51'954 Fans, neuer Zuschauer-Weltrekord für einen Tennismatch, 3,5 Millionen Dollar Einnahmen für die Roger Federer Foundation: Bei seiner sechsten Austragung ist das Benefiz-Tennisspiel «Match for Africa» zwischen Federer und einem Weltklasse-Widersacher erstmals ein «Match in Africa». In Kapstadt ist die Partie gegen Rafael Nadal ein voller Erfolg für den Schweizer Tennis-Grossmeister und seine Stiftung, die im südlichen Afrika seit 16 Jahren Bildungsprogramme betreibt und unterstützt. Am Tag nach dem Match trifft sich der glückliche, aber auch erschöpfte Maestro – «mir tut alles weh, und einen Sonnenbrand hab ich mir erst noch geholt» – am Kap zum Gespräch mit der Schweizer Illustrierten.
Roger Federer, Sie schienen aufgewühlt nach dem Match und all den Aktivitäten drumherum. Wie haben Sie geschlafen, so voller Adrenalin?
Kurz, aber gut. Ich kann mich nicht mal erinnern, dass ich mich noch einmal umgedreht hätte im Bett. Obwohl ich tatsächlich sehr bewegt war. Ich wüsste nichts, was besser hätte laufen können. Und als dann mein Mami hier in ihrer Heimat auf den Platz kam, musste ich kämpfen, dass mich die Emotionen nicht überwältigten.
Ein neuer Höhepunkt in der Beziehung zwischen Ihnen und Ihrer zweiten Heimat Südafrika?
Für mich wird sich in der Beziehung zu Afrika kaum viel ändern. Aber ich glaube, für die Menschen hier zu mir schon. Ich habe auch früher immer wieder gehört, dass ich «einer von ihnen» sei. Und jetzt, wo ich für diesen Event hier war, haben sie wie eine Bestätigung dafür erhalten. Für mich wars vor allem ein Moment, der extrem wichtig ist in meinem Leben. Auch weil viel aus meiner Kindheit wieder hochgekommen ist, in der ich sehr viel Zeit hier unten verbracht habe mit meinen Eltern und meiner Schwester.
Sie waren auch im Erwachsenenalter regelmässig hier?
Eben nicht mehr. Das Tourleben hat es einfach nicht zugelassen. Das habe ich einerseits oft bedauert. Andererseits ist es nun umso schöner, dass mein Auftritt am «Match in Africa» so speziell war für alle. Sonst wären nicht 52'000 Menschen ins Stadion gekommen.
Bei der nachmittäglichen Spielsession mit Kindern aus den Townships ist aufgefallen, wie natürlich Sie sich unter diesen bewegt und auch wie unbefangen Sie körperliche Nähe zugelassen haben. Ein Resultat Ihres eigenen Lebens als Papi?
Ich würde es schon meinen. Wenn Profikollegen jeweils Fotos mit Kindern machen, stehen jene ohne eigene Kinder oft etwas steif da. Wobei ich sagen muss, dass auch Rafa gestern sehr herzig mit den Kleinen umgegangen ist. Er ist sich das halt aus seiner eigenen Foundation gewöhnt. Und für mich ist es wirklich sehr einfach. Statt meiner vier Kids sind es jetzt halt hundert auf einem Haufen, no problem. Meine zwei Buben werden im Mai sechsjährig, sind also exakt im Alter der Kinder, die mit Rafa und mir gespielt haben. Ich weiss bestens, wie die reagieren, wenn sie mal aufs Knie fallen oder eine Übung nicht gleich verstehen. Früher wäre ich da schon unbeholfener gewesen.
«Als mein Mami auf den Platz kam, hier in ihrem Südafrika, musste ich kämpfen, dass mich die Emotionen nicht übermannten»
Roger Federer
Sie haben den Kids ja auch ein Lied vorgesungen …
… o ja, übers Mikrofon sogar. Das war so nicht geplant. Aber als sie mit ihren herzigen Stimmen mitgesungen haben, wurde ich schnell ruhiger.
