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Expertin Sarah Steiner

«Vereinbarkeit muss man sich leisten können»

Finanzielle Themen belasten Familien immer noch am meisten. Allen voran: Steigende Krankenkassenprämien, Inflation und Wohnkosten. Viele Eltern stehen auch bezüglich der Vereinbarkeit von Job und Familie unter Druck, das zeigt das Familienbarometer 2025. Sarah Steiner ist Expertin für Familienfreundlichkeit und hat Lösungsansätze.

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<p>Sarah Steiner ist CEO und Co-Gründerin von Tadah.</p>

Sarah Steiner (41) ist CEO und Mitgründerin von Tadah, einem Start-up, das die Schweiz familienfreundlicher machen will. Kernstück des seit 2019 tätigen Unternehmens ist ein Co-Working-Space in Zürich, der flexible Arbeitsplätze, Meetingräume und Kinderbetreuung anbietet. Steiner lebt mit ihrem Partner und ihrer Tochter (10) in Zürich.

Maedy Georgusis Photography

Vier von fünf Elternteilen in der Schweiz (79 Prozent) fühlen sich unter Druck. Vor allem durch den Vereinbarkeitsstress, aber auch durch eigene und gesellschaftliche Erwartungen. Wie das Familienbarometer 2025 zeigt, ist der Druck bei 21 Prozent der Eltern so gross, dass das Familienleben darunter leidet. Wie man Druck rausnehmen kann, weiss Sarah Steiner (41), CEO von Tadah, einem Start-up rund um das Thema Familienfreundlichkeit.

Sarah Steiner, Eltern stecken in der Zwickmühle: Für ein besseres Familienleben wünschen sie sich mehr Freizeit und mehr Geld. Beides kann man nicht haben, oder?

In einer perfekten Welt haben wir viel Zeit für unsere Kinder und gleichzeitig Millionen auf dem Konto. Das entspricht aber oft nicht der Realität. Allerdings ist es ja nicht so, dass man möglichst viel Zeit mit den Kindern verbringen muss, um eine gute Zeit mit ihnen zu haben.

Nicht?

Nein, mehr Zeit mit dem Kind ist nicht unbedingt besser. Das muss aber jede Familie für sich definieren. Ich persönlich finde nicht, dass ich zu wenig Zeit mit meiner Tochter habe. Aber weil ich nicht so viel Zeit mit ihr habe, überlege ich viel besser, was ich in dieser Zeit mit ihr mache.

Wie sieht Ihr Familienmodell aus?

Mein Partner arbeitet Vollzeit, hat aber die Möglichkeit, 50 Prozent im Homeoffice zu arbeiten, und kann so auch mal einspringen, um Zmittag zu machen. Ich bin selbständig erwerbend und arbeite quasi immer (lacht). Ich bin aber auch extrem flexibel. Meine Mutter unterstützt uns dreimal in der Woche. Wichtig ist für uns Kommunikation und Planung. Als Paar muss man auch die Erwartungen offen formulieren: Wie viel möchten wir je arbeiten, was ist richtig für uns als Familie und für unser Kind?

«Viele Eltern arbeiten hochprozentig, weil sie sonst die Lebenshaltungskosten nicht decken können.»

Sarah Steiner

Nicht alle können so frei entscheiden: Fast jede zweite Familie denkt aufgrund der finanziellen Situation über eine Erhöhung des Erwerbspensums nach.

Vereinbarkeit ist tatsächlich etwas, was man sich leisten können muss. Viele Eltern arbeiten hochprozentig, weil sie sonst die Lebenshaltungskosten nicht decken können.

In jeder fünften Familie ist der Druck so gross, dass das Familienleben beeinträchtigt ist.

Das erstaunt mich nicht. Der Spagat, den man macht, ist ab und zu schmerzhaft. Eine Studie hat gezeigt, dass die Schweiz bei den elterlichen Burnouts in den Top 10 rangiert, weil die Doppelbelastung so gross ist. Aber ich habe das Gefühl, das ändert sich gerade ein bisschen.

Familienbarometer 2025

Das Familienbarometer ist eine jährlich erscheinende, repräsentative Studie von Pro Familia Schweiz und Pax. Es beleuchtet die Situation von Familien in der Schweiz. 2025 zeigt sich: Trotz hoher Zufriedenheit mit dem Familienleben stehen viele Familien unter erheblichem Druck.

