Jan Steiner (46) steht im Neoprenanzug vor dem Silvaplanersee. «Dieser Anblick packt mich einfach jedes Mal sofort», sagt er und schaut auf die bunten Segel der Kitesurfer auf dem Wasser. «Den beissenden Wind spüre ich dann gar nicht.» Er steigt barfuss ins Wasser, seine Frau Anne-Laure (49) kommt nach. Der 46-Jährige ist gefesselt, vom Sport und von seiner Heimat.
Sport spielt eine wichtige Rolle bei den Steiners. Sohn Gianluca (10) zählt stolz auf, was er alles macht: Kiten, Golfen, Mountainbike, Ski, Snowboard, Langlauf, Eishockey und Biathlon. «Ich bin der Unsportlichste in der Familie», sagt Jan Steiner und lacht. Seine Frau Anne-Laure ist Sportlehrerin am Lyceum Alpinum in Zuoz.
Der Sport ist mit ein Grund, warum Jan Steiner Ende der 90er-Jahre von Bassersdorf ZH ins Bündner Hochtal gezogen ist. «Als junger Mann war ich begeisterter Bergsteiger. Die einzigartige Natur des Engadins hat mich sofort fasziniert.» Nach seiner KV-Lehre zieht er nach Pontresina in eine Einzimmerwohnung. «Am Morgen arbeitete ich als Skilehrer und am Abend als Tellerwäscher in einem Hotel.» Durch den Sport lernt er auch seine Frau kennen, eine gebürtige Westschweizerin aus Freiburg. Sie arbeitete damals einen Winter lang als Snowboardlehrerin. Als sowohl er als auch sie am ersten Weihnachtstag von ihren Schülern versetzt werden, beschliessen sie spontan, zusammen einen Kaffee am Pistenrand zu trinken. «Eigentlich hatte ich geplant, nur eine Saison zu bleiben», sagt sie und lacht. Bald sind es 20 Jahre.
Verlassene Welt
Jan Steiner ist seit einem Jahr CEO von Engadin Tourismus. 2002 besucht er die Tourismusfachschule in Samedan und übernimmt 2007 die Leitung einer Skischule mit 80 Mitarbeitenden. Später amtet er als Geschäftsführer von Pontresina Tourismus.
Die Familie erlebt die Region nicht nur als Hotspot während der Saison, sondern auch als ruhiges Tal. «Es ist auch schön, wenn wir mal die Wanderwege und Biketrails ganz für uns alleine haben», sagt Steiner. Der Mai ist für ihn ein besonderer Monat. Dann haben viele Hotels und Restaurants geschlossen, im Tal leben nur wenige Tausend Menschen. «Ein enormer Unterschied im Vergleich zu den 100'000, die nach Weihnachten anreisen.»
Aber es gibt auch die andere Seite. Mietpreise, die durch die Decke gehen, und Einheimische, die kaum eine bezahlbare Wohnung finden. Ein Grund sind Mietwohnungen, die vom Markt verschwinden, weil sie in Ferienwohnungen umgewandelt werden. «Auch wir mussten überall schauen, um ein Zuhause zu finden. In Bever hatten wir dann Glück», sagt Steiner und ergänzt: «Wir stehen vor der Herausforderung, Lösungen zu finden. Ob dies etwa in Form von steuerlichen Massnahmen bei Zweitwohnungen ist, wird sich weisen. Die Politik im Tal ist sich der Problematik bewusst.»
Die Amis kommen
Heute besuchen immer mehr Gäste aus den USA das Engadin. Dank dem amerikanischen «Ikon Pass». Mit dieser Saisonkarte kann man je nach Variante für rund 550 bis 1450 Dollar in 50 verschiedenen Regionen der Welt Ski fahren, neben St. Moritz und den benachbarten Skigebieten auch etwa in Kitzbühel oder Zermatt.
Kürzlich überrascht Reto Gurtner, Chef des Bündner Skigebiets Flims-Laax, mit der Aussage, Tageskarten würden in zehn Jahren 200 bis 300 Franken kosten. Wie sollen sich Familien überhaupt noch Winterferien in den Bergen leisten? «Die Skipässe der Oberengadiner Bergbahnen sind über ein dynamisches Preismodell für die Wintersaison buchbar – wer früh kauft, profitiert. Oder man bezieht einen Hotelskipass zum Festpreis von 47 Franken pro Tag über die Aktion ‹Sleep + Ski› in den teilnehmenden Hotels.»
So sehr Jan Steiner seine Wahlheimat mag – auch der Tourismusdirektor reist gelegentlich in die weite Welt. Jeden Herbst verbringt er mit seiner Familie zwei Wochen an der brasilianischen Nordostküste. Und was machen die Steiners dort? Sport! «Es ist extrem windsicher, perfekt zum Kiten.»