Caroline Eith hat keine einfache Zeit hinter sich. Die Zürcherin, die sich bewusst für ein kinderfreies Leben entschieden hat, ist 45 Jahre alt, als sie einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand hält. Zu dieser Zeit ist Eith weder liiert, noch darauf vorbereitet, dass da neues Leben in ihr wächst.
Anfangs entscheidet sich Eith gegen das Kind. Geht es nicht von alleine ab, will sie abtreiben. Dann aber kommt der Sinneswandel. Caroline überlegt sich, was in fünf oder zehn Jahren ist, wenn sie wüsste, sie hätte ein Kind, es hätte jetzt Geburtstag, es wäre jetzt fünf Jahre alt.
Als Hebamme ist sich die Zürcherin bewusst, dass Reue und Bedauern ein Thema sein können. Diese wiederum können für die psychische Gesundheit sehr einschneidend sein. Caroline entscheidet sich gegen die Abtreibung. Heute ist Mona 1,5 Jahre alt und lebt mit Mama Caroline am linken Zürichsee-Ufer.
Liebe Caroline, eine Frage an dich als Hebamme. Ab wann spricht man offiziell von Spätgebärenden?
Ab 35 Jahren gelten Frauen als Risikoschwangere. Natürlich heisst das nicht, dass dann in jedem Fall was schief gehen muss. Im Gegenteil. Die meisten Schwangerschaften enden mit gesunden Babys. Ab spätestens Vierzig sind Spitäler, Ärzte und Ärztinnen aber besonders vorsichtig. Da wird zum Beispiel Frauen empfohlen, um den Entbindungstermin herum die Geburt einzuleiten. Das aus dem Grund, dass ältere Frauen auch schneller ältere Plazentas haben, was in seltenen, aber besonders tragischen Fällen dazu führen kann, dass Kinder rund um den Geburtstermin im Bauch versterben.
Wie oft hast du beruflich mit Spätgebärenden zu tun?
Sehr häufig. Rund 60 bis 70 Prozent meiner Klientinnen sind zwischen 35- und 40-jährig. Das macht ja auch total Sinn. Man hat schon gelebt, Karriere gemacht und ist gereist, bevor man sich auf das Abenteuer Familie einlässt.
Wie alt sind die restlichen 30 Prozent deiner Kundinnen?
Die meisten sind unter 30.
Wie unterscheiden sich ältere Schwangere von jüngeren Schwangeren?
Ein Klischee besagt, Ältere sind komplizierter. Das würde ich so nicht unterschreiben. Es gibt in jeder Altersklasse die, die etwas mehr Pflege und Fürsorge brauchen, andere wiederum nicht. Was ich aber beobachte ist eine Tendenz, dass ältere Frauen sich vielleicht etwas früher um eine Hebamme kümmern und sich mit Fragen und der Planung auseinandersetzen, wie es dann werden soll, wenn aus dem Paar eine Familie wird. Das macht aber auch Sinn. Ältere Frauen haben oft schon mehr Freundinnen, die selber Mama geworden sind und sie auf die Wichtigkeit von Hebammen und der Planung in der Schwangerschaft, während und nach der Geburt aufmerksam machen.
Was hältst du eigentlich vom Begriff «Risikoschwangerschaft»?
Es nervt mich, dass es dieses Wort so gibt. Natürlich schaue ich mir Spätgebärende intensiver an. Aber von Risikoschwangerschaften will ich nicht per se sprechen. In den meisten Fällen kommt es schliesslich wirklich gut.
Du warst 45, als du ungewollt schwanger wurdest. Wie hat dein Umfeld reagiert?
Sehr erstaunt. Man wusste ja, dass ich keine Kinder will und als Hebamme waren sich also umso sicherer, dass ich sicher nicht ungeplant schwanger werde. Natürlich bin auch ich selber aus den Socken gefallen am Anfang. Aber gerade als Hebamme wusste ich bald, dass das Kind unbedingt kommen will.
Hattest du Bedenken wegen Schwangerschaft in deinem Alter?
