1. Home
  2. Family
  3. Ein Drittel der Schweizer Eltern wendet in der Erziehung Gewalt an
Internationaler Tag der Rechte des Kindes

Die Schweiz tritt Kinderrechte täglich mit Füssen

Heute ist internationaler Tag der Kinderrechte. Am 20. November 1989 gab die entsprechende UN-Konvention allen Kindern weltweit Rechte. Dass diese in vielen Ländern nach wie vor nicht umgesetzt werden, ist kein Geheimnis. Aber wie sieht es eigentlich in der Schweiz aus? Nicht so toll, wie man glauben mag. Auch bei uns werden täglich massiv Kinderrechte verletzt.

Artikel teilen

Erziehung ohne Strafe Kinderschutz Schweiz Blog Familienblog

Über ein Drittel der Schweizer Mütter und Väter greifen in der Erziehung der Kinder zu körperlicher oder seelischer Gewalt. 

Getty Images

Über 1500 Kinder wurden vergangenes Jahr wegen vermuteter oder sicherer Kindsmisshandlung in einer Schweizer Kinderklinik behandelt – wobei die tatsächliche Zahl noch höher sein dürfte, da nur 21 der 31 Schweizer Kinderspitäler ihre Zahlen offenlegten. Über 60 Prozent dieser Fälle wurden als sichere Misshandlung eingestuft, über 80 Prozent der Täterinnen und Täter stammen aus der Familie des Kindes.

Ein Kind pro Klasse, das Gewalt erfährt

«Körperliche und psychische Gewalt ist in vielen Familien nach wie vor ein Teil des Alltags», schreibt das Institut für Familienforschung der Uni Fribourg zu den neusten Zahlen, die sie im Auftrag von Kinderschutz Schweiz erhoben hat. Laut der Studie «Bestrafungsverfahren von Eltern in der Schweiz 2020» gibt es «in jeder Schulklasse durchschnittlich ein Kind, welches regelmässig körperlich bestraft wird». 57 Prozent der befragten Eltern gaben an, ihre Kinder gewaltfrei zu erziehen. Was bedeutet, dass über ein Drittel der Schweizer Mütter und Väter zumindest hin und wieder Gewalt anwenden – und damit massiv gegen die UN-Kinderrechte verstossen.

«Es muss nicht unbedingt geschlagen, getreten oder an den Haaren gezerrt werden, um Kinderrechte zu verletzen. Das Recht auf Anhörung kommt zum Beispiel bei einer Trennung der Eltern in den seltensten Fällen zum Tragen.»

Die UN-Kinderrechtskonvention besteht aus 54 Artikeln, die auf vier Grundprinzipien beruhen: das Recht auf Gleichbehandlung, das Recht auf Wahrung des Kindeswohls, das Recht auf Leben und Entwicklung und das Recht auf Anhörung und Partizipation.

Es muss also nicht unbedingt geschlagen, getreten oder an den Haaren gezerrt werden, um Kinderrechte zu verletzen. Das Recht auf Anhörung kommt zum Beispiel bei einer Trennung der Eltern in den seltensten Fällen zum Tragen. Gerade mal zehn Prozent der 15'000 Kinder, welche hierzulande jährlich von einer Scheidung betroffen sind, werden vor einem Gericht angehört. Meist dann, wenn die Eltern sich nicht einig sind. «Der falsche Ansatz», findet der Anwalt und Mediator Rolf Vetterli in einem Interview mit dem Elternmagazin «Wir Eltern». «Für das Kind hat die Anhörung eine klärende Funktion. Es merkt, dass sich eine öffentliche Stelle für seine Belange interessiert.»

Es gibt noch viel zu tun

Auch mit dem Recht auf Gleichbehandlung tut sich unser Land noch schwer. Nicht nur, was Kinder betrifft, aber auch. So betraf beispielsweise jeder achte Fall von Rassismus, der 2019 bei den entsprechenden Beratungsstellen in der Schweiz gemeldet wurde, Kinder bis und mit 16 Jahre. Elf Prozent der gemeldeten Fälle fanden in öffentlichen Einrichtungen wie Schule oder Kita statt.

«Wenn eine Entscheidung getroffen wird, welche sich auf sie auswirkt, hat das Wohl der Kinder Vorrang.»

In der UN-Kinderrechtskonvention steht: «Kinder haben das Recht auf Gleichbehandlung, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Sprache, Religion oder Hautfarbe. Wenn eine Entscheidung getroffen wird, welche sich auf sie auswirkt, hat das Wohl der Kinder Vorrang. Kinder haben das Recht auf Zugang zu medizinischer Hilfe und Schule und müssen vor Missbrauch und Ausbeutung geschützt werden. Kinder müssen als Personen ernstgenommen und respektiert werden.» Es gibt noch viel zu tun. Packen wirs an.

 

 

 

Familienbloggerin Sandra C.
Sandra CasaliniMehr erfahren
Von Sandra Casalini am 20. November 2020 - 11:54 Uhr