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  4. Der Sohn von Yonni Moreno Meyer bleibt ein Einzelkind: Psychologe Jürg Frick über Einzelkinder und Geschwisterpositionen
Vorurteil Einzelkind – was ist dran?

«Wichtig ist, dass sich Eltern nicht unter Druck setzen lassen»

Ihr Bub bleibe ein Einzelkind, sagt Yonni Moreno Meyer – und stösst damit bei einigen Eltern auf Unverständnis: «Das Könnt ihr doch nicht machen, Kinder brauchen doch Geschwister!» Wir haben den Psychologen Jürg Frick gefragt: Brauchen sie das wirklich?

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Eltern mit Tochter ziehen fröhlich durch Stadt

Fröhliche Einkindfamilie: Nicht die Anzahl Geschwister entscheidet über das Glück eines Kindes, sondern vielmehr die Lebenssituation der Familie, meint unser Experte. (Symbolbild)

Getty Images

Die News über ihre Familienplanung erzählte «Pony M.» alias Yonni Moreno Meyer, 38, gemeinsam mit ihrem Ehemann Momo in einer ihrer «Pischi-Lesungen». Im Livestream auf ihrem Facebook-Kanal erzählten die beiden dann auch gleich, dass sie mit ihrem Entscheid, dass ihr Babysohn keine Geschwister bekommen würde, manchmal auf Unverständnis stossen. Im Interview mit schweizer-Illustrierte.ch nimmt der Psychologe und Experte für Geschwisterbeziehungen, Jürg Frick, Stellung dazu.

Warum gibt es immer noch diese negative Einstellung und Vorurteile gegenüber Einzelkindern?
Ein Teil der Vorurteile ist wohl historisch bedingt, da Kinder früher meist in grösseren Familien aufgewachsen sind. Erst durch die Pille und mehr berufstätige Mütter verringerte sich in vielen Familien die Zahl der Kinder. Warum jemand solche Vorurteile hat, hängt aber auch stark von seiner eigenen Lebenssituation und Erlebnissen ab. Klar ist: Von der Psychologie her gibt es keine Gründe, warum ein Kind unbedingt mit Geschwistern aufwachsen sollte. Eltern brauchen also nicht generell mehrere Kinder zu produzieren, damit ihr Erstgeborenes nicht traumatisiert wird … (lacht)


Gibt es aber dennoch Vor- oder Nachteile für Kinder, die ohne Geschwister aufwachsen?
Das kann man nicht generell sagen, das kommt auf die individuelle Familiensituation an. Ein Vorteil könnte zum Beispiel sein, dass einem einzelnen Kind mehr Ressourcen zur Verfügung stehen. Ein Nachteil, dass die Erwartungen auf ein Kind zentriert sind. Eltern mit mehreren Kindern verteilen diese auf verschiedene Projektionsträger. Die Vor- und Nachteile verschiedener Familienkonstellationen hängen stark von der Lebenssituation der Eltern ab. Sie sollten sich schon bei der Familienplanung bewusst machen, was für sie selber passt, und die Bedingungen schaffen, in denen ihre Kinder gut aufwachsen können – ob allein oder mit Geschwistern.


Aus welchen Gründen entscheiden sich denn Eltern, die bewusst nur ein Kind wollen, gegen weitere Kinder?
Manchen passt die Familiensituation mit einem Kind einfach so, andere entscheiden sich wegen Schwierigkeiten rund um die Geburt gegen ein weiteres Kind, da gibt es verschiedenste Gründe. Wichtig ist, dass sich Eltern nicht unter Druck setzen lassen. Wenn es für sie mit einem Kind passt, ist das gut so. Sie allein müssen entscheiden.


Was sollten Eltern eines Einzelkinds speziell beachten?
Wichtig ist gerade bei Einzelkindern, ihnen früh Kontakt zu anderen Kindern zu ermöglichen, dass sie auch mal bei einer anderen Familie essen oder übernachten dürfen und eine Spielgruppe besuchen. Die Eltern sollen ihrem Kind Brücken bauen, damit es zu anderen Menschen Beziehungen aufbauen und Vertraute finden kann. Manche Einzelkinder lernen früh, Verantwortung zu übernehmen, sich selber zu beschäftigen. Es kann aber gerade auch das Gegenteil der Fall sein, da sie sich gewohnt sind, immer die ganze Aufmerksamkeit der Eltern zu bekommen. Und bei Beziehungsproblemen oder einer Trennung der Eltern kann ein Einzelkind in eine Art Partnerrolle oder Elternrolle rutschen, man nennt letzteres Parentifizierung.