Hat aber wirklich gut geklungen, Ihr Solo. Ist das Guetnachtliedli zu Hause auch Ihre Aufgabe?
Danke, das beruhigt mich, habe ich die Töne getroffen (lacht). Aber nein, ich singe eigentlich nicht sehr oft mit den Kleinen zu Hause. Wir hören lieber Musik vom Radio oder so und tanzen dann zusammen dazu. Ich bin eher der Guetnachtgschichtli-Vorleser.
Wie sehr hatte eigentlich Ihre Mutter Lynette Einfluss darauf, dass Sie Ihre Projekte in Afrika betreiben?
Das kann ich gar nicht mehr so genau sagen. Aber es ist ja logisch, dass wir auch wegen ihrer südafrikanischen Herkunft mit der Foundation auf diesen Kontinent gingen. Beim Übergang vom Juniorenalter ins Tourleben hatte ich das grosse Glück, von den richtigen Leuten umgeben zu sein, die mir die Richtung gewiesen haben: ein Marc Rosset, die Trainer Peter Lundgren und Peter Carter, die mir wie einem kleinen Bruder unter die Arme gegriffen hatten, aber natürlich auch meine Eltern. Irgendwann lag das Engagement für Afrika einfach auf der Hand.
Wie ist das eigentlich mit der Sprache? Ihre Mutter gab ja im Stadion mühelos auf Afrikaans Antwort. Beherrschen Sie das auch?
Ein wenig verstehe ich es und rede auch ein kleines bisschen. Es ist ja verwandt mit dem Deutschen. Aber damit durchschlagen könnte ich mich niemals. Interessanterweise schickte mein Grossvater meine Mutter damals in Johannesburg in eine englischsprachige Schule, was bei Afrikaans sprechenden Südafrikanern ziemlich ungewöhnlich war für jene Zeit.
Also haben Ihre Kinder diesbezüglich wohl wenig Beziehung zu ihren Wurzeln grossmütterlicherseits. Die Arbeit der Foundation ist ihnen aber bekannt?
Sie wissen, weshalb Mami und Papi derzeit ein paar Tage nicht bei ihnen sein können. Sie haben gefragt, und ich habe ihnen dann von dem erzählt, was wir mit der Foundation hier unten machen. Das verstehen sie schon gut. Mein Traum ist es, dass auch sie später einmal etwas von ihrem Glück zurückgeben mit etwas, wozu ihr Herz ihnen dann auch immer rät.
Trotzdem ist die Foundation ja auch in der Schweiz aktiv.
Auch das war mir wichtig. Es ist eben nicht so, wie viele meinen, dass es bei uns einfach allen Leuten gut geht. Die Kinder aus schwierigen Verhältnissen darf man nicht vergessen. Dass wir uns auf das südliche Afrika konzentriert haben, hat auch mit Kostengründen zu tun. Weil alle Projektländer nahe beisammen sind, verliert die Foundation nicht unnötig Geld für administrativen Aufwand. Und hier unten im Süden des Kontinents braucht es wirklich viel Hilfe im Bildungsbereich.
Weshalb helft Ihr denn eigentlich gerade bei der Bildung und nicht im Bereich der Gesundheit oder der Infrastruktur?
Das kam von mir. Ich wusste immer, dass ich etwas mit Kindern machen will. Und zwar nicht einfach Promotion, sondern etwas mit direkter Begegnung. Ausserdem wühlt mich körperliches Leid einfach zu sehr auf. Das ertrage ich schwer. Also entschied ich mich für die Bildung. Zusammen mit der Gesundheit ist sie alles im Leben.
Gingen Sie selber gerne zur Schule?
Ja, eigentlich schon, auch wenn ich froh war, als ich sie dann hinter mir hatte und aufs Tennis setzen konnte. Aber ich hatte das Glück, immer gute Lehrpersonen zu haben.
