1. Home
  2. Family
  3. Alltag
  4. Krieg in der Ukraine schürt Ängste: So verstehen Kinder die Lage
Eskalation zwischen Russland und Ukraine

Wie Eltern mit ihren Kindern über Krieg sprechen können

Seit Wochen beherrsscht der erst drohende und nun ausgebrochene Krieg in der Ukraine die Nachrichten. Eine Psychologin erklärt, wie Eltern ihren Kindern die besorgniserregenden Bilder erklären und allfällige Ängste auffangen können.

Artikel teilen

Weltkarte Eltern

Erwachsene blicken voller Sorge Richtung Ukraine – das bleibt den Kindern nicht verborgen.

Getty Images

In der vergangenen Nacht ist der seit Jahren schwelende Konflikt eskaliert: Russland hat eine Invasion gegen die Ukraine gestartet. Bilder von Kampfhandlungen beherrschen aktuell die Medien, sich zuspitzende Schlagzeilen zum Konflikt sind schon länger in unserem Alltag präsent.

Das alles dringt zu unseren Kindern durch. Die Bilder werden auf dem Pausenhof herumgereicht, die Radio- oder TV-Nachrichten sind, je nach Alter der Kinder, zwar noch schwer verständlich aber bleiben dennoch hängen in den Kinderköpfen. Zusammen mit vielen Fragen. Manchmal Ängsten. Besonders die geografische Nähe dieses Konflikts macht betroffen. Der Krieg ist nicht irgendwo weit weg ausgebrochen, sondern hier in Europa, auf unserem Kontinent.

Nun gilt es, diese Ängste aufzufangen und die Kinder altersgerecht zu informieren. Keine einfache Aufgabe für Eltern. Mit diesen 5 Tipps wirds ein wenig einfacher.

1. Video erklärt die Hintergründe

Selbst für Erwachsene ist es schwierig, die Hintergründe dieses Konflikts zu überschauen und zu verstehen. Geschweige denn, sie in Worte zu fassen, die für Kinderohren logisch tönen. SRF-Kids-News nimmt uns diese Aufgabe ab.

Zwar war vor fünf Tagen, als die Kinder-Nachrichtensendung das Erklär-Video zum Ukraine-Konflikt veröffentlicht hat, der Krieg noch nicht ausgebrochen. An der Faktenlage zu den Hintergründen ändert dies jedoch nichts. In einfacher Sprache und optisch verständlich illustriert, erklärt dieses Video, warum der Konflikt schon seit Jahren andauert und worüber die beiden Parteien Russland und die Ukraine eigentlich streiten.

Das Video bleibt sehr neutral und bietet Info-Fundament, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. In dieser Situation sei dies genau der richtige Ansatz, meint auch Psychologin Elisabeth Raffauf in der Süddeutschen Zeitung. «Die Lage ist komplex, es gibt verschiedene Sichtweisen auf die Situation, selbst wir Erwachsenen machen uns gerade erst ein Bild.» Auch sie selbst würde bei einer Erklärung Kindern gegenüber nicht zu sehr ins Detail gehen und sie erst einmal mit Grundwissen versorgen.

Wie man mit Kindern über den Konflikt sprechen kann, hängt auch vom Alter ab. Die Expertin meint, dass sie Kinder unter zwei Jahren grundsätzlich von solchen Nachrichten fernhalten würde. Grössere Kleinkinder können bereits ihr Interesse kundtun, dann kann man individuell darauf eingehen. Ab dem Grundschulalter helfen Kindernachrichtensendungen, komplexe Themen auf verständliche Art zu vermitteln.

2. Kein Tabuthema aus eigenen Sorgen machen

Kinder kriegen viel mehr mit, als uns lieb ist. Wenn uns der Ausbruch des Kriegs in der Ukraine Sorgen macht, sollten wir dies vor unseren Kindern nicht verheimlichen. Raffauf erklärt: «Ich weiss, dass manche Eltern ihr Kind vor allen bösen Dingen beschützen wollen. Und das ist auch verständlich.» Wenn wir jedoch so tun, als sei alles ok, obwohl uns eine Situation bedrückt oder beschäftigt, kann dies ein Kind erst recht verunsichern. Denn dann ergibt sich eine Diskrepanz zwischen dem, was das Kind fühlt (Mama / Papa hat Sorgen) und dem, was wir vorgaukeln (Kein Grund zur Sorgen!).

Eltern dürfen dazu stehen, dass gewisse Nachrichten sie beschäftigen und eventuell auch Sorgen auslösen. Schon das alleine kann dem Kind gewisse Ängste nehmen. Denn alleine der Fakt, dass ein Kind merkt, dass es mit seinem Gefühl richtig gelegen hat, dass es der eigenen Wahrnehmung vertrauen darf, vermittelt Selbstvertrauen und damit eine gewisse Sicherheit.

«Ich weiss, dass manche Eltern ihr Kind vor allen bösen Dingen beschützen wollen. Und das ist auch verständlich.»