Nein. Ich fühle mich heute mit 48 immer noch viel jünger als ich es bin. Mir geht es prächtig und mir ging es auch zur Zeit der Schwangerschaft körperlich im normalen Schwangerschaftsrahmen gut. Da mein Alter aber gewisse Risiken birgt, habe ich in der Schwangerschaft etwas mehr Tests gemacht. Ich hatte auch eine Vorstufe zur Schwangerschaftsdiabetes. Das war aber absolut nicht schlimm.
Wenn du 60 Jahre alt bist, ist deine Tochter in der Pubertät. Was macht dieser Gedanke mit dir?
Natürlich tut es mir manchmal für Mona leid, dass sie eine alte Mutter hat. Aber es ist nun mal, wie es ist. Ich glaube, es fällt mir leicht, das Beste aus der Situation zu machen. Ich selber hatte auch eine ältere Mama. Meine Mutter war 35, als sie mich bekam. Ich hatte da jetzt keine riesigen Nachteile, es war auch da einfach so, wie es halt war.
Du hast 45 Jahre ein unabhängiges Leben geführt. War der Switch zur Mutterschaft schwierig?
Seit Mona da ist, geht es mir sehr gut. Natürlich denke ich gerne an mein altes Leben in aller Freiheit zurück. Ich will das aber gar nicht werten. Natürlich kann ich nicht mehr ganz so spontan sein. Und alles erfordert gute Planung und Organisation. Das geht aber alles ziemlich ring und ich bin glücklich und zufrieden mit meinem Leben, wie es heute ist.
Siehst du Vorteile in der späten Mutterschaft?
Ja, absolut. Ich habe ganz viele Vorbilder. Die meisten meiner Freundinnen haben Kinder im Teenageralter. Ich konnte ganz viel miterleben, bevor ich selber Mutter wurde und mir gut überlegen, was ich will und was nicht. Ausserdem ist es schön, dass mein Umfeld noch grösser geworden ist. Ich habe Playdates mit Eltern, die ich vorher nur in meinem erweiterten Freundeskreis hatte.
Gibts auch Nachteile?
Ja klar, neulich im Hallenbad meinte eine ältere Frau zu mir, dass meine Enkelin ganz herzige Löckli hat. Eine andere Situation ergab sich mal im Zug. Mona und ich kamen ins Gespräch mit einem jungen Mann. Der war recht erstaunt, dass ich die Mama bin und sagte dann auch, dass ich sicher recht alt Mutter geworden bin. Der war aber herzig und daraus resultierte dann auch ein schönes und respektvolles Gespräch, das mich gefreut hat.
Zwei letzte Frage an dich als Hebamme: Was rätst du Frauen über 40, die schwanger werden wollen?
Sich gut überlegen, was man wirklich will, wie weit man für ein weiteres Wunder gehen möchte. Oder natürlich für ein Erstes. Sich gut überlegen und im Austausch mit dem Partner sein. Ganz gut finde ich auch sogenannte Fruchtbarkeitsarmbänder. Oft werden Frauen nicht schwanger, weil sie zur falschen Zeit Sex haben. Da ist so ein Band, das den Zyklus trackt, eine tolle Sache. Komplementärmedizin kann auch unterstützend sein. Im Gespräch mit der Gynäkologin, dem Gynäkologen sein, was sind weitere Schritte etc. Wir ü40-Frauen sind häufig sehr gebunden, auch beruflich. Vielleicht ist Geschwindigkeit aus dem Leben nehmen auch ein erster Schritt.
Wenn es dann doch noch klappt, worauf sollen ältere Schwangere besonders achten?
Sie selber müssen nichts anders oder vorsichtiger machen als jüngere Schwangere. Es sind wir Hebammen, Ärzte und Ärztinnen, die für die gute Überwachung und regelmässige Kontrollen da sind. Das etwas wachsamere Auge können also auch über 40-jährige Schwangere ganz getrost uns Fachpersonen überlassen und ihre Schwangerschaft einfach geniessen.