Und Sie als Schüler waren auch gut?
Mittelmass, würde ich sagen. Ich habe mir aber immer ehrlich Mühe gegeben. Manchmal wurde ich einfach etwas gar müde vom Sitzen und Zuhören. Dann mussten sie ihre ganzen Motivationstricks anwenden, um mich bei der Stange zu halten.
Sie waren im Kindesalter regelmässig für Ferien in Südafrika. Was ist Ihre früheste Erinnerung daran?
Schwierig zu sagen. Meine Erinnerungen werden vor allem durch alte Fotos gebildet – ich im Pyjama am Strand, stundenlange Reisen im Mietauto auf Safari, das endlose Warten und die ungeduldige Frage: Wann sehen wir endlich die Impalas, die Zebras? Heute ist das einfacher, da siehst du die Tiere fast auf Bestellung.
Ein Erlebnis, das Sie Ihren Kindern auch schon beschert haben?
Bisher noch nicht, sie waren unserer Meinung nach noch zu jung dafür. Die hätten die Geduld noch nicht gehabt.
«Als der Match innert Minuten ausverkauft war, waren die Erleichterung und der Stolz riesig.»
Roger Federer
Südafrika heisst auch Tourismus. Was muss man Ihrer Ansicht nach erlebt haben, um sagen zu können, ich habe Südafrika kennengelernt?
Vor allem muss man sich Zeit nehmen. Ich würde nicht nur Südafrika bereisen, sondern versuchen, auch Länder wie Namibia, Botswana oder Simbabwe zu besuchen. Klar, eine Safari darf man nicht verpassen, das ist einzigartig. Und Kapstadt ist längst ein weltweiter Hotspot. Mirka und ich werden morgen ans Kap der Guten Hoffnung fahren. Sie war noch gar nie in dieser Gegend. Auch die Weinberge wollen wir noch besuchen. Auf dem Tafelberg war ich übrigens noch nie. Der ist ein Must, drum behalte ich den als guten Grund, bald wieder hierher zurückzukommen.
Und auf der sportlichen Seite, was muss man kennen?
Rugby natürlich! Kricket zwar auch, aber mir ist Rugby etwas näher. Ich habe mich extrem gefreut, bei diesem Event Siya Kolisi kennenzulernen, den Captain des Nationalteams, der Springboks. Ich kenne von den World Sports Awards in Saint Petersburg auch einzelne Mitglieder des Weltmeisterteams von 2007, Bryan Habana oder Percy Montgomery. Oder die Rugby-Legende Os du Randt. Ich bin von deren Athletik sehr beeindruckt.
Die sind noch athletischer als Roger Federer?
Oh Mann! Wir haben hier beim «Match in Africa» ein Muskel-Selfie gemacht, Rafa Nadal, Siya Kolisi und ich. Ich habe ja ausgesehen im Vergleich mit denen …
Es war dies das erste Mal, dass Sie wettkampfmässig Tennis gespielt haben in Südafrika. Ein Häkchen auf der sportlichen «Bucket List» im Spätherbst Ihrer Karriere?
Genau! Das musste ich ihnen einfach geben und mir damit auch selbst einen Traum erfüllen. Es war ja nicht ganz ohne Risiko. Können wir hier wirklich so ein Riesenstadion füllen, oder blamieren wir uns? Ich hätte ja auch in einem kleineren Stadion gespielt. Aber als der Match dann innert Minuten ausverkauft war, waren die Erleichterung und der Stolz riesig. Ich hätte am liebsten gleich noch einen zweiten Match organisiert, damit alle interessierten Südafrikaner zu einem Ticket kommen. Aber das wäre dann doch zu viel des Guten gewesen. So bleibt uns dafür die Motivation, hoffentlich bald eine zweite Ausgabe des Events hier unten auf die Beine zu stellen.