Wie äussert sich diese?
Wenn das Kind zum Beispiel bei der Mutter lebt und diese gewisse Probleme statt wie bis anhin mit dem Partner nun mit dem Kind bespricht. Dies kann das Kind überfordern. 


Wie lässt sich dies vermeiden?
Wichtig ist, sich dessen bewusst zu werden, und zu versuchen, die eigenen Bedürfnisse statt beim Kind bei jemand anderem zu befriedigen. Ein Beispiel: Das Outfit vor dem Ausgehen nicht vom zwölfjährigen Sohn absegnen lassen, sondern von einer Freundin. Und damit dem Kind seine Kinderrolle lassen.

Yonni Meyer alias Pony M. mit Baby

Glück genug: Für Yonni Moreno Meyer ist klar, dass ihr Bub keine Geschwister bekommen wird. Damit stösst sie teilweise auf Unverständnis.

Instagram/p.o.n.y.m

Haben Einzelkinder tendenziell eine engere Beziehung zu ihren Eltern?
Auch das kommt auf die Situation an. Ob da auch noch Grosseltern sind, was für enge Beziehungen das Kind zu anderen Erwachsenen hat. Aber ja, im Vergleich zu Familien mit fünf Kindern ist die Chance tendenziell grösser, dass sich ein Einzelkind stärker auf die Eltern ausrichtet. Einzelkinder wirken deshalb manchmal auch schon reifer oder altklug. Oder im Gegenteil infantiler, wenn sie von den Eltern entsprechend behandelt werden.

Fehlt denn einem Kind ohne Geschwister überhaupt etwas?
Ich denke, alle Eltern sollten den Fokus generell darauf setzen, gute Bedingungen zu schaffen für ihre Kinder. Es gibt auch Kinder, die mit Geschwistern aufwachsen und extrem darunter leiden, manche sogar lebenslänglich. Andere profitieren von ihren Schwestern und Brüdern, wieder andere haben kaum eine Beziehung zu ihnen. Bei Einzelkindern, die sich Geschwister wünschen, wäre es ja spannend zu wissen, ob sie ein Bruder oder eine Schwester wirklich so glücklich machen würde. Wirklich zum Nachteil wird die Position als Einzelkind dann, wenn es isoliert aufwächst und erst im Kindergarten Kontakt zu Gleichaltrigen knüpfen kann. Sogenannte «horizontale Kontakte» ausserhalb der Familie sind aber auch für Kinder mit Geschwistern wichtig. Keine Position ist von Natur aus gut oder schlecht.

Was zeigen ihre Erfahrungen dazu?
Manche Kinder mit älteren und jüngeren Geschwistern fühlen sich von oben und unten erdrückt, andere finden diese Position die beste: Weil sie bei Bedarf Hilfe von den älteren Geschwistern bekommen, aber immer auch den kleinen Bruder oder die Schwester zum Spielen haben und dann auch mal sagen können, wo es langgeht. Es ist immer sehr individuell, wie ein Kind seine Situation wahrnimmt.

Eltern können dies wohl entscheidend beeinflussen?
Nicht ausschliesslich, aber sie haben einen grossen Einfluss auf ihre Kinder, je nachdem wie sie mit ihnen reden und umgehen. Wenn Eltern zum Beispiel ungewollt nur ein Kind haben und dies bedauern, kann dies beim Kind Schuldgefühle auslösen. Eltern mit mehreren Kindern müssen dafür die Eifersucht unter den Geschwistern handeln.


Jürg Frick ist Psychologe und langjähriger Berater und Dozent an der Pädagogischen Hochschule Zürich sowie Autor verschiedener Bücher und Beiträge zu Geschwisterbeziehungen. www.juergfrick.ch

Von Christa Hürlimann am 1. Oktober 2020 - 07:09 Uhr