Jeder hat sie. Jeder liebt sie, manchmal mehr, manchmal weniger. Die Rede ist von Müttern. Schon mal vorweg: Ich bin der festen Überzeugung, dass jede Mama dieser Welt die Beste ist, aber – sorry im Voraus – meine Elvira ist die allerbeste, die coolste, die lockerste und zugleich strengste Mama der Welt!
Ihre Jugo-Erziehungsmethoden entsprechen garantiert keinem Ratgeber, aber sie waren durchaus wirkungsvoll. Ich bin zu einem bezaubernden jungen Mann herangewachsen. Wirklich. Ein Hinweis zu Beginn: Ich entschuldige mich schon jetzt für die verwendeten Kraftausdrücke in diesem Text, aber ohne gehts nicht. Balkan halt.
Meine meistgehasste Haushaltsarbeit war schon immer das Rausbringen von Müll oder Kompost (ja, auch in einem Jugo-Haushalt wird der Abfall getrennt). Entsprechend habe ich es immer vor mir hergeschoben und meine Mama vertröstet. Meistens habe ich mich aus dem Staub gemacht, total gestresst natürlich, damit ich absichtlich unabsichtlich den Abfallsack vergessen konnte. Entsprechend musste ich mir folgendes regelmässig anhören: «Jebem ti mater! I ovo malo što imaš da radiš mrsko ti je.» («Ich fi** deine Mutter! Sogar für die wenigen Aufgaben, die du zu erledigen hast, bist du zu faul.») Meine Taktik war leider nicht lange erfolgreich, Elvira hat mich durchschaut. Sie hat den Sack genommen, ihn zusammen mit dem Kompost in mein Zimmer gestellt und Fenster und Türe geschlossen. Ihr könnt euch vorstellen, wie es darin nach einigen Stunden roch.
Es gab nur zwei Regeln in unserem katholischen Haushalt, die über der Bibel und dem Wort Gottes standen: Wir schreien uns nicht an und die Türen werden nicht zugeknallt. Eine Challenge in der Pubertät, wenn alles und jeder nervt. Dieser Herausforderung war ich im zarten Alter von 15 Jahren nicht gewachsen. In einer (nachträglich unnötigen) Auseinandersetzung haben meine Hormone verrückt gespielt. Ich bin laut geworden, konnte den Streit nicht sachlich ausdiskutieren und bin in mein Zimmer gerannt. Mit voller Kraft knallte ich die Tür zu. Ich rief nicht, wie sonst: «Nisam ja, promaja je.» («Das war nicht ich, das war der Durchzug.») Verheerend. Ich wusste, dass meine Mama stark ist. Aber dass sie es schafft, meine Zimmertüre aus dem Scharnier zu hieven, hätte ich nicht gedacht. Ich habe sie erst nach zwei Wochen wieder zurück bekommen.
Die meisten Eltern sind bemüht, ihre Kinder vor Blamagen zu bewahren. Ganz anders meine Mama: Sie hat mich gezwungen, mich vor anderen in Grund und Boden zu schämen. Zur Vorgeschichte: In den Herbstferien der fünften Klasse war ich mit meinem Bruder und unserem Vater im Urlaub. Somit hatte Elvira genügend Zeit, ihrem Putzwahn nachzugehen und mein Zimmer auf den Kopf zu stellen. Dabei liess sie es sich nicht nehmen, auch ein bisschen herzumzuschnüffeln (sie ist der festen Überzeugung, dass Kinder kein Recht auf Privatsphäre haben – siehe oben).
Bei ihrer Putzaktion ist sie auf alte Prüfungen gestossen und musste feststellen, dass ich ihr nie von den ungenügenden Noten erzählt habe. Ja, ich war so doof, ihre Unterschrift zu fälschen. Weshalb? Weiss ich nicht genau. Eigentlich hatte ich nichts zu befürchten, denn wegen schlechter Noten gab es bei uns zu Hause keine Konsequenzen. Diese Aktion hatte zur Folge, dass ich laaaange Zeit Hausarrest hatte, inklusive Fernsehverbot. Das Schlimmste aber war, als ich meiner Lehrerin gestehen musste, was ich getan hatte. Hallo?! Ich musste mich selbst verpfeifen, wo gibts denn so was? Zusätzlich hat sie es unserem ganzen Umfeld erzählt. Es war mir so peinlich!
Meine Mutter leidet an äusserst ausgeprägtem Putzwahn (das ist meine professionelle Einschätzung). Jeden Tag rennt sie mit dem Lappen durchs Haus und sucht nach unentdeckten Staubkörnern. Bevor diese sich überhaupt ausbreiten können, hat Elvira sie auch schon weggeputzt. Freitagabend und Samstagmorgen sind bei uns Daheim für den Grossputz und die Wäsche reserviert. Dabei musste ich mir stets anhören: «U pičku materinu, pa šta sam ja ovdije da vam ja raspetljavam čarape?» («Bei der Vagina der Mutter, was bin ich denn hier, dass ich immer die Socken entwirren muss?») Sie hasst es nämlich, meine Socken als Knäuel im Wäschekorb vorzufinden. Weil ich nicht hören wollte, nahm sie die Stinkesocken und drapierte sie elegant auf meinem frisch bezogenen Kissen.
Wenn ich zurückblicke, staune ich immer wieder aufs Neue, was meine Mama alles unter einen Hut bekommen hat. Sie hat stets gearbeitet, den Haushalt geschmissen und am Abend noch gekocht. Damals war ich so frech und habe regelmässig über das Essen und das viele Gemüse gemotzt. Lange hat mich Elvira diesbezüglich ignoriert. Doch eines Abends habe ich den Bogen überspannt und ihr platzte der Kragen: «Ja se zajebavam na poslu, dodjem kući, rintam, čistim, perem, kuham. I to mi je hvala za sve? Jebem ti majku, sve što sam ja bolja ti gori.» («Ich schlage mich mit der Arbeit rum, putze, wasche, koche und das ist der Dank für all das? Ich fi** deine Mutter, umso besser ich zu dir bin, desto schlimmer bist du zu mir.») Diese Worte waren der Beginn einer neuen Ära: Ich musste eine Weile selber kochen. Der Horror für einen durchaus verwöhnten Sohn.
Liebe Mama, obwohl ich oft sehr, sehr, sehr wütend auf dich war und dir mit der «KESB» gedroht habe, finde ich im Nachhinein jede dieser Aktionen total geil. Es sind einzelne dieser Handlungen, an die ich noch heute denke. Danke, liebe Mama, für jede dieser Lektionen!
Und vergiss niemals: VOLIM TE ❤️