Trennt sich ein Elternpaar, will es seine Kinder wenn möglich vor Schmerz und Stress beschützen. Ganz gelingt dies jedoch in kaum einem Fall – und das ist laut Sabine Brunner vom Marie Meierhofer Institut MMI für das Kind völlig normal.
Denn auch für Kinder entsteht durch die Trennung der Eltern eine neue Situation, die viele innere Prozesse auslöst. Manche Kinder hegen Schuldgefühle, andere widersprüchliche Wünsche, viele haben offene Fragen, was ihre neue Lebenssituation angeht. Es sei wichtig, dass Eltern diese Themenvielfalt bewusst wahrnehmen. So können sie einen der häufigsten Fehler vermeiden, der nach Trennungen passieren kann: Dass der Fokus auf dem elterlichen Konflikt liegt statt auf dem Wohl des Kindes.
«Wir sind sehr unglücklich damit, dass Kinder nach einer Trennung oft nur wegen des Loyalitätskonflikts im Fokus stehen», sagt Sabine Brunner vom Marie Meierhoferinstitut für das Kind nach einer entsprechenden Interview-Anfrage von schweizer-illustrierte.ch. Der Anspruch, diesen komplett zu vermeiden, sei zwar ehrenwert aber auch utopisch.
«Ich finde, es ist zu erwarten, dass jedes Kind sich zwischendurch in einem Loyalitätskonflikt befindet, nicht nur, wenn seine Eltern getrennt sind. Natürlich sollte man versuchen, solche Situationen zu vermeiden. Aber wenn man nur noch darauf fokussiert, verliert man den Blick für die Sorgen und Interessen des Kindes.» Denn ein Kinderleben besteht, so viel ist klar, nicht nur aus der Trennung der Eltern, sondern auch aus Kindergarten, Schule, Freundeskreis und Hobbies.
«Eltern sollten darauf achten, ihren Konflikt nicht in den Vordergrund zu stellen, sondern beim Kind zu bleiben.»
Sabine Brunner, MMI
Laut Brunner ist es wichtig, dass (nicht nur) getrennte Eltern versuchen, die Situation des Kindes ganzheitlich zu erfassen. «Es ist wichtig, dass wir sehen, dass eine Trennung eine Vielfalt von inneren Konflikten beim Kind auslösen kann. Der Loyalitätskonflikt ist nur einer davon.»
Zwar sollten Eltern diesen Aspekt nicht ignorieren, ihn jedoch auch nicht in den Vordergrund stellen. Stattdessen gilt es, alle Bedürfnisse der Kinder zu erfassen, indem man sich ihnen immer wieder widmet und ihnen zuhört.
Gleichzeitig können die Erwachsenen auf Elternebene immer wieder daran arbeiten, Spannungen aufzulösen. Die Fünf einmal gerade sein lassen, wie die Expertin sagt, bei Problemen schnell wieder einen normalen Umgang finden. So können Sie ihren Kindern nach einer Trennung am meisten Stress ersparen. «Das ist eine schwierige und lange Arbeit. Und manchmal kann es sinnvoll sein, dass man sich in diesem Prozess professionell begleiten lässt.»