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  4. Sara Taubman-Hildebrand: So kann man Kindern Rassismus erklären
Proteste nach Gewalt gegen Schwarze in den USA

Wie erklären wir unseren Kindern Rassismus

Die Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus gegenüber Schwarzen in den USA beschäftigen auch unsere Kinder. Wie wir mit ihnen über Rassismus sprechen können, haben wir die Pädagogin, Kommunikationsfachfrau, Mutter und Gotti Sara Taubman gefragt.

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Sechs fröhliche Kinder multi-ethnischer Herkunft

Kinder machen keine Unterschiede zwischen schwarz und weiss – es bedarf darum etwas mehr Erklärung, bis sie begreifen, was Rassismus bedeutet.

Getty Images

Sara Taubman, was empfehlen Sie als ausgebildete Pädagogin Eltern, wie sollen sie ihren Kindern die aktuellen Unruhen in den USA erklären?
Ich würde das geschichtlich aufzeigen, den Kindern erklären, wie Rassismus zustande gekommen ist. Und sagen, dass man heute weiss, dass die Menschen früher Fehler gemacht haben, dass jeder Mensch gleich viel wert ist und das gleiche Recht hat, geliebt zu werden. Aber dass es eben noch Überbleibsel gibt von diesen Fehlern, die mächtige Leute früher gemacht haben.

Wie schafft man das mit so einem komplizierten Thema in Worten, die auch Kinder verstehen? 
Ich würde den Kindern sagen, dass es vor langer Zeit europäische Männer gab, die im Auftrag von Königen schon Boote bauen konnten und Waffen besassen, die noch mehr Geld und noch mehr Land haben wollten. Sie haben weit weg von zu Hause Kolonien gegründet, und die Leute, die dort lebten und teilweise ganz anders aussahen wie wir, zu Untertanen gemacht. Diese Männer befahlen dann eben zum Beispiel, was die Schwarzen machen sollen. Heute wissen wir, dass das nicht recht war, dass alle Menschen gleich viel wert sind und alle so leben dürfen, wie sie wollen. Aber es gibt noch Überbleibsel aus der Vergangenheit, die nicht richtig sind. So könnte man einem Kind helfen, zu verstehen, wie diese Probleme gewachsen sind. Rein rechtlich ist die Situation ja klar und offiziell in den Menschenrechten verankert – aber wie es gelebt wird und in den Köpfen vorherrscht, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Das sieht man ja zum Beispiel auch bei der Gleichstellung von Mann und Frau.

Waren Sie bereits mit solch schwierigen Fragen konfrontiert mit Kindern in ihrem Umfeld?
Gerade kürzlich erlebte ich so eine Situation mit meinem achtjährigen Gottibub. Er wollte mit mir den Videoclip zu Sidos Song «Astronaut» anschauen, der Kriegsszenen mit Kindern enthält. Bei uns in der Schweiz wachsen Kinder ja im besten Fall ohne Gewalt auf, und solche Bilder können sie total überfordern. Ich merkte, dass ihn diese Bilder beschäftigten, und es ihm gut tat, darüber zu sprechen. Ich erlebe das auch schon bei meinem eineinhalbjährigen Sohn Henri: Wenn ich ihm die Aufmerksamkeit gebe und mir Zeit nehme, etwas richtig zu erklären, lassen sich auch schwierige Situationen entschärfen.

Sie schreiben selber Geschichten für Kinder. Haben Sie dabei Rassismus auch schon thematisiert?
In unseren Geschichten bilden wir Diversität als das Normalste auf der Welt ab. In der Forschung hat man herausgefunden, dass es kontraproduktiv ist, konkret auf Rassismus hinzuweisen, weil dies ebenfalls eine Ausgrenzung bedeutet. Aber wir alle stossen in der realen Welt auf solche Fälle – und sind dann als Eltern in Erklärungsnot.

Sara Taubman Hildebrand mit Sohn Henri

Sara Taubman-Hildebrand ist Mutter des mittlerweile eineinhalbjährigen Henri.

Fabienne Bühler
Von Christa Hürlimann am 2. Juni 2020 - 17:52 Uhr