«Wow!» Hört Vanessa Kammermann, 42, in ihrem Büro solche begeisterte Reaktionen, weiss sie: «Wir haben das Richtige gewagt!» Denn «Wow» heisst das Museum, das sie und ihr Mann Matthias, 49, vor einem Jahr eröffnet haben. «Wenn unser Name schon so lautet, dann ist es eine Ansage und unser Ansporn, dies zu liefern», sagt die Direktorin und Gründerin stolz. Liefern tun sie tatsächlich: Die bunten, interaktiven Räume voller Illusionen und optischer Täuschungen mitten in der Stadt Zürich kommen an und faszinieren Jung und Alt. «Spread the wow» lautet das Motto und Ziel des Ehepaars.
«Es ist ein so schönes Thema. Illusionen sind spannend für alle, aber auch tiefgründig», erläutert Kammermann. «Man kann sie virtuell oder psychologisch spielen, denn jeder sieht die Dinge anders aufgrund seiner Herkunft, Kultur, Erziehung, Schulausbildung, Familie und Freunde.» Das Museum helfe, verschiedene Perspektiven einzunehmen, und schaffe damit Akzeptanz und Toleranz. «Man lernt, dass es kein Richtig oder Falsch gibt. Diese Erkenntnis ist so viel wert. Wenn das nur jeder kapieren würde.»
Die «Schnapsidee», so Vanessa Kammermann, entstand vor sechs Jahren. Das Paar reiste drei Monate mit den Kindern durch Japan, Australien und Neuseeland, wo die Familie die Puzzling World besucht – und verzaubert ist. Zurück daheim, meint Matthias: «Es wäre schön, Illusionen nach Zürich zu bringen.» Und wenn ihr Mann, ein Strategieberater, meint, dass sich die Idee auszahle, dann sei es keine Illusion, «sondern etwas, das klappt».
Zu diesem Zeitpunkt steckt die dreifache Mutter und Eventmanagerin, die einst Verkehrswissenschaften studierte, noch mitten in der Ausbildung zur Lehrerin. Die Kombination Studium, Beruf und Muttersein ist dann doch etwas viel aufs Mal. 2018 zieht sie die Reissleine und besinnt sich auf ihre Träume: «Ein viertes Kind und eine eigene Sache, die mein Mann und ich auf die Beine stellen können», erzählt die gebürtige Deutsche. «Und schliesslich mussten wir auch etwas mit meiner Energie anfangen.»
Noch im selben Jahr wird Kammermann mit Mila und der Museumsidee schwanger. Schnell überzeugen sie und ihr Mann die Bank mit ihrem Konzept, finden eine Location und mit der Agentur Aroma einen Partner. «Alles war da. Die Puzzlesteine fügten sich automatisch zusammen», sagt sie. «Hätte es nur einen Stolperstein gegeben, hätten wir wahrscheinlich aufgehört. Ein solches Risiko geht man mit vier Kindern nicht einfach so ein.»
Liam, 11, Lovis, 9, Lennox, 7, und Mila, 2, rennen durch die Räume, schlecken an ihren rot-weissen Lollis wie in Charlies Schokoladenfabrik. Sie wollen selber mal Museumsdirektor werden – «schliesslich gehört uns auch ein Stück, da ihr unser Spargeld benutzt habt», meinte Liam einst zur Mama. Für Mila, die bereits mit zwei Wochen beim ersten Konzeptgespräch dabei war und sozusagen im Museum gross geworden ist, scheint es wie ein weiteres Spielzimmer zu sein. Die Räume lassen sich dank der interaktiven Museumsführung teilweise mit Licht und Musik bespielen und bieten unzählige Möglichkeiten für aussergewöhnliche Selfies. «Es macht einfach Spass!», sagt Kammermann. «Mir hat auch der Lehrerberuf Spass gemacht. Oft wird aber nicht geschätzt, dass man so viel Power in den Job reinsteckt.» Gemeinsam mit der stellvertretenden Geschäftsführerin Debora Zarriello, 31, und der Betriebsleiterin Michelle Stutz, 26, zieht sie nun als «Power-Team» ihr Ding durch. «Wir leben uns aus, machen das, worauf wir Lust haben, und setzen um, was unsere Logik erlaubt.»
Wie ist das möglich? Auf dem roten Stuhl sehen Liam und Mila neben ihren Brüdern wie Zwerglein aus. Vanessa und Matthias Kammermann haben das Projekt auch wegen ihrer Kinder gewagt. «Wir möchten, dass sie lernen, mutig zu sein, selber Dinge in die Hand zu nehmen und einfach zu machen.» Vanessa, Tochter einer Hausfrau und eines Versicherungsdirektors, und Matthias, dessen Vater bei der Willisauer Volksbank arbeitete, leben dies ihren Kindern aktiv vor und brechen dabei mit der klassischen Rollenverteilung. Sie ist Vollzeitdirektorin und fürs Kreative zuständig, er fürs Finanzielle. Dazu arbeitet er als Unternehmensberater und ist Teilzeithausmann. «Frau kann wie Mann – und umgekehrt», sagt Kammermann. «Ich liebe es, Kinder zu haben, bin aber nicht gern nur Hausfrau, sondern lieber unter Leuten.» Mit dem Museum kann sie nun beides vereinbaren – schliesslich wird aus «Wow», wenn man das Wort spiegelt, «Mom».