Das Elterndasein kommt mit ein paar hübschen Nebenwirkungen. Abgesehen von der Angst um den Nachwuchs, dem schlechten Gewissen und der generellen Müdigkeit sieht man sich spätestens nach fünf bis acht Jahren noch mit dieser tollen Botschaft konfrontiert: «Du bist soooooo uncool». Das sitzt. Immerhin dachte man sich in seiner grenzenlosen Naivität, dass man es besser könnte, als all die überbesorgten Eltern, die ihre Kleinen mit allerhand multifunktionaler Funktionsbekleidung als Bergsteiger verkleidet in die Welt entsenden.
Dann ist es plötzlich Herbst. Und man ertappt sich dabei, dem Kind an der Türschwelle das ästhetisch fragwürdige Fleece-Jäckchen dringlichst aufzudrängen. Es könnte ja frieren. Das Kind ist «not amused». Es hat sich bei der Kombination von schwarzer Sporthose mit schwarzem Skater-Hoodie ja etwas überlegt. Es zieht kopfschüttelnd von dannen und murmelt DIE vier Worte: «Du bist so uncool».
Boom. Das kratzt am Ego. Denn wie vermutlich alle Eltern hat man sich ja vorgenommen, schon früh als Kind, aber spätestens als Teenager, dass man NIE so wird wie die eigenen Eltern. Seine eigenen Kinder bei den Hausaufgaben nie mit eloquenten Plattitüden à la «erst die Arbeit, dann das Vergnügen» malträtiert und die Kinder ihre eigenen Entscheidungen treffen lässt. Schliesslich hatte man ja ein Vorleben zum Elterndasein, hat Feste gefeiert, sich gegen die Eltern aufgelehnt und alles besser gewusst.
Vielleicht ist es genau diese Erkenntnis, die wurmt: Als Eltern merken wir – wir haben es halt doch nicht besser gewusst, damals, als ausschlafen bis zum Mittag noch möglich war. Wir sind jetzt unsere Eltern. Es gibt sie, diese Momente im Leben mit Anfang 40, in denen man sich plötzlich steinalt fühlt. Etwa am 40. Geburtstag von Macaulay Culkin, oder dann, wenn Menschen so Mitte 20 dich plötzlich siezen und dir nichts Besseres einfällt, als zu kontern «sag mir doch du, sooo alt bin ich noch nicht».
Der grosse Unterschied zu früher? Die Verantwortung für diese kleinen Wesen. Die Angst und Sorge um diese kleinen Wesen. Da macht es bei Kälte halt einfach Sinn, das Unterhemd aus Seiden-Wolle-Gemisch unters T-Shirt zu ziehen (die Nieren!) oder auf dem frischen Gemüse zu bestehen («du bist noch im Wachstum»). Verantwortung «is a bitch», wie das grosse Kind es vermutlich formulieren würde.
Genauso wie es Lebensabschnittspartner (furchtbares Wort eigentlich) gibt, gibt es eben auch Lebensabschnitts-Selbstbilder (falls es dieses Wort noch nicht gibt, sollten wir es sofort erfinden. Nur schon wegen der vielen Buchstaben). Als junge und jüngere Menschen müssen wir uns austoben. Die Verantwortung für unser Tun tragen bis zu einem gewissen Grad andere. Das heisst dann Adoleszenz oder Selbstfindung.
Im nächsten Abschnitt übernehmen wir zwangsläufig mehr Verantwortung für unser Leben, schaffen Grundlagen und bauen unsere Existenz auf. Das peakt dann quasi im Elterndasein – wir trauen uns die Verrücktheit zu, die komplette Verantwortung für andere zu übernehmen, die ohne uns nicht durchkämen (nehmt das Kinder, ohne uncoole Eltern gehts halt auch nicht!).
Und damit entern wir die Phase der Akzeptanz und holen uns Unterstützung vom «Urban Dictionary». Dort wird «uncool» als die Fähigkeit beschrieben, sich selbst treu zu bleiben und ohne Rücksicht auf das, was «man» eigentlich macht, gegen den Strom zu schwimmen. Der Strom besteht zur Not aus einem skeptischen 8-Jährigen und einer kritischen 5-Jährigen. Wir stemmen uns mutig dagegen, wedeln weiterhin mit fragwürdigen Fleece-Jacken, stellen morgens leicht passiv-aggressiv die wasserdichten Schuhe bereit und packen halbwegs vollwertige Znüni-Snacks in die Tasche.
Denn unser aktuelles Lebensabschnitts-Selbstbild definiert Coolness nicht mehr darüber, ob wir die «richtige» Musik hören, die «richtigen» Klamotten tragen oder generell gegen das «Establishment» sind. Coolness bedeutet, Verantwortung auszuhalten. Und das tun wir Eltern. 24/7.