Finanzielle Sorgen dominieren:
45 Prozent der Befragten geben an, dass steigende Krankenkassenprämien das Haushaltsbudget belasten. Das sind nur zwei Prozent weniger als vor einem Jahr. An zweiter Stelle steht mit 39 Prozent die Inflation, das sind zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Mit 29 Prozent beschäftigt ein knappes Drittel der befragten Familien das Thema Gesundheit, mit 24 Prozent gut ein Viertel das Thema Wohnkosten.

Veränderte Sorgenlage:
Der Umgang mit Medien und Social Media beschäftigt mittlerweile ein Fünftel der Familien stark. Dagegen verlieren Themen wie Klima- und Umweltschutz sowie Energieversorgung und -sicherheit an Bedeutung.

Regionale Unterschiede:
Eltern beschäftigen je nach Region unterschiedliche Themen. In der Deutschschweiz sorgt sich fast ein Drittel der Familien um das Schulwesen und die Bildungspolitik. In der Romandie steht bei rund 20 Prozent die Sorge um Jugendgewalt im Fokus.

Wünsche der Familien: Die drei meistgenannten Faktoren, die das Familienleben verbessern könnten, sind seit 2023 nahezu konstant: Über die Hälfte der Familien nennt an erster Stelle immer noch «mehr finanzielle Ressourcen», gefolgt von «mehr Freizeit mit der Familie» und «ein tieferes Stressniveau». 

Mehr dazu unter diesem Link: «Eltern unter Druck: Zu wenig Geld und Zeit für die Kinder»

Inwiefern?

Die Gen Z äussert ihre Ansprüche fordernder. Und viele Themen sind nicht mehr tabu: Psychische Gesundheit oder auch die Herausforderungen des Elterndaseins werden heute offener diskutiert. Wir müssen aber noch einen viel ehrlicheren Dialog führen, viel ehrlicher zu uns selber sein: Das Bild von der perfekten Familie oder dem perfekten Mami dürfen wir getrost hinter uns lassen.

Welchen Hebel haben Eltern, um selber Druck herauszunehmen?

Man sollte immer abwägen, was jetzt wirklich nötig ist und gemacht werden muss und was man sich selbst auferlegt.

Wie Cupcakes für die ganze Klasse zu backen?

Genau. Kindern ist es nämlich egal, ob der Kuchen selbst gemacht ist.

Aber die Erwachsenen registrieren, wenn man einen gekauften Kuchen bringt.

Aber ihnen geht es ja genau gleich. Jemand muss damit anfangen. Deshalb: Mut zur Lücke!

«Im öffentlichen Raum empfinde ich die Schweiz häufig nicht als familienfreundlich.»

Sarah Steiner

Welche zentrale Botschaft vermitteln Sie Unternehmen, die Sie zum Thema Vereinbarkeit beraten?

Gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels ist es unglaublich wichtig, sich Familienfreundlichkeit auf die Fahne zu schreiben. Wenn Arbeitnehmende spüren, dass diese Kultur wirklich gelebt wird, dass also zum Beispiel auch Teilzeitler befördert werden oder dass man sich nicht erklären muss, wenn man wegen der Kita nicht schon um Viertel vor acht an einer Sitzung teilnehmen kann, dann bleiben sie im Unternehmen und gehen auch die Extrameile.

Ihr Co-Working-Space geht neue Wege: Unten ist die Kinderbetreuung, oben arbeiten die Eltern.

Das ist ein Beispiel, wie ein familienfreundlicher Raum aussehen kann. Im öffentlichen Raum empfinde ich die Schweiz häufig nicht als familienfreundlich. Schauen Sie sich mal Spielplätze an: Oft hat sich niemand Gedanken gemacht, dass sich dort auch Erwachsene aufhalten. Sobald man Räume schafft, die für Familien gedacht sind, werden diese automatisch Teil der Gesellschaft. Und das sind sie ja auch.

Wir haben jetzt viel über Probleme gesprochen. Aber im Familienbarometer kommt auch zum Ausdruck: Mehr als drei Viertel der Familien sind mit ihrem Familienleben zufrieden oder sehr zufrieden.

Das finde ich schön und richtig. Es ist letztlich ein Privileg, eine Familie zu haben und ein Kind beim Aufwachsen zu begleiten. Insofern tut es gut, einen Schritt zurückzunehmen und Dankbarkeit zu empfinden, aller Schwierigkeiten und Herausforderungen zum Trotz. Je mehr Leute in unserer Gesellschaft darauf hinwirken, die Schweiz familienfreundlicher zu machen, desto eher kann ein Wandel passieren.

Von Karen Schärer am 20. März 2025 - 18:00 Uhr