Für viele junge Schweizerinnen und Schweizer spielt die Kirche – ausser vielleicht zu Weihnachten und Ostern – im Alltag keine grosse Rolle mehr. Bis sie ein Baby bekommen und sich plötzlich fragen: Sollen wir es taufen lassen? Dass immer mehr Eltern diese Frage mit «Nein» beantworten, zeigen die Statistiken des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts SPI in St. Gallen. In den vergangenen zwanzig Jahren ist die Zahl der Taufen in der katholischen Kirche in der Schweiz um ein Drittel zurückgegangen. Jene Eltern jedoch, die der Kirche angehören, lassen ihre Kinder noch mehrheitlich taufen. Im Jahr 2017 wurden in den Schweizer Bistümern knapp 19 000 Personen getauft.
Noch stärker war die Abnahme bei den evangelisch-reformierten Kirchen. Im Jahr 2017 gab es noch knapp 12 000 reformierte Taufen, nicht einmal halb so viel wie im Jahr 1990.
Dave Jäggi, freischaffender evangelischer Theologe und Gründer der Plattform www.deinpfarrer.ch, hat in seinem Berufsalltag auch beobachtet, dass viele Eltern, die sich zuerst unsicher sind, schliesslich für eine Taufe entscheiden – auch dann, wenn sie sonst kaum noch einen Bezug zur Kirche haben. «Ich denke, ein wichtiger Grund dafür ist ein gewisses Traditionsbewusstsein. Viele wollen die grossen Lebensübergänge noch mit einem christlichen Ritual begehen. Und vielleicht spielt auch der Glaube mit, dass wenn ein getauftes Kind sterben würde, es in den Himmel käme.» Zudem sei eine Taufe ein guter Anlass für eine schöne Feier mit Verwandten – auch fürs Fotoalbum. «Aber der Aspekt des Glaubens an etwas Höheres, unter dessen Schutz sie das Kind stellen wollen, spielt bei den meisten Eltern schon auch mit», sagt der Theologe. «Sonst könnten sie ja statt der Pfarrerin auch einfach den Götti für eine Rede anfragen…»
Auch Pfarrer Jäggi bietet Alternativen zu einer Taufe in der Kirche an. Sein buntes Team aus einer Theologin und Theologen, die einst als Kaufmann, Polizist oder Hochbauzeichner gearbeitet haben, begleiten Menschen in grossen Momenten des Lebens wie einer Heirat, dem Beginn einer neuen Arbeitsstelle oder eben nach der Geburt eines Babys – immer dann, wenn Fragen nach dem Sinn des Lebens aufkommen. Und dies ganz unkonventionell zu «Flatrates». «Die meisten Anfragen haben wir für Trauungen, aber manchmal eben auch für Baby-Segnungen von Eltern, die nicht in eine Kirche wollen.»
Da die Taufen den Kirchgemeinden vor Ort vorbehalten sind, bietet er mit seinem Team als Alternative eine Segnung an als eine Art feierliche Begrüssung für das Baby. «Eine Segnung kann eigentlich jede Christin, jeder Christ vornehmen, nicht nur ein Pfarrer. Wir bitten damit um den Schutz Gottes.» Durch eine Taufe gehört ein Baby der christlichen Kirche an, durch eine Segnung nicht – es kann also später selber entscheiden, ob es einer Kirche beitreten will. «Uns ist aber der Glaube wichtig», sagt Dave Jäggi, «wir sind nicht nur eine Deko fürs Foto.»
Ähnlich wie bei einer Taufe nimmt Pfarrer Jäggi oder jemand von seinem Team bei einer Segnung das Kind zu sich, betet über ihm und macht ihm als sichtbares Zeichen mit Öl ein Kreuz auf der Stirn. «Je nach Wunsch der Eltern sprechen wir noch zu einem bestimmten Thema und erklären, was der Segen bedeutet.»
Viele Unschlüssige, die mit Pfarrer Jäggi über eine allfällige Segnung ihres Babys sprechen, entscheiden sich am Ende aber doch noch für eine Taufe in der Kirche. «Bei ihren Kindern scheinen viele auf Nummer sicher gehen zu wollen», sagt Dave Jäggi.
Unabhängig davon, ob sie Mitglied einer Kirche sind oder nicht – irgendwann wollen die Kleinen ohnehin wissen, warum wir Ostern feiern und was es mit dem Christkind auf sich hat. Spätestens dann ist die Kirche auch bei den Eltern wieder ein Thema.
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