Elisabeth Raffauf, Psychologin

Was Eltern jedoch vermeiden sollten, ist, ihre Ängste ungefiltert an die Kinder weiterzugeben. Denn dies könne das Grundvertrauen der Kinder erschüttern, weiss Raffauf. «Es ist gut, wenn man sich selbst kennt, vor allem in schwierigen Situationen. Wenn man dazu neigt, schnell in Panik zu geraten, sollte man nach Möglichkeit zunächst gemeinsam mit einem anderen Erwachsenen runterkommen. Es ist ein bisschen wie mit den Sauerstoffmasken im Flugzeug: Erst wenn man sich selbst geholfen hat, kann man dem Kind richtig helfen. Das heisst nicht, dass man vor seinen Kindern jegliche Angst leugnen sollte. Sie müssen lernen, dass es normal und sogar gesund ist, in bestimmten Momenten Angst zu spüren, aber eben auch, dass man nicht damit alleine bleiben muss, sondern darüber sprechen kann.»

3. Was ist Krieg überhaupt?

Kindern einen Krieg zu erklären, ist alles andere als einfach. Kinder stellen, gefüttert durch Bilder aus Märchen, Kinderbüchern oder Filmen, erst einmal Kämpfe vor. Sie wissen, wie ein Kampfjet aussieht oder ein Panzer. Sie kennen wörter wie Wörter «Bombe» oder «Maschinengewehr».

Sichtbare Kriegs-Handlungen, so wie sie seit vergangener Nacht mit den russischen Angriffen gegen strategische Ziele in der Ukraine stattfinden, sind jedoch nicht die einzige Kriegsform, die es gibt. Dass auch Cyberkriege möglich sind, die aus dem virtuellen Raum heraus unser reales Leben bedrohen, ist in der Abstraktion für ein Kind – besonders in jungen Jahren – kaum erfassbar.

Warum sich Menschen überhaupt bekriegen, ist laut Raffauf mit folgenden Worten erklärbar: «Man kann sicher sagen, dass es manchen Politikern auf der Welt um Macht geht. Sie geben sich nicht zufrieden mit dem, was sie haben, und streben nach mehr. Um mehr zu bekommen, also ihr Land zu vergrössern, setzen sie auch Gewalt ein, um Gebiete von anderen Ländern zu erobern. Dafür schiessen sie auch auf Soldaten des Landes, in das sie einmarschieren wollen. Wie sehr man ins Detail dabei geht, hängt auch von der Reaktion des Kindes ab. Ein pfiffiges Kind wird sich vielleicht den Atlas nehmen und schauen, wo die Ukraine liegt.»

4. Kommt der Krieg auch in die Schweiz?

Kaum ein Kinderzimmer, in dem kein Kinderatlas im Regal steht. Natürlich begleiten Eltern die aktuelle Nachrichtenlage auch damit, dass sie ihren Kindern erklären, wo die Ukraine geografisch platziert ist. Und da sieht man deutlich: Weit weg ist das nicht. Das kann zur Frage führen: «Kann der Krieg bis zu uns kommen?»

Man darf Kindern auch erklären, dass wir in der Schweiz wohl verschiedene Auswirkungen des Kriegs spüren werden. Experten gehen davon aus, dass Gas- und Energiepreise ansteigen werden, da die Versorgung durch den Konflikt beeinträchtigt wird. Auch müssen bereits Menschen aus der Ukraine flüchten. Es kann also sein, dass flüchtende Menschen in der Schweiz Zuflucht suchen werden.

Auch können Eltern versuchen, die Rolle der Schweiz als neutrale Vermittlerin zu erläutern. Die Schweiz versucht bereits seit Beginn des Konflikts, mit den sich streitenden Parteien ein Gespräch aufzubauen und Lösungen zu finden. Denn die Schweiz ist neutral. Das deutsche Kinderlexikon erklärt den Begriff wie folgt: «Neutralität bedeutet, dass man zu keiner von zwei Seiten gehört.» In der Schweiz gilt seit mehr als 200 Jahren eine andauernde politische Neutralität. Sie versucht also, sich keiner Seite anzuschliessen. Was aber nicht heisst, dass sie sich überhaupt nicht äussert. So hat der Bundesrat das Vorgehen des russischen Präsidenten Putin stark kritisiert.

5. Mit diesen Tipps verarbeiten Kinder ihre Ängste

Nicht nur offene Gespräche helfen, verstörende Bilder oder verwirrende Informationen zu verarbeiten, es gibt weitere Ansätze, wie Kinder ihre Ängste auszudrücken und zu bändigen lernen. «Kleineren Kindern hilft es oft, wenn sie das, was sie beschäftigt oder ängstigt, malen. Danach können Sie gemeinsam über die Figuren auf dem Papier sprechen», so Raffauf.

Rituale können ebenso helfen, Trost und Ruhe zu spenden. Man kann eine Kerze anzünden oder eine Brief verfassen für Menschen, um die man sich Sorgen macht. «Es tut gut, gemeinsam Trauer zu zeigen und klar zu sagen, dass man die Gewalt ablehnt.» Gerade bei negativen Gefühlen müssen Kinder spüren, dass sie nicht alleine damit sind, sondern dass die äussere Situation Sorgen oder Angst rechtfertigt. «Wir müssen den Kindern die Worte geben, um in solchen Momenten über ihre Gefühle sprechen zu können, und das gelingt nur, wenn wir selbst ehrlich mitteilen, was wir fühlen.»

Von KMY am 24. Februar 2022 - 11:11 Uhr