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Zykluscoach im Interview

So begleiten wir Töchter auf dem Weg zur ersten Periode

Für viele Frauen der aktuellen Müttergeneration ist die Menstruation ein leidvolles und schambehaftetes Thema. Zyklusberaterin Josianne Hosner erklärt im Interview mit SI Family, wie Eltern ihre Tochter auf positive Weise auf die erste Menstruation vorbereiten und begleiten können – und warum sie damit schon im Vorschulalter beginnen sollten.

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Mother and daughter holding hands in public park

Ein offener und unaufgeregter Umgang mit dem weiblichen Zyklus sei die Begleitung für Mädchen auf dem Weg in die Pubertät, sagt Zykluscoach Josianne Hosner aus Winterthur. 

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Manche Mädchen erleben sie mit neun Jahren, andere erst mit 16 oder 17: die erste Monatsblutung, auch Menarche genannt. «Das ist ein griechischer Begriff, der sich aus den Wortteilen Monat und Anfang zusammensetzt», erklärt Zyklusberaterin Josianne Hosner. «Diesen Ausdruck zu kennen, ist nicht zwingend wichtig. Von Bedeutung ist jedoch, dass jedes Mädchen weiss, dass der ungewisse Zeitpunkt der Menarche einmal kommt. Es sollte eine Vorstellung davon haben, was zu erwarten ist, was der weibliche Zyklus mit dem Körper macht und an wen es sich mit Fragen wenden kann.» Vorwissen ist ein wesentlicher Faktor dafür, wie ein Mädchen seine Menarche erlebt. Im Gespräch mit SI Family erklärt die Expertin, was Eltern wissen müssen, um ihre Töchter auf dem Weg zur Menarche zu begleiten – und welchen Gegenstand sie für ein Erste-Periode-Set unverzichtbar findet.

Josianne Hosner

Josianne Hosner ist Zykluscoach und Autorin. Mit der Gründung ihres Unternehmens Quittenduft.ch hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, Wissen rund um den weiblichen Zyklus zugänglich zu machen und Frauen zu helfen, ihre «inneren vier Jahreszeiten» für sich zu nutzen. «Ohne Hokuspokus, aber mit viel Humor und einer Tasse Tee in der Hand», wie sie selbst sagt. Die Winterthurerin lebt mit Mann und drei Kindern im Kanton Bern. 

ZVG

Josianne Hosner, der ungewisse Zeitpunkt der Menarche kann verunsichern. Gibt es klare Anzeichen dafür, dass die erste Monatsblutung kurz bevorsteht?

Es gibt einige körperliche Veränderungen, die als Vorboten der Menarche gelten. Zum Beispiel beginnt die Brustentwicklung oft als erstes Anzeichen der Pubertät. Auch Achsel- und Intimbehaarung fangen an zu wachsen, und ein bis zwei Jahre vor der Menarche erleben viele Mädchen einen Wachstumsschub. Manche Mädchen bemerken auch Weissfluss, einen geruchlosen, weisslichen Ausfluss, der darauf hindeutet, dass die Fortpflanzungsorgane aktiv werden. Veränderungen wie Akne, Stimmungsumschwünge und ein veränderter Körperbau, insbesondere im Bereich der Hüften und Oberschenkel, können ebenfalls auftreten. Allerdings lässt sich daraus nicht ablesen, ob die erste Periode nur noch ein paar Tage oder noch zwei Jahre auf sich warten lässt.

Wann und wie sollten Eltern oder Erziehungsberechtigte mit Mädchen über die erste Mens sprechen?

So früh und unaufgeregt wie möglich: Die Menstruation ist ein natürlicher biologischer Vorgang, den man bereits einem Kleinkind altersgerecht erklären kann. Schon im Vorschulalter können Kinder mit dem Thema in Berührung kommen, etwa wenn sie mit im Badezimmer sind. Wichtig ist, dass die Mutter die Menstruation nicht versteckt und dem Kind erklärt, dass das Blut nicht von einer Verletzung stammt.

Wie erklärt man einem dreijährigen Kind altersgerecht die Menstruation?

Man könnte sagen, dass das Blut aus der ersten «Wohnung» kommt, in der das Kind gelebt hat – aus der Gebärmutterhöhle, die sich einmal im Monat reinigt. Diese Information reicht für ein kleines Kind völlig aus. Später, im Alter von 7 bis 10 Jahren, sind Kinder sehr neugierig und wollen wissen, woher Babys kommen. Dann kann man die Menstruation bereits als Grundlage für die Entstehung neuen Lebens thematisieren. Das Thema darf im Familienalltag immer wieder zur Sprache kommen – jedoch ohne überstrapaziert zu werden. Ganz beiläufig.

