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«Starke Eltern – Starke Kinder»

So lernen Eltern, Gewalt in der Erziehung zu vermeiden

Gemäss einer Studie der Universität Freiburg erlebt fast die Hälfte aller Kinder zuhause körperliche oder psychische Gewalt. Um das zu verhindern, bietet die Stiftung Kinderschutz Schweiz Kurse an, welche Eltern dabei helfen, schwierige Situationen gewaltfrei zu lösen. Eine Kursleiterin, eine Teilnehmerin und ein Teilnehmer teilen ihre Erfahrungen und Erkenntnisse.

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Mutter, Kind

Die Hälfte der Kinder in der Schweiz hat zuhause schon Gewalt erlebt.

Getty Images

Die Ergebnisse einer Studie der Universität Freiburg, welche die Stiftung Kinderschutz Schweiz in Auftrag gegeben hat, zeigt: Gewalt gehört für viele Kinder zum Alltag. Gemäss den Aussagen der befragten Eltern erlebte fast die Hälfte aller Kinder zuhause mindestens einmal psychische oder physische Gewalt. Die Stiftung Kinderschutz Schweiz fordert deshalb, das «Recht auf eine gewaltfreie Erziehung» gesetzlich zu verankern. 

Damit es gar nicht erst zu psychischer oder körperlicher Gewalt gegen Kinder kommt, bietet die Stiftung zudem die Elternkurse «Starke Eltern – Starke Kinder» an. Eine der zertifizierten Kursleiterinnen ist die Erwachsenenbildnerin und Kleinkinderzieherin Patrizia Luger. Sie vermittelt Methoden der anleitenden Erziehung – ein Erziehungsstil, der gemäss der Stiftung Kinderschutz Schweiz entwicklungsfördernd und besonders geeignet ist, um Kinder zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Menschen zu erziehen.

Im Kurs wird dieser Erziehungsstil anhand eines Fünf-Stufen-Modells erklärt. Unter anderem geht es darum, dass sich die Eltern ihren eigenen Werten und Erziehungszielen bewusst werden. «Sind sie in ihrer Identität als Erziehungsperson gefestigt, stärkt dies das Selbstvertrauen», erklärt Patrizia Luger. Das Selbstvertrauen wiederum vereinfache es, seine Erwartungen und Bedürfnisse klar zu kommunizieren, Probleme konstruktiv anzugehen und Lösungen zu finden. 

 

Keine Patentrezepte

Wichtig ist Patrizia Luger zu betonen, dass im Kurs keine Patentrezepte abgegeben werden. Vielmehr werden verschiedene Modelle und Tools präsentiert. Die Teilnehmenden sollen selbst herausfinden können, welche für sie als Familie passend und für ihre individuellen Anliegen hilfreich sind. Möchte jemand etwa lernen, besser mit der eigenen Wut umzugehen, könnte ihn das Modell der Wuttreppe ansprechen. Dieses zeigt auf, dass die Wut in Stufen kommt und regt die Elternteile an, zu reflektieren, auf welcher Stufe ein Ausstieg gesucht werden muss, damit man nicht explodiert und es nicht zu einer Gewaltanwendung kommt.

Bislang handelte es sich bei den Teilnehmenden von Patrizia Lugers Kursen nicht um Eltern, die bereits Gewalt gegen ihre Kinder angewendet haben, sondern um solche, welche den Kurs als Präventivmassnahme besuchen. «Die meisten Eltern, mit denen ich in Kontakt komme, sind sehr reflektierte Menschen, die mit ihren Kindern manchmal an ihre Grenzen stossen – was völlig normal ist», sagt Luger. 

Sie gibt die Kurse für Eltern von 3- bis 10-Jährigen. In dieser Zeit würden die Mütter und Väter vor allem der Umgang mit der Autonomiephase, dem Missachten von Regeln, den eigenen Bedürfnissen und der eigenen Wut interessieren. 

Zwei Elternteile berichten:

«Als Eltern kommt man früher oder später an den Anschlag. Meine Frau und ich wollten im Kurs Hilfsmittel und Werkzeuge kennenlernen, die uns helfen, besser mit schwierigen Situationen umzugehen», erzählt ein Vater von zwei 3- und 5-jährigen Buben. Eine andere ehemalige Kursteilnehmerin sagt: «Ich bin im Alltag immer wieder angestanden und habe mich anders verhalten, als ich es mir vorgenommen habe.» Sie habe zwar klare Vorstellungen davon gehabt, wie sie mit ihren Kindern umgehen möchte – «In der Praxis ist mir das häufig nicht gelungen», sagt sie selbstkritisch.

Sowohl der Vater als auch die Mutter betonen, ihre Kinder noch nie geschlagen zu haben. Jedoch seien sie schon grob und laut geworden und dann ab sich selbst erschrocken. «Im Kurs habe ich gelernt, mir rechtzeitig ein Time-Out zu nehmen und mich aus der Situation rauszunehmen, bevor es eskaliert», sagt der Vater. Geholfen habe ihm unter anderem die Erkenntnis, dass ein Kind manchmal aufgrund seines Entwicklungsstandes nicht anders reagieren kann, er als Erwachsener hingegen schon. Genau diesen Perspektivenwechsel – die Situation aus dem Blickwinkel des Kindes zu betrachten – empfand auch die Mutter von einem 6- und einem 10-jährigen Kind als hilfreich. Sie habe dadurch etwa realisiert, dass es die Kleinen überfordert, wenn sie unzählige Regeln zum Verhalten am Esstisch aufstellt. Heute beschränke sie sich auf einige wenige, an denen sie dafür konsequent festhalte.

Als besonders wertvoll erachten beide ehemaligen Kurs-Teilnehmer den Austausch mit den anderen Eltern. «Es tat gut zu hören, dass es andern genauso ergeht wie mir und auch sie manchmal überfordert sind», sagt die Mutter. Und der Vater meint: «Man sollte als Eltern nicht zu stolz sein, sich Hilfe zu holen.»

Von fei am 18. November 2022 - 18:00 Uhr