Ab und an tut es jeder: Ist uns eine Situation unangenehm oder wollen wir jemanden nicht verletzen, greifen wir zu einer Notlüge. Trotzdem bringen wir unseren Kindern bei, dass lügen verboten ist – meist jedoch vergebens. Dass Kinder die Wahrheit manchmal etwas ausschmücken, ist dann auch völlig normal. Gemäss Kang Lee, Psychologe an der Universität Toronto, ist das Lügen sogar ein gutes Zeichen von kognitivem Wachstum. Im späteren Alter ist es aber natürlich wünschenswert, dass der Nachwuchs möglichst ehrlich durchs Leben geht. Und ob dies geschieht, hängt stark vom Verhalten der Eltern ab.
Lügen Mütter und Väter ihre Kinder häufig an, neigen auch diese dazu, öfter zu lügen. Das konnte ein Forscher-Team rund um Peipei Setoh nachweisen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten von Singapur, San Diego und Toronto veröffentlichten ihre Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift «Current Directions in Psychological Science».
Beim Lügen gibt es Unterschiede
In der Untersuchung unterschieden die Forschenden zwischen instrumentellen Lügen, die eine Verhaltensveränderung beim Kind herbeiführen sollten und oft in Form von falschen Versprechungen oder Drohungen geäussert werden und zwischen Notlügen, die etwa dazu dienen sollten, das Kind nicht zu verletzen. Befragt wurden dazu 564 Eltern-Kind-Paare in Singapur. Die Kinder waren zwischen elf und zwölf Jahre alt.
In einem ersten Fragebogen wurden den Eltern Beispiele von Lügen genannt und sie mussten angeben, ob sie diese in ähnlicher Form bereits erzählt hatten. Die Kinder wiederum mussten angeben, ob ihnen diese Lügen aufgetischt wurden und ob sie diese geglaubt hatten. In einem weiteren Fragebogen wurde das Verhalten der Kinder analysiert. Sie mussten angeben, wie oft sie ihre Eltern anlügen und die Eltern, wie oft sie von den Kindern angelogen werden. Danach wurde ausgewertet, wie die Lügen der Eltern mit denen der Kinder zusammenhängen und wie die Beziehung dadurch beeinflusst wird.
Negative Auswirkungen auf Eltern-Kind-Beziehung
Dabei kamen die Forschenden zum Ergebnis, dass Kinder, denen oft instrumentalisierende Lügen aufgetischt wurden, gelernt haben, dass solche Lügen helfen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Logischerweise nutzen sie diese dann auch häufiger. Ausserdem könnten diese Lügen der Eltern bei Kindern negative Gefühle ausgelöst haben, welche die Beziehung zu den Eltern belasten und wiederum dazu führen, dass Kinder ihre Eltern ebenfalls anlügen.
Notlügen der Eltern führten jedoch nur zu vermehrtem Lügen der Kinder, wenn diese die Notlügen durchschauten. Daraus schliessen die Forschenden, dass das Lügenverhalten der Kinder von der Art und Weise der Lügen der Eltern abhängt und davon, wie sie diese verstehen und verarbeiten.