Die Menstruation als Familienthema?

Auf jeden Fall. Es ist ein Thema, das in die Familie gehört und nicht nur der Schule überlassen werden sollte. Im Aufklärungsunterricht geht es in erster Linie um Geschlechtskrankheiten, Sex und Verhütung. Der weibliche Zyklus wird dabei oft nur am Rande behandelt. Zuhause sehe ich es in erster Linie als ein Gespräch zwischen Mutter und Tochter – sofern dies möglich ist. Aber auch Väter können involviert sein. Gerade in der heutigen Zeit, in der viele Elternpaare getrennt leben, kann es vorkommen, dass ein Mädchen ihre erste Periode vielleicht in den Ferien mit dem Papa erlebt. Es ist wichtig, dass auch die Väter vorbereitet sind. Sie sollten wissen, wie sie ihre Töchter in dieser Zeit unterstützen können, sei es durch Gespräche oder indem sie sicherstellen, dass zu Hause die notwendigen Produkte vorhanden sind.

First-Period-Kit

Gehören Tampons ins First-Period-Kit? Josianne Hosner meint «Nein, die Produkte selber muss man nicht reinpacken. Ich finde Infos dazu viel wichtiger.»

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In den vergangenen Jahren sind First-Period-Kits immer beliebter geworden. Was gehört da unbedingt mit rein?

Ich finde es schön, wenn das Köfferchen individuell gestaltet ist und mit dem Alter des Kindes mitwächst. Man kann immer wieder etwas ergänzen, es altersgerecht gestalten und regelmässig aktualisieren. Schliesslich gefallen einer Neunjährigen womöglich andere Dinge als einer Teenagerin. Was vielleicht erstaunen mag: Allzu viele Menstruationsprodukte würde ich nicht ins Mens-Kit packen. Im Gegenteil. Da ich Tampons für junge Mädchen noch nicht empfehlen würde, reicht es eigentlich aus, ein paar Binden oder Periodenunterwäsche hineinzulegen. Ich persönlich würde wiederverwendbare Baumwollbinden wählen. Zu weiteren Produkten wie einer Menstruationstasse oder einem Menstruationsschwämmchen kann man Informationen beilegen. Ausserdem macht das Kit viel Freude, wenn es liebevoll ausgewählte kleine Geschenke enthält. Das können Kuschelsocken oder ein Kirschsteinkissen sein. Eine schöne Idee finde ich auch, wenn das Gotti oder andere weibliche Bezugspersonen etwas beisteuern. Eine besonders schöne Geste ist es, wenn ein Mens-Kit einen handgeschriebenen Brief an die Tochter enthält.

Wann übergibt man das Mens-Kit am besten?

Es lohnt sich, das Kit frühzeitig bereitzustellen und gegebenenfalls im Laufe der Jahre zu ergänzen, wenn man etwas entdeckt, das gut dazu passt. Ich empfehle eine unaufgeregte Übergabe, die die Privatsphäre der Tochter wahrt und ihr das Gefühl von Geborgenheit vermittelt.

Welche Reaktion empfehlen Sie, wenn das Thema der Tochter peinlich ist?

Trotz eines offenen Umgangs mit der Thematik des weiblichen Zyklus ist es wichtig, dass konkrete Gespräche über die bevorstehende Menarche einer Tochter in einem geschützten Rahmen stattfinden. Ein offener Umgang bedeutet nicht, dass man die persönlichen Belange vor anderen ausbreiten muss. Man sollte Rücksicht nehmen, wenn das Thema dem Mädchen peinlich ist, und nicht darauf bestehen, ausführlich darüber zu sprechen, wenn sie das nicht möchte. Es reicht, zu signalisieren, dass sie mit Fragen jederzeit zu einem kommen darf.

Was ist, wenn Mütter selbst negative Erfahrungen mit der eigenen Menstruation gemacht haben?

