Die Tipps fürs ideale Familienzuhause haben wir mit jemandem besprochen, der weiss, was Kinder in ihrer Wohnumgebung brauchen: Adrian Streich hat mit seinem Team schon etliche genossenschaftliche Wohnsiedlungen und Schulhäuser geschaffen, ist selber Vater zweier erwachsener Söhne und spricht beim Architekturforum Ostschweiz zum Thema «Bauen für Kinder».
Beim Planen von Projekten für Familien lässt er sich gerne von seinen Kindheitserinnerungen inspirieren, besonders ans Haus seiner Grosseltern in Kyburg ZH, in welchem sich auch der Dorfladen und Grossvaters Backstube befanden. «Das halbe Dorf ging hier ein und aus, der Dorfpfarrer kam vorbei, die Bauern fertigten in der Backstube ihre Leberwürste», erzählt er. «Als Kind war mir sehr wohl dort, weil immer viel los war, das fand ich spannend.» Daraus leitet der Architekt ab: «Kinder mögen dichtes soziales Leben in einem sicheren, begrenzten Raum, das regt die Fantasie an, und sie fühlen sich geborgen.» Seine Söhne wuchsen in einem vergleichbaren Umfeld auf, in einer Genossenschaftssiedlung mit einem Hof. «Da hielten sich immer viele Kinder verschiedenen Alters auf, sodass unsere Söhne nie auf Ausflüge mitkommen wollten, sie wollten lieber dort bleiben.»
Aufgrund seiner Erfahrungen haben wir mit ihm die folgenden Tipps besprochen.
Auf eine kinderfreundliche Umgebung achten
Das beginnt natürlich schon bei der Planung des neuen Familiennests. Wer Kinder hat (oder eine Familiengründung plant), sollte die Umgebung der neuen Bleibe aus Sicht der Kinder erkunden. Wichtig findet Adrian Streich Freiraum, der zum Wohnumfeld gehört, wo sich Kinder ungestört, aber in einem geschützten Rahmen aufhalten können. Das würde auch der verstorbene Kinderarzt und Autor Remo Largo unterschreiben, der zeitlebens betonte, wie wichtig für Kinder das freie Spielen und der Kontakt zu Gleichaltrigen ist. Ideal sind Siedlungen mit einem Hof oder gemeinsamen Spielplatz, verkehrsarme Wohnstrassen, Nähe zur Natur oder zu Gemeinschaftszentren, Mehrfamilienhäuser, in denen schon Kinder wohnen.
Zentralen Platz zum Spielen einrichten
In der Wohnung brauchen Kinder Platz für ihr kreatives Tun, und sie wollen das nicht hinter verschlossener Türe machen. Wer sein Zuhause mit kleinen Mitmenschen teilt, muss sich auf Gewusel gefasst machen. Man kann ihnen eine Spielecke, ein Spielzimmer oder eine ganze Etage eines Hauses zur Verfügung stellen – am Ende spielen sie je nach Alter eben doch am liebsten dort, wo sich die anderen Familienmitglieder aufhalten. Also gerne auch in der Küche, unter dem Esstisch oder im hübsch hergerichteten Wohnzimmer. Unser Tipp: Eine Spielecke oder ein Spielzimmer möglichst nahe am Tagesgeschehen der Familie, oder zumindest ein paar Abteile in einem Schrank ebenda, damit die Kleinen einige Spielsachen immer griffbereit haben – und im gemeinsam genutzten Wohnbereich trotzdem schnell etwas Ordnung geschaffen werden kann.
Rückzugsorte einrichten
Ebenso wichtig findet es Adrian Streich, dass die Familienmitglieder einen Ort haben, um sich zurückziehen zu können. Am einfachsten gelingt das natürlich, wenn man mehr als eine Etage («Wir hatten im unteren Stock den gemeinsam genutzten Wohnbereich und oben die einzelnen Zimmer», sagt Adrian Streich) oder genügend Zimmer zur Verfügung hat. Aber auch in einer kleineren Wohnung empfiehlt es sich, eine Ruhezone einzurichten.
Herzstück Küche
Müsst ihr euch zwischen verschiedenen Wohnungen entscheiden? Dann nehmt jene mit der grössten Küche, empfiehlt Adrian Streich. «Ein Grossteil des Familienlebens spielt sich dort ab. Am gäbigsten für Familien finde ich offene Küchen», sagt der Architekt. Am besten mit einem grossen Esstisch. «Das war während der Familienzeit mit unseren Söhnen das wichtigste Möbel», erzählt er. «Hier haben wir nicht nur gemeinsam gegessen, der Tisch ist für so vieles zu verwenden, die Kinder haben hier auch ihre Aufgaben gemacht – selbst später, als sie studierten und auswärts wohnten, kamen sie manchmal nach Hause, um am grossen Tisch zu lernen …»
Sich Zeit nehmen zum Ankommen
Auch bei diesem Tipp geht es wieder darum, das Zuhause aus Sicht der Kinder wahrzunehmen. Wir Erwachsenen können uns wohl ziemlich gut vorstellen, wo wir uns in der Wohnung wofür aufhalten werden. Aber wo werden die Kinder am liebsten verweilen? Das zeigt sich erst nach einiger Zeit im neuen Daheim – und es wird sich wohl auch mit den Jahreszeiten und mit dem Alter der kleinen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner verändern. Adrian Streich empfiehlt darum, die Wohnung und vor allem die Räume, die für die Kinder vorgesehen sind, nicht von Anfang an voll auszustatten, eine Wohnung erst zu «erfahren und mit den Kindern gemeinsam anzueignen», wie der Architekt sagt. «Ich mag Räume für Kinder mit einer Art Werkstattcharakter, wo man nicht gleich das Gefühl hat, man könnte etwas kaputt machen.»