Shana Celi, mit welchen Herausforderungen sind Eltern von krebskranken Kindern konfrontiert?
Die Erkrankung eines Kindes hat Auswirkungen auf alle Lebensbereiche der Eltern. Sie werden aus ihrem Alltag und Arbeitsleben herausgerissen und müssen sich neu orientieren. Abgesehen von der Sorge um die Gesundheit des kranken Kindes beschäftigt sie oft auch die Versorgung der Geschwister. Dabei geht es um Emotionales, aber auch um praktische Fragen: Wer betreut die Geschwister, wenn man mit dem kranken Kind im Spital ist? Wie informiert man die Schule, den Arbeitgeber und Freunde?
Wo liegen die grössten emotionalen Schwierigkeiten?
Die Eltern befinden sich in einem Spannungsfeld: Einerseits haben sie Angst um ihr Kind, andererseits möchten sie Sicherheit ausstrahlen und positiv bleiben.
Wie unterstützen Sie die Eltern dabei?
Das ist sehr individuell. Es geht darum, Orientierung zu schaffen, Organisatorisches zu regeln und Strategien zu vermitteln, um Ängste auszuhalten und den Fokus auf Kontrollierbares zu legen. Wir Psychologinnen und Psychologen bemühen uns, die Eltern zu unterstützen, so dass sie in dieser Stresssituation handlungsfähig bleiben. Zudem helfen wir dabei, den Kindern ihre Krankheit und die notwendige Behandlung zu erklären.
Wie tun Sie das?
Zum Beispiel anhand von Bilderbüchern oder Rollenspielen. Dann besprechen wir allfällige Fragen der Kinder. Einige wollen genau wissen, was im Körper passiert, andere beschäftigen sich mit konkreten Fragen hinsichtlich des Alltags. Es kann zum Beispiel darum gehen, ob sie weiterhin in die Schule, die Pfadi oder ins Schullager gehen dürfen. Insbesondere ältere Kinder beschäftigen auch Ängste rund um die Krankheit und die Auswirkungen der Therapie auf ihr Leben und ihr Aussehen. Wichtig ist aber auch, mit den Eltern zu besprechen, wie sie selbst Energie tanken können.
Zum Beispiel?
Meist wissen sie grundsätzlich, was ihnen guttut, verlieren aber durch die Belastung vorübergehend den Bezug dazu. Wir schauen, ob sie gewisse Dinge trotz der schwierigen Situation beibehalten oder reaktivieren können. Einigen tut es etwa gut, spazieren zu gehen oder sich abzulenken, andere widmen sich kreativen Projekten oder treiben Sport. Richtig ist, was sich für die Betroffenen richtig anfühlt.
«Man sollte von der Vorstellung wegkommen, wie man selbst reagieren würde, wenn sein Kind schwer krank wäre – das weiss man schlicht nicht.»
Wie können Angehörige und Freunde den Eltern helfen?
Jede Familie ist anders. Wichtig ist, nicht von eigenen Bedürfnissen auszugehen. Man sollte von der Vorstellung wegkommen, wie man selbst reagieren würde, wenn sein Kind schwer krank wäre – das weiss man schlicht nicht. Deshalb ist es ratsam, offen zu sein für die Bedürfnisse der Eltern und sich nicht aus Sorge, man könnte etwas falsch machen, zurückzuziehen.
Wie meinen Sie das?
Einige Menschen trauen sich womöglich nicht, die Eltern direkt auf ihre Situation anzusprechen. Dabei wäre es wichtig, sie zu fragen: Was braucht ihr? Oft wissen die Eltern darauf nicht sofort eine Antwort. Dann könnte man ein konkretes Angebot machen. Zum Beispiel, dass man für die Familie einkaufen geht, kocht, oder einen Fahrdienst erledigt. Ich weiss von einer Familie, die ihre Wäsche einer Freundin abgeben durfte. Solche praktischen Dinge erleichtern den Alltag. Eine andere Idee wäre, Blumen vor der Haustüre zu deponieren, um zu zeigen, dass man gedanklich bei der Familie ist.
«Tipps und Ratschläge können verunsichernd wirken.»
Was ist weniger hilfreich?
Den Eltern Tipps und Ratschläge zu geben. Das ist bestimmt gut gemeint, kann aber verunsichernd wirken. Die Eltern sind bereits sehr gefordert und haben oft keine Kapazität, sich mit noch mehr Informationen zu befassen.
Wie sollte man betroffenen Familien begegnen?
Von vielen Familien hören wir, dass eine gute Mischung von Anteilnahme und positiver Haltung als hilfreich erlebt wird. Familienmitgliedern offen und wertfrei zu begegnen, kann beispielsweise heissen, zu akzeptieren, dass das Geschwisterkind am Mittagstisch nicht über Belastendes reden will. Stattdessen könnte man mit ihm etwa über seine Wünsche für den nächsten Geburtstag sprechen. Die meisten Familien schätzen es, wenn ihnen durch Angehörige auch mal Gelegenheit für unbeschwerte Alltagsmomente und gemeinsames Lachen geboten wird. Wichtig ist ausserdem ein Bewusstsein dafür, dass die Anspannung und Belastung bei den Eltern nach dem Ende der onkologischen Therapie weiterhin hoch bleiben. Oft zeigt sich erst dann die Erschöpfung durch die Strapazen der vergangenen Monate. Zudem kann sich eine Angst vor einem möglichen Rückfall entwickeln. Für Kinder ist es meist einfacher, das Erlebte hinter sich zu lassen.
Die Mission der Stiftung Sonnenschein ist es, krebskranke Kinder und deren Familien in dieser schwierigen Lebenslage zu unterstützen, zu entlasten und ihnen Freude zu schenken. Das Angebot der Stiftung umfasst unter anderem die Durchführung von Anlässen für betroffene Familien, finanzielle Soforthilfe in Notlagen sowie die Bereitstellung von Elternzimmern im Universitäts-Kinderspital Zürich. Die Stiftung finanziert sich durch Spenden.
www.sonnenschein.ch