilder einiges getan hat: Vielerorts gibt es noch immer den gesellschaftlichen Druck, dass Männer in erster Linie stark sein müssen, die Familie beschützen und die Partnerin unterstützen sollen.

Anzeichen für postpartale Depressionen bei Männern

Das Erkennen einer PPD ist der erste Schritt in die richtige Richtung, für sich selber, den Partner, Bruder, Sohn oder Kollegen. Keine einfache Sache, denn postpartale Depressionen bei Vätern äussern sich ganz verschieden – und nicht selten ganz anders, als bei Müttern.

Übermässiger Alkoholkonsum, Reizbarkeit, aggressives, impulsives Verhalten oder eine tiefe Frustrationstoleranz können bei Männern Anzeichen sein, erklärte Hebammenexpertin Yvonne Widmer vor einige Zeit im Interview mit schweizer-illustrierte.ch. Es gebe aber auch Männer, die sich zurückziehen, in die Arbeit, den Sport oder in Hobbys stürzen. «Weitere Anzeichen können nächtliches Zähneknirschen, Verspannungen oder psychosomatische Beschwerden ohne medizinische Diagnose sein. Etwa Magenbeschwerden, Durchfall oder Herzrhythmusstörungen.»

Allesamt Warnzeichen, denen man sich annehmen sollte, auch wenn es schwierig ist. «Ich wusste, dass es mir nicht gut geht, aber ich hatte dafür keine Zeit», schildert ein betroffener Vater seine Situation gegenüber «ZDF». Er habe einfach weiter «funktioniert» – bis zum Zusammenbruch. «Ich bin wortwörtlich zusammengesunken und sass weinend auf dem Boden.»

Gründe für postpartale Depressionen bei Vätern

Ebenso vielseitig wie die Symptome einer PPD bei Vätern können die Gründe dafür sein. Der Verein «Postpartale Depression Schweiz» listet als Risikofaktoren vorherige Depressionen, belastende Lebensumstände, mangelnde Unterstützung vom Umfeld, Paarprobleme, die soziale Stellung und unerfüllte Erwartungen an das Familienleben auf. Zudem wird auf eine Literaturstudie verwiesen, die im Auftrag des Vereins erstellt wurde, in der von einer möglichen «depressiver Ansteckung» gesprochen wird. Demnach entwickeln bei Frauen mit postnatalen Depressionen in 24 bis 50 Prozent der Fälle auch die Männer selbst eine solche.

Nicht zuletzt dürfte aber auch bei den Männern die Hormone eine Rolle spielen. Gegenüber «ZDF» erklärt Prof. Sarah Kittel-Schneider vom Universitätsklinikum Würzburg, dass sie bei einer Untersuchung von Hormonwerten der Väter ebenfalls Hormonschwankungen sehen würden, «von der Schwangerschaft bis nach der Geburt des Kindes». Erste Ergebnisse der Studie würden zeigen, dass nach der Geburt bei Vätern der Testosteronspiegel abfalle. Und je niedriger dieser ist, desto stärker ist gemäss der Untersuchung die Neigung zu depressiven Symptomen.

Wieso es wichtig ist, zu reagieren

Zum einen ist eine Depression für die betroffene Person eine riesige Belastung, bei der professionelle Unterstützung von aussen unbedingt notwendig ist. Niemand sollte alleine durch eine solche Phase gehen müssen. Zum anderen hat die PPD bei Eltern aber auch negative Auswirkungen auf die gesamte Familie, wenn sie nicht behandelt wird. Selbst die Entwicklung der Kinder kann eine unbehandelte PPD negativ beeinflussen. Bis hin zu später häufigeren Depressionen und Angstzuständen.

Postpartale Depression Väter Männer

Bei einer PPD gilt es zu reagieren und Hilfe zu holen – sich selber und der Familie zuliebe.

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Behandlung postpartaler Depressionen bei Männern

Der erste Schritt ist, es sich selber einzugestehen, darüber zu sprechen und professionelle Hilfe anzunehmen. Depressionen sind kein Zeichen für Schwäche, sondern eine Erkrankung! Der Verein «Postpartale Depression Schweiz» führt eine Adressliste mit Psychiatern, Psychologen und Psychotherapeuten, die auf postpartale Depression spezialisiert sind – inklusive Hinweis, ob eine spezielle Väter-Therapie möglich ist. Die Dargebotene Hand (Telefon 143) ist ausserdem rund um die Uhr eine mögliche erste Anlaufstelle, bei akuter Gefahr gibt es die Notfallnummer 144 oder Polizei 117.

Wie die spezifische Behandlung anschliessend aussieht, sollte mit der behandelten Person angeschaut werden. Möglich sind beispielsweise psychotherapeutischen Einzelgesprächen und allenfalls medikamentöse Unterstützung. «Postpartale Depression Schweiz» empfiehlt zudem, in der Behandlung auch den/die Partner:in mit einzubeziehen und den Alltag sowie den Umgang mit dem Baby sowie Entlastungsmöglichkeiten zu thematisieren.

So beugt man postpartalen Depressionen vor

«Was wir lieber machen würden: gar nicht zu therapieren, sondern präventiv tätig zu sein», so Psychiaterin Sarah Kittel-Schneider gegenüber dem «ZDF». Um die Depressionsneigung zu verringern, kann es helfen, die Väter bei der Begleitung von Schwangerschaft und Geburt mehr einzubeziehen.

Auch Hebammenexpertin Yvonne Widmer sagte im Interview mit schweizer-illustrierte.ch, dass es für die psychische Gesundheit der Väter wichtig sei, dass sie von Beginn an eine aktive Rolle im Leben ihres Kindes übernehmen. «Es würde helfen, wenn sie schon während der Schwangerschaft mehr eingebunden würden und besser Bescheid wüssten, was sie im Leben mit Kind erwartet.» Sie schlägt zum Beispiel Männer-Geburtsvorbereitungskurse vor. «Es gibt auch spezielle Schwangerschafts-Apps für Männer.» Klar ist aber auch: Vorbereitung hin oder her – eine Depression kann alle treffen. Umso wichtiger ist es auch für alle rundherum, aufmerksam zu bleiben. Auch bei Vätern.

Postpartale Depressionen enttabuisieren

Erkennen, eingestehen, darüber sprechen, aufmerksam sein – das alles geht einfacher, wenn postpartale Depressionen kein Tabuthema sind. Bei Müttern, aber auch bei Vätern. «Die Sensibilisierung durch Fachpersonen sollte ein zentraler Punkt in der Aufklärungsarbeit sein. Dazu gehören Hebammen, Mütter-Väter-Beratungen, Kinderärzte, Gynäkologen, Hausärzte und die Medien. Es ist wichtig, dass Fachleute, die in ihrem Beruf eng mit Müttern und Vätern zusammenarbeiten, im Studium und in Weiterbildungen mit diesem Thema in Berührung kommen», sagt etwa Yvonne Widmer.

Der Verein «Postportale Depression Schweiz» hält zudem fest, dass es auch in unserer Gesellschaft selbstverständlich werden muss, interessiert nachzufragen, wie es um die Befindlichkeit beim Vater steht. Und so können wir alle etwas beitragen zur Enttabuisierung von postpartalen Depressionen bei Vätern.

Brauchen Sie Hilfe?

Sollten Sie selbst das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, sind diese Stellen rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:

Thomas Bürgisser
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Von Thomas Bürgisser am 2. Dezember 2023 - 18:00 Uhr