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Corona-Lockdown

Was für Schulschliessungen spricht – und was dagegen

Die Corona-Pandemie hat die Schweiz fest im Griff. Bald könnten weitere Massnahmen den Lockdown verschärfen. Dabei beschäftigt und polarisiert eine Frage besonders: Sollen die Schulen dicht machen oder nicht? Wir listen die Vor- und Nachteile auf.

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Schulschliessung

Schulen zu Schliessen ist eine schwierige Entscheidung, denn es sprechen genauso gewichtige Gründe dafür, wie dagegen.

Getty Images/Westend61
Argumente gegen mögliche Schulschliessungen

So sehr einige Familien den ersten Schullockdown im Frühjahr 2020 genossen haben, weil sie endlich mehr Familienzeit geniessen konnten und weniger Termin- und Leistungsdruck verspürten –ganz so supertoll und sorgenfrei war die Zeit des Fernunterrichts leider nicht für alle. Vor allem nicht für alle Kinder.

«Wir haben festgestellt, dass rund ein Drittel der Schüler im Fernunterricht im Frühjahr wenig bis nichts gelernt hat. Dieser Umstand hat uns grosse Sorgen bereitet», sagt die oberste Lehrerin der Schweiz, Dagmar Rösler.

Häusliche Gewalt

Viele Kinder litten im ersten Lockdown unter einer Zunahme der häuslichen Gewalt.

Getty Images/EyeEm

Und nicht nur das. Die häusliche Gewalt hat gegen Ende des ersten Lockdowns massiv zugenommen. «Während des ersten Lockdowns gingen die Meldungen häuslicher Gewalt zunächst zurück», sagt Christoph Erdös von der Opferhilfe Zürich zu «20 Minuten». Das habe sich jedoch nach ein paar Wochen geändert. «Seit Juni haben wir knapp 30 Prozent mehr Betroffene, die sich bei uns melden.» Gerade in diesem Bereich können Lehrpersonen und Schulsozialarbeitende betroffenen Kindern aus der Ferne viel weniger direkte Hilfe anbieten. Ein Argument, das deutlich gegen Schulschliessungen spricht – vor allem in der Grundschule.

Schliesslich stellt der Fernunterricht viele Eltern vor eine schier unlösbare Aufgabe: Wer betreut nun die Kinder während der Arbeit? Eltern, die nicht im Homeoffice arbeiten, können mit der Organisation einer Kinderbetreuung während einer Schulschliessung komplett an den Anschlag geraten. Vor allem, wenn die Grosseltern für Hüeti-Einsätze nicht zur Verfügung stehen. Eltern, die von Zuhause aus berufstätig sein können, müssen die Doppelbelastung aus Homeoffice und Fernunterricht irgendwie stemmen. Ein Zustand, der in vielen Familien zur Überforderung führt und damit letztlich den Kindern schadet.

Was für gernerelle Schulschliessungen spricht

Nun, in erster Linie, dass sie wohl tatsächlich helfen würden, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Mehrere Studien haben belegt, dass die Rolle von Kindern bei der Verbreitung des Coronavirus bislang unterschätzt wurde.

Die neueste Untersuchung der ETH Zürich kommt zum Schluss, dass Schulschliessungen zu den drei effektivsten Massnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie gehören. Ins gleiche Horn bläst eine Studie der Universität Oxford, die als die drei wirksamsten Massnahmen festhält: Kontaktbeschränkungen, Schulschliessungen und Schliessung von Geschäften im Einzelhandel. Weniger effektiv sind laut dieser Untersuchung Versammlungsverbote oder die Schliessung von Restaurants, Fitnessstudios, Clubs und Kinos.

Coronatest

Studien zeigen: Die Dunkelziffer der nicht entdeckten Corona-Infektionen ist bei Kindern hoch.

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Bereits im Herbst konnten Forscher aus den USA nachweisen, dass positiv auf das Coronavirus getestete Kinder viel ansteckender sind, als bislang vermutet. In jedem zweiten Haushalt, in dem ein Kind am Coronavirus erkrankt war, steckte sich in der Folge mindestens ein Familienmitglied mit Covid19 an. Das Ansteckungsrisiko sei bei Kindern unter zwölf Jahren höher als bei Teenagern – was wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass sich kleinere Kinder weniger gut isolieren lassen.

Nicht zuletzt ist bei Kindern die Dunkelziffer der asymptomatischen Covid-Ansteckungen besonders hoch. Der Verein «Bildung Aber Sicher» listet in einem offenen Brief an die Landesregierung weitere Untersuchungen und Forschungsergebnisse auf, die ihre Forderungen nach einer Schulschliessung stützen.

Kind im Hallenbad

Noch mindestens bis Ende Februar bleiben Freizeitanlagen wie Hallenbäder in der Schweiz per Bundesratsentscheid geschlossen.

Getty Images

Gerade Eltern, die zur Risikogruppe gehören, bereiten diese Studienergebnisse grosse Sorgen. In den Sozialen Medien fordern immer mehr Mütter und Väter eine Schulschliessung aus Angst vor einer Ansteckung.

Ein nicht ganz so heftig diskutiertes Argument, das unserer Meinung nach aber auf die Dauer ins Gewicht fällt: Halbherzige Massnahmen dehnen die Auswirkungen der Pandemie auf die Kinder unnötig in die Länge. Bereits ohne Schulschliessungen ist das Leben der Kinder seit Monaten massiv eingeschränkt. Mindestens bis Ende Februar sind alle Freizeit- und Kulturanlagen geschlossen. Keine Museen, keine Hallenbäder, kein Kino, keine grossen Geburtstagspartys. Die Liste ist lang. Und sie beginnt, sich für viele Kinder bedrückend anzufühlen.

Was ist denn nun schlimmer: Hartes Durchgreifen über einen kürzeren Zeitraum oder halbherzige Massnahmen über einen längeren Zeitraum? Das ist eine berechtigte Frage, auf die es bislang keine Antwort gibt. 

Wieso kommt nicht endlich der Mittelweg?

Wer die Diskussionen verfolgt, fragt sich unweigerlich: Gibt es keinen Mittelweg? Doch, den gäbe es.

Vorstellbar wäre, nur SchülerInnen ab der Oberstufe in den Fernunterricht zu schicken. Denn verschiedene Studien weisen darauf hin, dass vor allem die verringerte Mobilität zu einer Verbesserung in der Pandemiesituation führt. Und vor allem Jugendliche und junge Erwachsene haben einen längeren Schulweg, für den sie oft auch öffentliche Verkehrsmittel nutzen müssen.

Durch gestaffelte Unterrichtszeiten könnten grosse Infektionsherde vermieden werden – etwa morgens im Bus, wenn sich die SchülerInnen dicht an dicht drängen, weil alle gleichzeitig in der Schule sein müssen.

Denkbar wäre auch Halbklassenunterricht, das Aussetzen kurzzeitig nicht relevanter Fächer wie Sport und ein besserer Schutz der Lehrpersonen durch drastischere Schutzkonzepte.

Noch eine Idee haben wir. Zugegeben, sie tönt ein bisschen verwegen, sie würde jedoch zu einer Win-Win-Situation führen, denn davon würden Familien, denen der Lockdown gut getan hat, ebenso profitieren, wie sie Kinder schützen würde, für die der erste Lockdwon Leid bedeutet hat. Haltet euch fest: Wieso nicht den Eltern, die sich das Homeschooling zutrauen und zeitlich leisten können, die Möglichkeit geben, bis zu den Frühlingsferien ihre Kinder zuhause zu unterrichten?

Von KMY am 20. Januar 2021 - 06:09 Uhr