Müttern empfehle ich dringend, die eigenen Erlebnisse mit der Menarche und die Art und Weise, wie sie über die Menstruation sprechen, zu reflektieren. Es kommt leider immer noch häufig vor, dass Mädchen mit Sätzen wie «Jetzt hast du den Mist auch» abgespeist werden. Das sollte nicht passieren. Der Körper der Frau verdient eine respektvolle Sprache, und der Menstruationszyklus sollte wertschätzend wahrgenommen werden. Er ist die Grundlage des Lebens. Ohne Menstruation gibt es keine Menschen.

Dennoch sehen viele Töchter, dass ihre Mütter während der Menstruation Schmerzen haben. 

Eine Menstruation in einem gesunden Körper sollte schmerzarm bis schmerzfrei sein. Treten jedoch starke Schmerzen auf, sollte man dies ernst nehmen und die Ursachen genauer untersuchen. Ich empfehle, eine Gynäkologin oder Naturheilpraktikerin aufzusuchen. Starke Schmerzen sollten nicht normal sein und haben immer eine Ursache.

Wie kann man Töchtern eine positive Wahrnehmung der Menstruation erleichtern?

Ein guter Ansatz ist, die Menstruation als Teil des gesamten Zyklus zu verstehen, genauer gesagt als Viertel. Ich nenne sie die «inneren vier Jahreszeiten» – ein Begriff, den ich gerne verwende, der jedoch nicht von mir stammt. Der innere Winter entspricht der Menstruation, gefolgt von Frühling, Sommer und Herbst. Es ist wichtig zu wissen, dass jede Phase des Zyklus ihre eigenen Qualitäten hat und sich auf das Wohlbefinden auswirken kann. Wer den eigenen Zyklus kennt, kann lernen, aus jeder Phase das Beste für sich herauszuholen.

Zum Beispiel?

Während des inneren Frühlings und Sommers haben viele Frauen oft Tatendrang und Energie, während sie sich im Herbst und Winter eher zurückziehen. Das muss nichts Schlechtes sein. In diesen Phasen gelingt es manchmal besonders gut, sich zu konzentrieren und Informationen aufzunehmen – das ist jedoch sehr individuell. Auch für Väter kann es sich lohnen, sich Wissen über den weiblichen Zyklus anzueignen. Das hilft, Verständnis und Geduld aufzubringen.

Buchcover

Ihr Zykluswissen hat Josianne Hosner in ein Buch gepackt. Der Ratgeber «Back to the roots» soll Frauen helfen, sich selbst besser kennenzulernen und dadurch mehr Lebensfreude zu empfinden. 

Buchcover

Wie können Eltern ihrer Tochter helfen, im Schulalltag auf diese Phasen Rücksicht zu nehmen?

Leider gibt es immer noch Schulen, an denen Kinder nur in der Pause die Toilette nutzen dürfen und die Teilnahme am Sport- oder Schwimmunterricht durchgesetzt wird. Gerade während der Menstruation kann das für Mädchen sehr belastend sein. Ich finde, es sollte selbstverständlich sein, dass Mädchen die Freiheit haben, während ihrer Periode auf ihren Körper Rücksicht zu nehmen, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Ein Mädchen darf auch nicht gezwungen werden, Tampons oder eine Menstruationstasse zu verwenden. Das bedeutet, dass es im Prinzip während der Menstruation nicht schwimmen gehen kann. Dies ist jedoch kein Problem, das das betroffene Mädchen alleine lösen muss. Ich sehe hier die Eltern und die Schule in der Pflicht, Verantwortung für die Situation zu übernehmen und im Gespräch Lösungen zu finden.

Und auf der emotionalen Seite?

Es ist eine Kunst, herauszufinden: Wie bin ich da für sie und lasse sie gleichzeitig in Ruhe, wie zeige ich Interesse, ohne sie unter Druck zu setzen? Ich finde, die Eltern sollten im besten Fall eine Oase sein, in der ein Kind sich geborgen und akzeptiert fühlt – mit all seinen Launen. Man muss nicht immer alles schaffen. Manchmal reicht die Energie nicht für Hausaufgaben. Das ist ok. In der 83. Folge des renommierten Podcasts «Beziehungskosmos» gibt es eine Folge dazu, die ich sehr empfehle. Es geht darum, auch mal eine Pause einzulegen. Nachsicht walten zu lassen. «Du musst jetzt aber ...» durch «Was brauchst du? Ich bin für dich da», zu ersetzen. Das wäre mein Wunsch an den Umgang mit dieser Thematik.

Sylvie Kempa
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Von Sylvie Kempa am 20. August 2024 - 07:00 Uhr